Freitag, 21. April 2017

Die Frechheit des Jahres


In seinem neusten Artikel in Haaretz hat Gideon Levy zugeschlagen. Wohl von der Haaretz Geschäftsleitung beauftragt, denen Abonnenten davonschwimmen. Wie ich haben einige tausend Leser ihr Abo von Haaretz annulliert sehr viele davon, wieder wie ich, mit der Begründung den von Gideon Levy geschrieben Hass auf Israel, seine Lügen zur selbst verursachten Not der Palästinenser in den besetzten Gebieten der Westbank und letztendlich sein absolutes Desinteresse für die Opfer palästinensischen Terrors seien ein Skandal. Nach der Kündigung meines Abos rief mir zweimal ein Mitglied der Haaretz-Redaktion an und wollte wissen warum. Nachdem ich ihm mein Missfallen über Gideon Levy ausdrückte und sagte, dass ich denke Gideon Levy sein eigenes Geschreibsel kaum selbst glauben werde, sagte mir der Redaktion tatsächlich, ich könnte da Recht haben. Levis hier erwähnter Artikel in Haaretz (http://www.haaretz.com/opinion/1.784352), von dem ich den Eindruck erhielt er sei in zwei verschiedenen Versionen veröffentlicht worden, ist eine Beleidigung jedes Lesers, der sich seinen Manipulationsversuchen verweigert. Durch meine Tätigkeit in einer grossen arabischen Kunstgalerie hatte ich die Ehre Gideon Levy wenige Male persönlich zu treffen und mit ihm Worte zu wechseln. Die Einseitigkeit seiner Interessen und seine totale Humorlosigkeit stiessen mich ab.

Seine Persönlichkeit ist wundervoll dargestellt in Tuvia Tenenboms Buch «Catch the Jew!» S. 119 125. Ich besitze nur die englische Orginalausgabe. Hier daraus ein paar punktuelle Juwelen, von mir zum Teil selbst übersetzt:

  • ·        Frage an Levy: Ist die israelische Nation von Natur aus brutal? Antwort: Absolut nicht: Aber in einem sind sie (die Israeli) anders in ihrer Mentalität als andere Nationen: in ihrem Glauben sie seien das auserwählte Volk ...., seien besser als andere, es gebühre ihnen mehr als anderen ......
Mein Kommentar: auch wenn das mit dem «auserwählten Volk» ein völliger Käse ist, bleibt es die traditionelle Antwort eines Antisemiten oder jüdischen Selbsthassers.
  • ·        Levy: «ich vergleiche Israel mit Südafrika während der Apartheid».
  • ·        Gideon Levy spricht nicht Arabisch. Als Antwort auf die Frage, wie er denn über die fürchterlichen Dinge, welche Israels Armee in der Westbank anstelle, berichten könne, ohne Arabisch  zu verstehen, weist er darauf hin, dass sein Team aus Arabischsprechern bestehe. Damit sind diejenigen, die nicht Arabisch sprechen, ihren Übersetzern völlig ausgeliefert und unfähig sich selbstständig eine eigene Meinung zu bilden.
  • ·        Eine interessante Aussage von Levy: «Ich denke», sagt er Tenenbom, «dass der durchschnittlichen Palästinenser zweifellos mehr den Frieden will, als der durchschnittliche Israeli». Sind in dieser Aussage arabische Israeli eingeschlossen? Auch sagt er im gleichen Abschnitt: «Alle meine Freunde sind Israelis. Ich habe keine palästinensischen Freunde». Ein trauriges Geständnis. Levy widmet sein ganzes Leben der palästinensischen Sache, doch kein Palästinenser befreundet ihn. Man könnte auf den Gedanken kommen, die Palästinenser seien ihm eigentlich egal.
  • ·        Er sei ein israelischer Patriot, sagte er zu Tenenbom. Er wolle sein Israel, seine Juden zum einem Volk der Übermenschen werden und Gewehrkugeln mit einem Kuss zu beantworten, statt sich zu verteidigen. Kurz: Juden sollen Jesus sein und am Kreuz sterben. Ich nehme an, dass diese Auslegung levyscher Ideologie von Tenenbom stammt.
Gideon Levy geht wöchentlich leidende Palästinenser in der Westbank besuchen, deren Leiden er dann in der Wochenendausgabe von Haaretz publiziert. Das kann ich bestätigen, denn noch immer lese ich diese. Über israelische Terroropfer (Juden und Araber) berichtet er nicht. Das interessiert ihn nicht.

Gideon Levy hat eine Marktlücke entdeckt, die er endlos ausquetscht. Diese Marktlücke heisst «Israelische Besetzung und die Leiden der Palästinenser», ohne das in irgendeinen Kontext zu setzen. Damit wurde er völlig und ohne wirklichen Grund zum zum anerkannten Guru westlicher antiisraelischer Kreise und «Experten» dieses Themas. Einen Kontext für das von ihm berichtete und kritisierte damit wiederhole ich mich unterlässt er grundsätzlich zu erwähnen.

Ich nehme an, dass er mit dieser Marktlücke gut verdient und auch israelische Einkommenssteuern zahlt, mit denen die bösen Israelis die armen Palästinenser sekieren können. Nevermind deren Terror und Judenhass und dessen israelische Opfer, Juden und Araber.

Es gibt viel in Israel, das stark verbesserungswürdig ist. Wie beispielsweise die Regierungspolitik im Zusammenhang mit dem Gesundheits- und Schulwesen. Die Verteilung staatlich-finanzieller Mittel ist skandalös, Religion wird in jeder Hinsicht missbraucht, nicht gegenüber arabischen Bürgern, sondern gegenüber jenen Bürgern (auch jenen der arbeitenden Minderheiten), die dem Staat beitragen, statt ihn durch unberechtigte finanzielle Ansprüche oder Verweigerung bürgerlichen Pflichten zu plündern. Der durch den Staat tolerierte, ja unterstützte religiöse Vergewaltigung seiner Bürger, denen normale Bürgerrechte via Oberrabbinat vorenthalten werden. Doch das sind Probleme, die ich hier nur als die wirklichen Probleme Israels nenne. Die Not der Palästinenser ist vor allem ein politisch motivierter Etikettenschwindel, fast ausschliesslich beruhend auf palästinensischer Lügenpolitik und der absoluten Korruption und internen Gewalttätigkeit  palästinensischer Politik und ihrer Vertreter. Das ist ein Thema dem Gideon Levy noch nie ein Wort gewidmet hat. 

