Samstag, 6. Dezember 2008

Miro ist wieder da!


6.12.2008


Vor acht Jahren, während dem Aufstand von Israels Arabern, brachte die Jüdische Rundschau s.A. mein Interview mit Miro, dem Restaurateur in unserem arabischen Nachbardorf Faradis. Miro, sein voller Name lautet Miro Abu Ali, ist arabischer Zionist, der die Wände seines Lokals mit der Landeskarte Israels in den Grenzen von 1967, einem Foto von Itzchak Rabin und einer Kopie der israelischen Nationalhymne und sogar der Unabhängigkeitserklärung, von den Gründervätern wie David Ben Gurion und Chaim Weizmann unterschrieben, dekorierte. In den heissen Tagen des Oktobers 2000 wurden seine jüdischen Gäste vom Shabab des Dorfes terrorisiert, sein Restaurant demoliert und er selbst verprügelt. Das Restaurant Miro wurde daraufhin von ängstlichen Juden gemieden und von den Dörflern Faradis boykotiert - er musste nach einigen Monaten aufgeben. Sein Auftreten im Fernsehen, in dem er seine arabischen Mitbürger beschuldigte Israels Sozialwesen zu plündern und zur selben Zeit Antizionismus und Judenhass zu mimen, sowie seine Ermahnungen, Israel sei auch ihr Staat, hatte zu seiner Beliebtheit in Faradis nicht beigetragen.

Miro und ich waren ein wenig befreundet und nach seinem Verschwinden fragte ich verschiedentlich nach ihm, doch erhielt ich stets ausweichende Antworten. Seit einigen Wochen ist er aber wieder da, ich fand ihn unerwartet am Grill seiner Beiz an der Landstrasse Nummer Vier. Wir waren beide überrascht einander wieder zu sehen. Nach der Schliessung seines Lokals hielt er sich mittels Catering bei seinen jüdischen Kunden über Wasser. Er wurde depressiv, landete sogar für einige Wochen im Gefängnis – er und seine Frau und die vier Kinder waren verzweifelt. Aber seine Familie hielt zu ihm. Vor etwa zwei Jahren eröffnete sein Bruder erneut und stellvertretend für Miro das Restaurant, diesmal unter dem Namen „Abu Ali“. Jetzt ist Miro selbst wieder da. Heute, einem Schabbat, gab es zahlreiche Gäste , Juden und Araber, denen das Essen offensichtlich schmeckte. Lea und ich erzählten den anwesenden Israelis und Amerikanern Miros Geschichte und ich wies darauf hin, dass sie in einem historischen Restaurant eines arabischen Israelis sässen, der sich in kritischen Zeiten vor den jüdischen Staat stellte und dafür einen hohen Preise zahlte.

Lea und ich assen je eine halbe Portion Lammspiessli, hervorragen, butterweich und ohne Fett und genau à point. Die Salate sind sehr gut, die Falafelbölleli ganz leicht und innen grün wie es sich gehört, nur mit den Pommes Frites scheint Miro die in Israel oft zu findenden Schwierigkeiten zu haben – sie sind nicht knusprig sondern weich. Aber da Pommes Frites sowieso nicht gesund sind, hält man sich besser an frischen Salat.

Mittwoch, 3. Dezember 2008

Heilige Lügen

2.12.2008

Wenn es sogar der Zürcher Tages-Anzeiger schreibt, dann muss es stimmen. Nicht nur wurden in Mumbai Juden getötet, weil sie Juden waren, sondern sie wurden zusätzlich vor ihrer Ermordung entsetzlich gemartert, ebenfalls, wie es zu verstehen ist, weil sie Juden waren. Einen Kommentar von Bundesrätin Calmy-Rey zu den Mordnächten in dieser Stadt habe ich noch keinen gefunden, sie ist wohl noch am nachdenken, wie sie diese apologetisch verurteilen könnte. Doch das ist eigentlich unwichtig, denn diese Frau ist es auch, auch wenn sie dies nicht zur Kenntnis nimmt. Wie lange noch die Welt jihadistischen Terror nur als Tagessensation für die Medien versteht und nicht als den Versuch der Wiederaufnahme des Holocausts, bleibt eine akademische Frage. Empathie dafür bleibt – wie früher schon – dem Einzelnen überlassen. Als Aufsteller bleibt mir nur übrig zu betonen, dass wir Juden heute (wieder) einen eigenen Staat samt Armee besitzen, einer, wie René Kirchheimer einmal sagte, Lebensversicherung für uns Juden.