Dienstag, 14. März 2017

Der Wortbruch - Betrachtungen eines Geschichtsamateurs


Ähnlich wie der berühmte Wagnersänger, Komödiant und Hitlerablehner Leo Slezak beim Erscheinen des ersten Teils seiner Erinnerungen „Meine sämtlichen Werke“ (1922 bei Rowohlt) förmlich versprach keinerlei weitere schriftliche Ergüsse von sich zu geben, dieses Versprechen aber schon 1927 mit dem Erscheinen des „Der Wortbruch“ brach, melde ich mich zurück. Nicht dass ich mich mit Leo Slezak, dessen Schriften ich schon in meiner Jugend verschlang, vergleichen kann – nur schon beim Singen happert’s gewaltig. Warum diese Einführung?

Mein Problem mit dem Problem

Immer wieder versichere ich meinen Freunden und mir selbst, mein Tagebuch aufzugeben, nicht mehr über Israels Politik und seine Überlebensanstrengungen in einer Region des Grauens zu schreiben. Auf alles auf Israel, seiner Umgebung und den Zionismus bezogene zu ignorieren. Doch das geht einfach nicht. Ich komme davon nicht los, ich bringe es nicht fertig mich davon abzunabeln. Der mit dem Thema einhergehende emotionelle Stress lässt sich nicht lösen, abschalten geht nicht – ich bin dem Thema verfallen. In völligem Gegensatz zur vielerorts üblichen aber falschen Meinung, Israelis würden in einer künstlichen Blase leben, in der sie das um sie herum Vorgehende nicht wahrnähmen, verfolgen wir die blutigen Kriege rund um uns herum nicht nur mit Interesse, sondern auch mit Sorge. Nicht nur mit Sorge um unser Land. Während Israel versucht sich aus den Kriegswirren in Syrien, im Libanon, im ägyptischen Sinai, Jemen und noch weiter entfernt herauszuhalten, es unauffällig Tausende arabischer Kriegsverletzte in seinen Spitälern rettet und gesund pflegt.

Ich bin nach wie vor überzeugt, dass Israel, der heutige Staat der Juden, unübersehbar die grosse Erfolgsstory der zwanzigsten Jahrhunderts darstellt. Der Kontrapunkt zum Nationalsozialismus, der alles tat uns Juden zu vernichten. Der Zionismus ist älter als der Staat Israel und ist seine Grundlage, ohne die er nicht erstanden wäre, Hitler hin oder her. Und wir Juden (wenigstens die meisten unter uns) sind daran beteiligt.

Hass zur Kultur erhoben

Nur eben, nach den Jahrzehnten seit der Staatsgründung in 1948, nach dem unglaublichen Wachstum der Bevölkerung, der Wirtschaft und der sozialen Diversität sind schon seit längerer Zeit gewisse Entwicklungen des Staates zu beobachten, die mir grosse Sorge machen. Der Mittlere Osten, von dem wir ein nicht von allen geliebter Teil sind, ist stetig noch totalitärer, noch gewalttätiger und noch islamistischer geworden. Wir leben in einer von Hass geprägten Umgebung – Hass gegen Ungläubige (das sind immer die anderen, die einem anderen Aberglauben frönen), Hass gegen sich selbst und Hass gegen uns Israelis und uns Juden ganz allgemein. Die arabische Welt hat Hass als Kultur gepachtet und in neue Höhen geführt. Ihr Hass gilt all dem, mit dem sie sich nicht messen kann. Der Nahe Osten und die islamische Staaten bilden heute die gewalttätigste Region der Welt, eine nicht zu übersehende Situation. Wer schuld daran ist – darüber wird gestritten, obwohl die Quellen dieser Gewalt klar und nicht zu übersehen sind: totalitäre Religionen, Ignoranz und Bildungsresistenz, enormer sozialer und wirtschaftlicher Rückstand, Widerstand gegen Moderne und Fortschritt (natürlich mit Ausnahme im Waffenkonsum). Daran können auch die noch immer zu hörenden Beschuldigungen aus noch nicht erwachsenen Kreisen nichts ändern, die den längst verflossenen Kolonialismus dafür verantwortlich machen.

Jüdische Erfahrungen

Der politische Zionismus wurde Ende des neunzehnten Jahrhunderts von Theodor Herzl gegründet. Auslöser war der Antisemitismus rund um den Dreyfus Prozess in Frankreich. Aus der Idee wurde 1948 der Staat Israel. Der Holocaust war nicht die Begründung der zionistischen Ideologie, sondern Auslöser ihrer Verwirklichung, wohl früher als eigentlich vorgesehen. In diesem Zusammenhang möchte ich die von vielen Juden geteilte und selbst erlebte fast schon komisch anmutende Tatsache erwähnen, dass uns vor dem Entstehen des eigenen Staates nahegelegt wurde: „haut ab nach Palästina!“, das dann, nach Entstehen eben dieses Staates mit Namen Israel, nach wenigen Jahrzehnten abgeändert wurde in: „haut ab wo ihr hergekommen seid!“.

Anderer Massstab für die Kleinen

Ein anderer Punkt, der mir gesamthaft gesehen, Bauchschmerzen verursacht, sind die verschiedenen Massstäbe an geschichtliche Geschehnisse. Eigentlich ist es so, dass das Auslösen eines Krieges und dessen Verlust dazu führt, dass der Angreifer einen Preis zu zahlen hat. Kriege verlieren kann teuer sein. Das können immense materielle Reparationen sein, Gebietsverluste und Flüchtlingsströme. Paradebeispiele sind die Gebietsverluste Deutschlands (Ostpreussen, Elsass etc.) und der k. und k. Monarchie Österreich-Ungarn (Unabhängigkeit Ungarns, Tschechoslowakei, Südtirol ging an Italien etc.) nach dem Ersten Weltkrieg als Folge der Kapitulation dieser zwei Staaten. Es mag sein, dass die fast völlige Vernichtung der deutschen Wirtschaft und Industrie und die dem folgende wirtschaftliche Not Hitler einen Karriereschub schenkte, da durch die Folgen des verlorenen Krieges die Verbitterung des deutschen Volkes gewaltig gestiegen war. Sie führte zum Nazismus, der durch seinen Holocaust, sein Vernichtungskrieg gegen slawische Völker, seinem Überlegenheitsanspruch des Deutschtums (dem sich ironischerweise eine nicht geringe Zahl deutscher Juden bis zum Amtsantritt Hitlers ebenfalls verschrieben hatten). Deutschland wurde nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs besetzt und blieb für Jahrzehnte unter den Siegermächten aufgeteilt. Damit verhinderten die Alliierten eine Wiederholung des Revanchismus wie nach dem Ersten Weltkrieg. Es ist bis jetzt nicht ganz klar, wie weit das heutige Deutschland heute wieder ein völlig souveräner Staat ist und wie weit die Aufsicht der vier Siegermächte von 1945 noch besteht.

Mit der Situation Deutschlands komme ich zum in’s Auge stechenden Vergleich mit Israel und seinem Besetzungsproblem bei den Palästinensern der Westbank und Gazas. Es scheint, das all das oben Beschriebene für die gesamt Welt gilt – ausser für Israel. Israel wurde 1948 von arabischen Ländern und den damalig heimischen Arabern angegriffen. Das Ziel des Angriffs war den gerade entstandenen modernen Staat der Juden zu zerstören und sämtliche dort lebenden Juden zu vernichten. Der Angriff misslang, bei Kriegsende war Israel wesentlich grösser als es die UNO Resolution 181 vorsah.

Warum Israel militärisch nicht abziehen kann

Das wiederholte sich 1967. Ägypten, Syrien und Jordanien griffen mit dem selben Kriegsziel wieder an und wieder verloren sie Gebiete. Wieder gewann Israel einen Krieg aber keinen Frieden. Seither sitzt Israel im ehemaligen Westjordanland (Westbank oder gar Palästina genannt), den Gazastreifen hat es inzwischen verlassen. Ihm wird von der Welt genauestens auf die Finger gesehen. Die Welt und viele Israelis verlangen den Abzug Israels aus den besetzten Gebieten. Heute ist Gaza zum Paradebeispiel und einzig gültigem Grund geworden, dass dem heute nicht entsprochen werden kann. Das Risiko eines Abzugs Israels aus der Westbank ist noch grösser, als es der israelische Abzug aus Gaza war. Wenn man dieselben Massstäbe anlegt (andere gibt es nicht), ist es klar, dass palästinensische Gebiete in der heutigen Zeit nicht allein sich selbst überlassen werden können. Anders als seinerzeit in Deutschland, in dem die Naziideologie fast völlig zerstört wurde, lebt der von Islamismus und palästinensischem Faschismus unterstützte Juden/Israelhass und Terror, der öfters nach Israel überschwappt und schon Tausende von jüdischen und nichtjüdischen Opfer gefordert hat.  Es wäre vielleicht möglich, Siedlungen in der Westbank abzuziehen, doch die militärische Besetzung muss weiterbestehen, da sonst sofort eine identische Situation, wie sie heute in Gaza besteht entstehen würde. Wie die Alliierten es in Deutschland seit 1945 vorführen, ist es für Israels Sicherheit unumgänglich, in palästinensischen Gebiet eine militärische Präsenz weiterzuführen. Genau so wie kaum jemand verlangt, dass Russland beispielsweise die Krim an die Ukraine zurück gibt (der Vergleich hinkt, da die Krim den Russen nie den Krieg erklärt hat und keinerlei Gefahr für Russland darstellt), kann von Israel nicht erwartet werden, die Sicherheitskontrolle über die Westbank aufzugeben, da sie ein tatsächliches und enormes Risiko für Israel darstellt. Sogar wenn der Eindruck besteht arabische Welt habe sich mit der jüdischen Präsenz in der Region abgefunden, ist der Einfluss Irans und vieler arabischer Terrororganisationen so stark wie nie bevor. Russland ist riesig und mächtig, Israel ist winzig und gerade noch eine Regionalmacht in einer Gegend verrückter Völker und Religionen. Russlands Existenz ist nicht bedroht, Israels Existenz ist es seit seiner Gründung.   

Ich bin stolz Teil des zionistischen Projektes sein zu dürfen. Mit vielem der israelischen Politik bin ich nicht einverstanden, es wahr wohl ein Fehler die Westbank zu besiedeln, statt nur unter militärischer und politischer Kontrolle zu halten. Die politische Entwicklung in Israel und seinem wachsenden Hang zum Autoritarismus aus extremistischen religiösen Kreisen und dem damit verbundenen Hang zur faschistischen Ideologie des Etatismus, wie er auch von nicht religiösen Kreisen vertreten wird, gibt mir zu denken. Noch ist Israel ein leuchtender Stern in der Finsternis der mittelöstlichen Gesellschaft, die sich mit Riesenschritten in das ebenso finstere Mittelalter zurück bewegt, doch wird es das auch weiterhin bleiben? 

Sonntag, 5. März 2017

Rapping in Vancouver

Mein Enkel Dan wohnt in Vancouver an der Westküste Kanadas und besitzt dort ein gutgehendes Geschäft. Schon in Israel war er ein populärer Breakdancer, doch nun versucht er auch die Musikszene zu erobern. Hier bitte sein erster Film mit philippinisch-kanadischem Hintergrund. Ich habe einen Riesenplausch daran und muss das weitergeben. Saba kvellt.

Freitag, 27. Januar 2017

Bekenntnis und Neuanfang

Hab ich das nötig? 

Viele Jahre führte ich Uris Tagebuch, erst als E-Mail, später als Blog. Dazu kam meine Mitarbeit beim „Journal21“, bei dem ich bis heute unzählige Artikel veröffentlicht habe. Ich hatte zu berichten und zu vielem Stellung zu nehmen. Doch vor einigen Jahren fiel es mir laufend schwerer, mich mit der Materie zu befassen, der arabisch-islamische Hass auf Israel und das weltweite Judentum und dem dümmlichen, aber wachsenden Antiarabismus und Antipalästinismus verschiedener einflussreicher nationalistischer Kreise Israels verursachten mir Motivationsstörungen und Bauchschmerzen. Dann kamen die unzähligen Hassbriefe von Schreibern, die öffensichtlich nichts besseres zu tun haben, als ihren Selbsthass in Hass und Lügen mir gegenüber zu kanalisieren. Für jedes Medium finden sich selbsthassende Spezialisten die alles tun ihre Ignoranz und ihren Menschhass (in diesem Fall ihren Judenhass) am Author herauszulassen. Ich frage mich heute: „Habe ich das nötig?“. Die Antwort ist nein. Mein Masochismus hält sich in Grenzen, auch wenn mir klar gemacht wurde, dass Hassreaktionen beweisen, dass meine Schreiberein tatsächlich gelesen werden. Ich will nun mein Tagebuch fortführen, doch weniger über Politik, dafür mehr über eigene Erfahrungen im Lande der Väter und das Leben eines Schweizer Pensionärs in Israel. Seit die NZZ  heute hier in Israel von Ueli Schmid vertreten ist, kann ich mir meinen Senf grossenteils sparen – er schreibt unvergleichlich besser, besitzt den gewünschten Durchblick und macht das übliche Duckmäusertum ausländischer Pressevertreter nicht mit.