Wichtig ist hingegen der ganz und gar nicht neue Beweis des Judenhasses, der dem heutigen Jihadismus zu Grunde liegt. Er wird von der zivilisierten Welt ebenso wenig zur Kenntnis genommen, wie die Tatsache, dass der vom internationalen Jihadismus ausgehenden Terror die gesamte zivilisierte Welt ins Visier nimmt und wenig mit Armut, Analphabetismus und primitiven Traditionen zu tun hat, für welche die muslimische Gesellschaft selbstverständlich jede Verantwortung ablehnt. Stattdessen offeriert sie eine pervertierte Auslegung des Islams, um zu beweisen, dass diese jihadistisch-fundamentalistische Abart die überragende Religion unserer Tage darstellt, obwohl sämtliche Fakten und Studien, wie auch die tägliche Presse, das Gegenteil beweisen. Welche Mittel das sind, wird uns fast täglich aus dem Iran, Palästina (besonders Gaza), Saudiarabien, Sudan, Nigeria, Algerien, Afghanistan, Pakistan etc. berichtet. Etwas populärer sind vielleicht der Anschlag vom 9/11 in New York, in Mombai des vergangenen Wochenendes, die Raketen auf Sderot, die Terroranschläge auf israelische Bürger, der Anschlag im Bahnhof von Madrid, in der U-Bahn von London und unendlich vielen mehr. Es werden im Namen des zur Geisel genommenen Allah Genozide veranstaltet, Hass auf Andere gezüchtet, Frauen unterdrückt und ermordet und moderne Wissenschaften und Technologien fast ausschliesslich in den Dienst von religiöser Gewalt, Hass und Mord gestellt. Wer sich mit der Materie befasst weiss, dass es relativ Wenige braucht, um einen Staat oder ein Volk zu terrorisieren und zu verführen. Wie in den Nazijahren in Deutschland, nach 1917 in Russland bis zum endgültigen Kollaps der Sowietunion in 1991 und anderen Diktaturen finden sich dann schnell Mitläufer, die sich persönlichen Profit versprechen, obwohl sie meist wissen, dass sie Unrecht tun. Die arabische Welt mit ihrem Analphabetentum, ihrer mittelalterlichen Traditionen, Rückwärtsgewandtheit und Stammesstrukturen, dem daraus folgenden Mangel an individueller Zivilcourage, steckt heute in derselben Falle, wie in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts Europa. Wie die Nazis auf Hitlers Dolchstosslegende, antisemitischen Mythen und das internationale (natürlich jüdische) Kapital, setzt der Jihadismus auf denselben Judenhass und beruft sich auf die gleichen mythischen Lügen und Argumente, zitiert Ausgesuchtes aus dem Koran und den Worten des Propheten, der sich dagegen nicht wehren kann. Diese Berufung auf heilige Schriften ist eine Eigenheit, die in allen monotheistischen Religionen zu finden ist – man hat die Freiheit daraus das jeweils Gewünschte, ob passend oder nicht, zu zitieren und das Gegenteil der zitierten Aussage, im selben Buch an anderer Stelle vorhanden, zu ignorieren. Die heiligen Schriften werden zum Supermarkt aus dem Kontext gerissener Zitate. Zurzeit feiert der Islam damit Ausverkauf. Aber andere tun das ja auch, nur weniger blutig.