Der Neuanfang

Vor über vier Jahren zogen Lea und ich aus unserer schönen grossen Wohnung in Zichron Yaakov in eine sogenannte „Alterresidenz“. Das aus gesundheitlichen Gründen. Diese Alterresidenz heisst „Dor Tivon“ und liegt in Kirat Tivon, am Rande des biblischen Emek Yesreel. Wir leben in einem grossen Haus, zusammen mit rund 250 weiteren Pensionären. Wenn ich gefragt werde, wie es denn so sei in dieser riesigen Institution, wie es denn so sei mit weiteren 250 Pensionären zu leben, von den fast alle älter sind als ich, erkläre ich, dass wir an einem Ort leben, der eine Kreuzung zwischen einem Luxushotel und einem Kibbutz sei. Ausnahmslos alle unserer noch immer zahlreichen Gäste sind überrascht, ja begeistert – einem ähnlichen Ort in der Schweiz gleiche es nicht. Vor allem im amerikanischen Florida gibt es solche Institutionen. Weit grösser als unser Dor Tivon – ich besuchte dort ein „Protected Living“ in Dearfield Beach in dem rund zwanzigtausend Alte (auf Amerikanisch-Jiddisch AKs – Kurzform für alte Kacker genannt) leben, weitgehend selbständig, mehrheitlich jüdisch – autofahrend, selbst einkaufend und kochend, Golf spielend auf einem der drei 18-Loch Golfplätze und ähnlichem. Ähnlich ist es bei uns – doch alles in weit kleinerem Masse und ohne Golfplatz. Doch gibt es sehr viele Aktivitäten, von denen ein beträchtlicher Teil durch die Pensionäre selbst organisiert und ausgeführt wird. Ich schwimme fast täglich, besuche und gebe Vorträge (über Jazz und Blues) und hatte in einem der drei grossen Eingangshallen (Lobbies) eine Fotoausstellung hängen – fast drei Jahre lang. Mit viel Erfolg und (nur guten) Kritiken, sogar in der Lokalpresse.

Mit einem Fuss im Grab

Wenige Tage nach unserem Einzug lief ich mit meinem Zichron Yaakover Freund Arie der Nagar (Schreiner) durch den langen Korridor, der die vielen Einrichtungen verbindet und kamen an der Caferia vorbei. Eine grössere Zahl älterer Damen sassen beim Kaffee und riefen mir, dem noch unbekannten Neuling, zu: „Bist du allein?“ Uri, höflich wie immer, antwortete, er sei glücklich verheiratet, nur sei seine Frau Lea gerade bei ihrer Schwester im Kibbuz. Dann gingen wir weiter und ich sah wie Freund Arie neben mir grosse Mühe hat, nicht zu lachen. Als wir genügend Abstand zur Cafeteria erreicht hatten, pustete er los. Er, der rund zwanzig Jahre Jüngere, erklärte mir, dass hier Männermangel herrsche und meine Person Interesse bei alleinstehenden Damen geweckt haben müsse. Das sei normal. Ein Paradies für uns Männer.
Doch das Schicksal machte uns einen riesigen Strich durch die Rechnung. Vor einem Jahr ist meine Lea gestorben. Zuhause, mit den Kindern um sie herum. Ich habe mich noch nicht damit abgefunden. Ob das möglich ist, wird die Zeit zeigen. Doch finde ich Trost durch meine fabelhafte Familie,  aber auch von den vielen Freunden in Israel und ausserhalb.

Entsetzlich, doch wunderschön! Ein jiddisches Gedicht aus dem Loch unter‘m Kuhstall

Im Dor Tivon leben rund zweihundertfünfzig Pensionäre, davon sind etwa fünfzig Männer. Rund dreissig Prozent der hier lebenden Menschen sind Holocaust-Überlebende. Sie reden darüber, wenigstens die meisten von ihnen. Ich gehe nicht an nationale Feiern, ich mag den nationalistischen Trara nicht, doch am Holocaust-Gedenktag im Dor Tivon nehme ich Teil. Dort haben jedes Jahr einige unserer Pensionäre und Freunde mit Nummern auf dem Arm Gelegenheit ihre Kindheitserlebnisse zu erzählen. Es gibt wenige unter ihnen, die einen verbitterten Eindruck machen, viele von diesen Menschen sind noch oder wieder fröhlich und haben es geschafft, mit ihrer schrecklichen Vergangenheit fertig zu werden. Immer wieder bin ich erstaunt, wie wenig Hass auf ihre damaligen Peiniger zu finden ist. Es sind wenige zu finden, die heute alles Deutsche ablehnen und es nicht aushalten Deutsch sprechende Kollegen wie meinen Freund, dem Stuttgarter Alex Potok (94) oder mich (fast 80) blödeln zu hören. In Schwäbisch und Schweizerdeutsch.
Gelegenheit werde ich unter anderem einige dieser Pensionärskollegen vorstellen. Mit Text und Bild. Hier Schoschana Rothschild's Story: Sie und ihre Familie wurden von einem polnischen Bauern gerettet, der sich entschloss die Familie und besonders die zwei Töchterchen unbedingt retten. Juden wurden durch solche Helden gerettet, von denen viele von der SS und der Wehrmacht erwischt und samt Familie hingerichtet wurden. Da die Nazis alle paar Tage die Bauernhöfe nach Juden durchsuchten, konnte die Familie nicht im Haus des Bauerns versteckt werden. Also grub dieser christliche (christlich im vollsten Sinne des Wortes) Bauer eine tiefe Höhle unter dem Kuhstall, die er so einrichtete, dass die Familie dort einigermassen sicher vor den Nazis überleben konnte. Er versorgte sie mit Nahrung und allem Notwendigen. In diesem Loch überlebte Schoschana’s Familie über zwei Jahre bis die Rote Armee sie erlöste. Solche und ähnliche Geschichten aus den Judenverfolgungen der Nazizeit, in allen von den Nazis besetzten Ländern Europas gibt es viele. Doch das „besondere“ in diesem Fall muss erzählt sein:

Shoshanas Vater hielt in diesem Loch Schule. Shoshana war etwa sechs Jahre alt und sie lernte lesen und schreiben. Der Bauer besorgte Bleistift und Papier und ihr Vater unterrichtete. In polnischer Sprache. Der Vater schrieb seine Gedichte in Jiddisch. Das Papier war knapp, weshalb er sein damals sechsjähriges Töchterchen polnische Texte schreiben liess und später seine eigenen Gedichte in Jiddisch, einer mit hebräischen Buchstaben geschriebenen hochliterarischen Sprache, darüber. Eine Sparmassnahme. Shoshana rettete diese Dokumente. Als Beispiel ein Blatt aus diesen Arbeiten: Schreibübungen in Polnisch und ein Gedicht in Jiddisch:



Ich lernte Schoschana in unserer „English Poetry“ Gruppe kennen. Im Laufe ihres Lebens lernte sie Sprachen, wie Englisch (sie wurde Englischlehrerin in den USA), Polnisch, Yiddisch und Hebräisch. Ihre Gedichte in diesen Sprachen sind wunderschön.

Zum Abschluss das Gedicht von Schoschana’s Vater, Mendel Seifert. Schoschana übersetzte es aus dem Polnischen erst in’s Hebräische und dann in‘s Englische. Ich wage es nicht eine Übersetzung ins Deutsche vorzunehmen. Hier die englische Fassung:

The Dream

Buried beneath the cowshed
Hiding from Hitler's murderers
In the dark, we dream of liberation
Of an end to our hunger and pain

Counting the nights and the days,
The days so long, the nights so cold
A whole years has passed
Hope and despair take turns in our hearts

Outside a storm is raging
The wind is howling and moaning
The dog in the yard is barking
I listen, awake, afraid

Next to my little daughter
is speaking in her dream
I can't see her face, but I hear her clearly
"Daddy, the war is over, Daddy, we're free"

In the morning he tells me her dream
"I dreamt they came to tell us
The war was over and we could come out of hiding
And I thought we could all go to Palestine"

Oh, my child, how I wish your dream would come true
how I long to see peace put an end to this dreadful war
My heart is hopeful but a doubt creeps in
Who knows whether we will live to see that day.

Mendel Seifert (Dezember 1943)

Montag, 28. November 2016

Brennender Hass (2)

Weiter zum ersten Teil meines Beitrages vom 15. November 2016 im Zusammenhang mit den Bränden in Israel. 

Fairerweise will ich darauf hinweisen, dass die Brandstifter zwar arabisch-israelische Bürger, aber auch Araber aus den besetzten Gebieten waren. Wichtiger als diese Feststellung ist die Tatsache, dass arabischen Bürger genau so wie jüdische Staatsbürger ihre Bürgerpflichten wahrgenommen haben. In grosser Zahl als Freiwillige oder beruflich als Feuerwehrleute, als in allen Funktionen einer Ambulanzmannschaft agierende, als freiwillige Polizisten (ich war in jüngeren Tagen selbst einer) und vielem mehr. Ich finde es wichtig, dies zu erwähnen. Genau wie die Tatsache der zahlreichen Feuerwehreinsätze palästinensischer Feuerwehreinheiten, die Israel zu Hilfe eilten. Diese waren die Kehrseite der Medaille des israelischer Erfahrung mit unseren Cousins ennet der Grünen Linie. Auch wenn über vieles Schlimmes in Israel geschehendes dort und nicht weniger in der gesamten arabisch-islamischen Welt gejubelt und gefeiert wird – es geht auch anders. 

Nicht wenige Male habe ich in meiner zweiten Israelkarriere der vergangenen fast zwanzig Jahre, arabische Israelis kennengelernt, sei es bei Kaffee und Kuchen, bei Spitalaufenthalten, als Polizist und anderem, die sich aufrichtig um Akzeptanz als israelische Bürger bemühen. Auch wenn ihnen sicherlich klar ist, dass es auch unter uns Juden nicht wenige Leute gibt, völlig verallgemeindernd jedem israelischen Araber zweifelnd, kritisch, ja feindlich gegenüberstehen. Verallgemeinern macht unkritisch und verhindern den Willen hinter die Kulissen sehen. Verallgemeinerungen sind Gift und Ausdruck eines grundlegend faschisten Tendenz einiger israelischen Politiker, ihren Einfluss dafür einzusetzen ein solches Spiegelbild jüdischen Hasses auf Andere zu fördern. 

Kann es sein, dass die von Verteidigungsminister Yvett Lieberman eingeführte Strategie des Rüeblis und dem Stock auch für jüdische Rassisten gelten soll? Hoffentlich! Der Spruch stammt von mir und ist eine Abänderung der von USA-Präsident Theodore Roosevelt am 26. Januar 1900 an einen Freund geschriebenen Worte „Speak softly and carry a big stick, you will go far”. Dieses Sprichwort schlägt vor taktisch vorsichtig und ohne Aggressions vorzugehen, aber trotzdem bereit zu sein wenn nötig Gewalt anzuwenden. Ist Yvet Lieberman (oder gar Bibi Nethanyahu) ein Teddy Roosevelt?

Dienstag, 15. November 2016

Brennender Hass

In Haifa brennt’s. In Zichron Yaakov und vielen anderen Orten in Israel auch. Sogar in meinem relativ neuen Wohnort, in Kiriat Tivon, hat’s gebrannt, unweit meiner Altersresident. Der Schaden hält sich dort in Grenzen und wurde schnell gelöscht. Das dortige, von uns gerne besuchte indische Restaurant ist nicht zu Schaden gekommen. Im Haifa meiner Tochter Dvorit brennt es noch immer und die Schäden sollen bereits die Ausmasse und Schäden des Carmelfeuers in 2010 übertreffen.

Es gibt einen Unterschied zwischen den zwei Bränden. Auf dem Carmel war es die Leichtsinnigkeit zweier Jugendlicher, die den Brand auslösten. Böse Absichten waren nicht dabei. Doch die heutigen Brände in Haifa, Zichron Yaakov, Jerusalem und anderswo in Israel sind, Polizei und Feuerwehr sind sich einig, vorsätzlich gelegt worden. Auch wenn das extrem trockene Wetter und die heissen Winde Brände begünstigen, scheint es recht klar zu sein: diese zum Teil riesigen Feuer wurden gelegt. Jetzt freuen sich viele in unserer erweiterten Nachbarschaft und bedanken sich bei Allah. Sie sehen einen Zusammenhang mit der dämlichen Minarett-Abstimmung im Knesset, mit der die lauten und fünfmal täglichen Betaufrufe durch Lautsprecher abgeschafft oder eingeschränkt werden sollen. Scheichs, Imame und auch nichtprofessionelle Muslime in der arabischen Welt und Israel danken Gott, dass er die bösen jüdischen Israelis für ihre Absicht bestraft. Diese Parlamentsinitiative gleicht der schweizerischen Minarettverbots-Abstimmung von 2009, die ich genauso ablehnte, wie ich heute gegen die in Israel stattfindende Initiative in der Knesset bin. Beide dieser Initiativen sind von Hass motiviert, ob es Rassenhass oder religiöser Hass ist, bleibe dahingestellt. Nur eben, in Israel gibt es keine direkte Demokratie und so kann ich nicht mitentscheiden – keiner fragt mich.

Im Zusammenhang mit diesen Bränden ist Hass wieder in die Schlagzeilen geraten. So wie die heissen Winde die Feuer entfachen, entfacht er Antisemitismus, getarnt als Antizionismus. Der heutige Metropolico schreibt „Auf arabischer Seite werden die massiven Brände in Israel bereits gefeiert und Videos im Internet verbreitet. Ein Mitglied der Hamas soll auf Twitter gepostet haben, dass die Brände die Strafe für Israel wegen des Gesetzentwurfs zum Verbot von Lautsprechern in den Moscheen seien. ...... Andere, der Hamas nahestehende Sender senden fröhliche Lieder, und feiern die Brände bei »den Zionisten«.“ In anderen Worten – Allah straft Israel.

Ulrich Schmid der NZZ beschreibt es heute so: „Manche glauben das gerne, zumal auf arabischen Plattformen die Schadenfreude Urstände feierte. Tausende frohlockten, der Hashtag #Israelisburning wurde zum ganz grossen Renner. Vor allem in Ägypten, Jordanien und den Golfmonarchien wurden die Feuer als Strafe Gottes dafür gesehen, dass Israels Ultraorthodoxe in der Knesset dem Muezzin auf dem Minarett den Einsatz des Lautsprechers verbieten wollen. «Viel Glück den Feuern. Israel brennt», twitterte Scheich Mishari Rashed al-Afasy, Imam der Grossen Moschee in Kuwait.“ Fast schon lustig ist die Tatsache, dass es Israels Ultraorthodoxen gegen dieses Antiminarettgesetz sind, weil sie befürchten als Folge davon Ihren Sirenenalarm zum Schabbatbeginn zu verlieren.

Die islamisch-arabische Welt hat Hass zu einer Kultur erhoben, Hass ist zur Kunst geworden. Gehasst wird das jüdische Israel, die Juden ganz allgemein. Gehasst wird auch die westliche Kultur, ihre Weltlichkeit und der Fortschritt. Dieser Hass erinnert an den Hass eines Julius Streichers, Alfred Rosenbergs, des Jerusalemer Hitlerfreundes Muftis Hadsch Amin al-Husseini und ähnlichem Gesindel, dessen Lebensinhalt ausschliesslich darin bestand Juden zu hassen und vernichten zu wollen. Nur hat sich ein kleines Detail geändert: Wir Juden haben einen eigenen Staat und eine Armee. Wir Juden wehren uns. Erfolgreich.


Ein Fest der Versöhnung

Ein Fest der Versöhnung  

 Gershon Knispel mit Abu Chaled Marcha, einem Brückenbauer zwischen Arabern und Juden in Israel 
Als wir neben unserem Auto standen und eine Falafel assen näherten sich zwei jüngere Männer. Wir waren zu dritt, jeder von uns hielt einen Gehstock in der Hand, wie es sich für alte Menschen ziemt. Die zwei dachten wir bräuchten Hilfe beim Einsteigen. Doch wir bedankten uns und sagten wir kämen ohne Hilfe zurecht. Dann sagte einer der Zwei: „Ich danke euch, dass ihr gekommen seid“.
Es war eine mir gut bekannte Situation in Israel’s grösster arabisch-islamischen Stadt Umm el-Fahem. Wir hatten eben die neu renovierte Kunstgalerie, der einzigen Kulturstätte der Stadt, verlassen, in der die Vernissage des israelisch-brasilianischen Bildhauers und Kunstmalers Gershon Knispel stattgefunden hatte. Meine Freunde, Raja und George, sahen mich ratlos an – gelte ich unter Freunden doch als „Fachmann“ für jüdisch-arabische Angelegenheiten. Und neu war die Situation für mich nicht.
Die zwei Männer hatten sich dafür bedankt, dass wir jüdischen Israelis ihre arabische Stadt besuchen. Eine Situation, die mir im Laufe der Jahre in Umm el-Fahem wiederholt begegnet ist. Dazu muss ich ausholen. Der jüdische Durchschnittisraeli hat Angst arabische Städte und Dörfer zu besuchen. Sehr oft, ja mehrheitlich, wird mir vorgeworfen, ich sei total bescheuert, verantwortungslos und ähnliches meine Freunde in Umm el-Fahem zu besuchen, einer Stadt gewaltfreudiger Islamisten, die mir nur zu gerne die Kehle durchschneiden würden. Scheich Ra‘ed Salah, ehemaliger Bürgermeister von Umm el-Fahem (er soll der beste je amtierende Bürgermeister gewesen sein, bis er an Religiosität erkrankte) und Anführer der nordisraelischen islamischen Bruderschaft wurde. Inzwischen ist er zur zentralen Figur antisemitischen Hetzens geworden. Er ist es, der alle paar Tage schreiend lügt: „Al Aksa ist in Gefahr!“. Zur Zeit sitzt er wegen Aufhetzung zur Gewalt im Gefängnis. Dort beruhigt er sich – bis er entlassen wird. Dann darf er wieder zur Gewalt aufrufen, um sich damit erneut erholsame Gefängnisferien zu verdienen. Doch meine persönlichen Erfahrungen mit islamistischem Judenhass in Umm el-Fahem sind seit über fünfzehn Jahren anders. In dieser Jahren erfuhr ich viel menschliche Wärme und eben auch Dankbarkeit dafür vor dieser Stadt und ihren Bürgern keine Angst zu haben und sie sehr oft zu besuchen. Meine einzige Erfahrung mit islamistischem Extremismus war ein eher erheiterndes Erlebnis: Ich hatte mich in der Stadt verfahren und hielt einen etwas zwölfjährigen Jungen an um den Weg zur Galerie zu erfragen. Der Kleine war gerade mit anderen Kindern und Jugendlichen dabei fahnenschwingend für Scheich Salah zu demonstrieren. Er wickelte die Fahne auf, stieg in mein Auto und dirigierte mich zur Galerie auf der anderen Seite der Stadt. Dort stieg er aus, öffnete seine grüne Fahne und demonstrierte, wenn auch allein, weiter. Er hatte, trotz islamistischer Gehirnwäsche, seine Freundlichkeit und Gastfreundschaft nicht verloren. Was mir als Anzeichen dafür erschien, dass die Kinder eigentlich keine Ahnung haben, für was sie demonstrieren, sondern von extremistisch religiös-ideologischen Hassern manipuliert werden.
Wenn immer ich das Café Sunrise besuchte, um meiner Frau einen Mohnkuchen zu kaufen, blieb ich dort bei Kaffee und Kuchen, mit dem Café-Inhaber und seinen Bäckern sitzen. Wir erzählten uns gegenseitig Geschichten. Und sie bedankten sich für den jüdischen Besuch. Ob privat, in Geschäften und Gasthäusern, oder gar wie eben auf der Strasse - diese offene Dankbarkeit für jüdischen Besuch berührt mich bis heute. Und sie ist mir peinlich, denn ich sehe darin einen Beweis wie sehr unverkrampftes Verhalten zwischen jüdischen und arabischen von massregelnder ideologischer Politik abhängig ist. Nationalistische Palästinenser, die sich gerne hinter ihrem Islam und Palästinismus tarnen und ihre versöhnlich sein wollenden Mitbürger bedrohen, wie auch extrem nationalistische jüdische Israelis der frommen und säkularen Sorte machen es jedem versöhnlichen Menschen schwer, sich als ein Solcher zu benehmen.
Die Vernissage in der Kunstgalerie von Umm el-Fahem war ein Beispiel dafür, dass diesem Problem mit Zivilcourage  begegnet werden kann.

Eines der Riesenwerke von Gershon Knispel

Die Vernissage galt dem jüdischen Künstler Gershon Knispel. Knispel ist ein 1932 in Deutschland geborener Künstler, der heute in Brasilien lebt. Noch immer scheint er überzeugter Kommunist zu sein. Ich hier nicht zu seiner Kunst Stellung nehmen – ich fühle mich dazu höchst inkompetent. Seine Werke sind vornehmlich gigantischer Grösse, doch nicht nur deswegen eindrücklich, auch wenn, so meine eigene inkompetente Meinung, in seiner Malerei und seinen Skulpturen stark an den Sozialistischen Realismus erinnert. Doch sind besonders sein Bilder nie langweilig. Auch ist Gershon ganz offensichtlich ein erfolgreicher Künstler, dessen Werke bemerkenswerte Preise erziehlen.


(l.-r.) Knessetmitglied Yousef Jabarin, Abu Chaled Marha, Gershon Knispel, alt-Knessetmitglied Afu Aghbaria
An der Vernissage nahmen schätzungsweise 300 Menschen teil, die aus vielen Orten Israels angereist kamen. Gershon Knispel sprach auf eine Art, die mich lebhaft an Lenin oder sogar Trotzky erinnerte, nicht weniger als seine inzwischen völlig altbacken wirkenden altsozialistischen Anschauungen, inklusive seinem Aufruf zu einer revolutionären Renaissance abgelaufener Ideologien. Trotzdem, oder vielleicht deshalb, fand ich ihn rührend. Es gibt sie noch, diese uralten Leninisten – wieweit sie sich selbst noch ernst nehmen können weiss ich nicht. Zu unserem heimischen Konflikt meint er, Israel habe mit Aegypten Frieden geschlossen und diesen die Sinai-Halbinsel zurückgegeben, also könne Israel auch mit den Palästinensern Frieden schliessen. Allerdings lässt er den dazugehörigen Kontext völlig ausser Acht. Wo ist der Schatten, über den er springen könnte? Doch haben Gershon und auch ich wohl andere Sorgen.
Ich selbst fühlte mich an diesen Anlass etwas berauscht. Ich fühlte mich in alte Zeiten versetzt, fühlte mich animiert, aktiviert, sogar weit jünger als es mein achzigstes Alterjahr eigentlich vorsah. Ich wurde beweglich wie in alten Zeiten, rannte herum, begrüsste alte Bekannte und Freunde, fotografierte – als wäre ich mindestens dreissig Jahre jünger. Und damit hatte Freund Said Abu-Shakra, Gründer und Leiter der Galerie, wenigstens bei mir ein grosses Ziel erreicht.
Als wir die Galerie nach gut drei Stunden verliessen, erhielt jeder von uns eine Falafel, eigentlich der Inbegriff kombinierter arabischer und israelischer Esskultur. Die Falafel-Kugeln waren grösser als üblich. 

Ein Fest der Versöhnung  


 Gershon Knispel mit Abu Chaled Marcha, einem Brückenbauer zwischen Arabern und Juden in Israel 



Als wir neben unserem Auto standen und eine Falafel assen näherten sich zwei jüngere Männer. Wir waren zu dritt, jeder von uns hielt einen Gehstock in der Hand, wie es sich für alte Menschen geziemt. Die zwei dachten wir bräuchten Hilfe beim Einsteigen. Doch wir bedankten uns und sagten wir kämen ohne Hilfe zurecht. Dann sagte einer der Zwei: „Ich danke euch, dass ihr gekommen seid“.
Es war eine mir gut bekannte Situation in Israel’s grösster arabisch-islamischen Stadt Umm el-Fahem. Wir hatten eben die neu renovierte Kunstgalerie, der einzigen Kulturstätte der Stadt, verlassen, in der die Vernissage des israelisch-brasilianischen Bildhauers und Kunstmalers Gershon Knispel stattgefunden hatte. Meine Freunde, Raja und George sahen mich ratlos an – gelte ich unter Freunden doch als „Fachmann“ für jüdisch-arabische Angelegenheiten. Und neu war die Situation für mich nicht.
Die zwei Männer hatten sich dafür bedankt, dass wir jüdische Israelis ihre arabische Stadt besuchen. Eine Situation, die mir im Laufe der Jahre in Umm el-Fahem wiederholt begegnet ist. Dazu muss ich ausholen. Der jüdische Durchschnittisraeli hat Angst arabische Städte und Dörfer zu besuchen. Sehr oft, ja mehrheitlich, wird mir vorgeworfen, ich sei total bescheuert, verantwortungslos und ähnliches meine Freunde in Umm el-Fahem zu besuchen, einer Stadt gewaltfreudiger Islamisten, die mir nur zu gerne die Kehle durchschneiden würden. Scheich Ra‘ed Salah, ehemaliger Bürgermeister von Umm el-Fahem (er soll der beste je amtierende Bürgermeister gewesen sein, bis er an Religiosität erkrankte) und Anführer der nordisraelischen islamischen Bruderschaft wurde. Inzwischen ist er zur zentralen Figur antisemitischen Hetzens geworden. Er ist es, der alle paar Tage schreiend lügt: „Al Aksa ist in Gefahr!“. Zur Zeit sitzt er allerdings wegen Aufhetzung zur Gewalt im Gefängnis. Dort beruhigt er sich – bis er entlassen wird. Dann darf er wieder zur Gewalt aufrufen, um sich damit erneut erholsame Gefängnisferien zu verdienen. Doch meine persönlichen Erfahrungen mit islamistischem Judenhass in Umm el-Fahem sind seit über fünfzehn Jahren anders. In dieser Jahren erfuhr ich viel menschliche Wärme und eben auch Dankbarkeit dafür vor dieser Stadt und ihren Bürgern keine Angst zu haben und sie sehr oft zu besuchen. Meine einzige Erfahrung mit islamistischem Extremismus war ein eher erheiterndes Erlebnis: Ich hatte mich in der Stadt verfahren und hielt einen etwas zwölfjährigen Jungen an um den Weg zur Galerie zu erfragen. Der Kleine war gerade mit anderen Kindern und Jugendlichen dabei fahnenschwingend für Scheich Salah zu demonstrieren. Er wickelte die Fahne auf, stieg in mein Auto und dirigierte mich zur Galerie auf der anderen Seite der Stadt. Dort stieg er aus, öffnete seine grüne Fahne und demonstrierte, wenn auch allein, weiter. Er hatte, trotz islamistischer Gehirnwäsche, seine Freundlichkeit und Gastfreundschaft nicht verloren. Was mir als Anzeichen dafür erschien, dass die Kinder eigentlich keine Ahnung haben, für was sie demonstrieren, sondern von extremistisch religiös-ideologischen Hassern manipuliert werden.
Wenn immer ich das Café Sunrise besuchte, um meiner Frau einen Mohnkuchen zu kaufen, blieb ich dort bei Kaffee und Kuchen, mit dem Café-Inhaber und seinen Bäckern sitzen. Wir erzählten uns gegenseitig Geschichten. Und sie bedankten sich für den jüdischen Besuch. Ob privat, in Geschäften und Gasthäusern, oder gar wie eben auf der Strasse - diese offene Dankbarkeit für jüdischen Besuch berührt mich bis heute. Und sie ist mir peinlich, denn ich sehe darin einen Beweis wie sehr unverkrampftes Verhalten zwischen jüdischen und arabischen von massregelnder ideologischer Politik abhängig ist. Nationalistische Palästinenser, die sich gerne hinter ihrem Islam und Palästinismus tarnen und ihre versöhnlich sein wollenden Mitbürger bedrohen, wie auch extrem nationalistische jüdische Israelis der frommen und säkularen Sorte machen es jedem versöhnlichen Menschen schwer, sich als ein Solcher zu benehmen.
Die Vernissage in der Kunstgalerie von Umm el-Fahem war ein Beispiel dafür, dass diesem Problem mit Zivilcourage  begegnet werden kann.

Eines der Riesenwerke von Gershon Knispel

Die Vernissage galt dem jüdischen Künstler Gershon Knispel. Knispel ist ein 1932 in Deutschland geborener Künstler, der heute in Brasilien lebt. Noch immer scheint er überzeugter Kommunist zu sein. Ich hier nicht zu seiner Kunst Stellung nehmen – ich fühle mich dazu höchst inkompetent. Seine Werke sind vornehmlich gigantischer Grösse, doch nicht nur deswegen eindrücklich, auch wenn, so meine eigene inkompetente Meinung, in seiner Malerei und seinen Skulpturen stark an den Sozialistischen Realismus erinnert. Doch sind besonders sein Bilder nie langweilig. Auch ist Gershon ganz offensichtlich ein erfolgreicher Künstler, dessen Werke bemerkenswerte Preise erziehlen.


(l.-r.) Knessetmitglied Yousef Jabarin, Abu Chaled Marha, Gershon Knispel, alt-Knessetmitglied Afu Aghbaria
An der Vernissage nahmen schätzungsweise 300 Menschen teil, die aus vielen Orten Israels angereist kamen. Gershon Knispel sprach auf eine Art, die mich lebhaft an Lenin oder sogar Trotzky erinnerte, nicht weniger als seine inzwischen völlig altbacken wirkenden altsozialistischen Anschauungen, inklusive seinem Aufruf zu einer revolutionären Renaissance abgelaufener Ideologien. Trotzdem, oder vielleicht deshalb, fand ich ihn rührend. Es gibt sie noch, diese uralten Leninisten – wieweit sie sich selbst noch ernst nehmen können weiss ich nicht. Zu unserem heimischen Konflikt meint er, Israel habe mit Aegypten Frieden geschlossen und diesen die Sinai-Halbinsel zurückgegeben, also könne Israel auch mit den Palästinensern Frieden schliessen. Allerdings lässt er den dazugehörigen Kontext völlig ausser Acht. Wo ist der Schatten, über den er springen könnte? Doch haben Gershon und auch ich wohl andere Sorgen.
Ich selbst fühlte mich an diesen Anlass etwas berauscht. Ich fühlte mich in alte Zeiten versetzt, fühlte mich animiert, aktiviert, sogar weit jünger als es mein achzigstes Alterjahr eigentlich vorsah. Ich wurde beweglich wie in alten Zeiten, rannte herum, begrüsste alte Bekannte und Freunde, fotografierte – als wäre ich mindestens dreissig Jahre jünger. Und damit hatte Freund Said Abu-Shakra, Gründer und Leiter der Galerie, wenigstens bei mir ein grosses Ziel erreicht.
Als wir die Galerie nach gut drei Stunden verliessen, erhielt jeder von uns eine Falafel, eigentlich der Inbegriff kombinierter arabischer und israelischer Esskultur. Die Falafel-Kugeln waren grösser als üblich. 

Mittwoch, 20. Januar 2016

Heute im Journal21 mein neuer Beitrag:

"Narrativ versus Fakten"

https://www.journal21.ch/narrativ-versus-fakten

Dienstag, 18. November 2014

Israel als Heimat

Liebe Freunde, hier mein heutiger Artikel im Journal21:


Liebe Freunde, nach Langem wieder ein Artikel im Journal21.