Samstag, 29. November 2008

Es knallt

30.11.2008

Die vergangenen Tage waren anstrengend, aber interessant und angenehm. Es begann mit unserer Teilnahme beim Sderot-Besuch des Zentralvorstandes der Gesellschaft Schweiz-Israel. Ich geniesse es stets, alte Freunde wieder zu sehen und neue zu finden und das war genau, was geschah. Obwohl ich meinen Fotoapparat mit Reservebatterien mitgebracht hatte, blieben Kassam-Raketen aus. Wir verliessen Sderot um etwa vier Uhr, vierzehn Raketen landeten mit Verspätung erst nach sechs und ich war enttäuscht. Lea denkt noch immer, ich sei ein Trottel, wohl wissend, dass ich mich gegen wahre Erkenntnisse nicht wehren kann. So sei es. Hingegen einen wichtigen Eindruck und auch ein Kompliment an den GSI Vorstand – das gilt ebenso für den mitreisenden Vorstand der Gesellschaft Deutschland- Israel – ist, dass Furcht vor Raketen und die Möglichkeit diesen Solidaritätsbesuch abzusagen, nie zur Diskussion kam. Es war schlicht kein Thema. Wir fuhren nach Sderot, basta! Wenn ich das mit den panischen Ängsten anderer Leute im Ausland und auch in Israel vergleiche, werde ich stolz auf diese Freundinnen und Freunde, denen Solidarität wichtig ist.

Dazu ein Hinweis auf wirkliche Information über Sderot und Gaza, vor allem über die Menschen, die dort leben. Der Fernsehsender ARTE hat eine Website zu diesem Thema, in dem täglich kurze Filmchen gezeigt werden, alle in bester Qualität und mit deutschsprachigen Untertiteln bestückt. Ich empfehle das Site ausdrücklich. Einmal mehr wird demonstriert wie grundsätzlich anständige Leute von extremistischen Politikern und Gewalttätern zu Geisel genommen werden – in diesem Fall von Hamas, aber auch ein wenig durch israelische Politiker und die Regierung.

Von der gesamten Welt – oder wenigsten der, in der Menschen Zugang zu den Medien haben – wurden drei Tage lang die islamisch inspirierten Massenmorde in Mombai verfolgt. Darüber zu berichten gibt es viel und das wird auch getan, doch der wichtigste Punkt in seiner ganzen Bosheit, wird sehr wenig betont. Es ist die alte, gern übersehene Tatsache, dass diese jihadistische Aktion wie von Matthias Küntzel in seinem Buch „Djihadismus und Judenhass“ beschrieben, im Sinne des blindwütigen Hasses auf Juden und andere Menschen des Westens ausgeführt worden ist. Diese Opfer sind in den besten Hotels und Restaurants zu finden, die Juden in jüdischen Zentren, wie das Beit Chabad (Chabad Haus). Letztere gibt es in der ganzen Welt verstreut, vor allem meist unauffällig in ärmlichen Vierteln, wie eben dasjenige in Mombai, welches von Allahs Mordgenossen sicher mittels GPS gefunden werden musste. Dass die meisten Opfer im vorliegenden Fall gar „götzendienerische“ Hindus waren, ist für diese Roboter Allahs bestimmt die Schlagsahne auf dem Dessert.

Es wird interessant werden festzustellen, wie die zivilisierte Welt auf die altneuen Erkenntnisse über Sinn, Zweck und Hintergrund jihadistische Mordtaten reagieren wird. Sind wieder einmal die Juden schuld? Oder ist es die in der islamischen Welt herrschende Armut und Hoffnungslosigkeit, für die diese Welt weitgehend selbst verantwortlich ist? Oder ist es schlicht die Verwirklichung der jihadistischen Theorien von Sayyed Qutb und Hassan Al-Banna der zwanziger, dreissiger und vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts, die vom heutigen Islam praktisch tatenlos toleriert, vielleicht gar unterstützt werden?

Ich befürchte, die Welt wird sich bald beruhigen, es wird neue Sensationen geben, die vom Jihadismus und seinem Rassismus ablenkt, dessen Apologeten werden sich melden und die globalisierte Wirtschaft wird weiter profitieren, ohne sich mit ethischen und gar politischen Bedenken selbst belästigen zu wollen.

Sonntag, 16. November 2008

Auf die Motivation kommt es an

14.11.2008

Wer hätte je gedacht, dass ich mit einem Leserbrief im Tachles der "Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden zwischen Israel und Palästina" einverstanden sein könnte. Nun ist es geschehen. Was die Jüdinnen und Juden zum Thema Siedlergewalt und Landdiebstahl in der Westbank schreiben stimmt und ist scharf zu verurteilen. Doch damit ist die Übereinstimmung bereits beendet. Genau wie den prominenten Haaretz Journalisten Gideon Levy, den ich bei meiner Arbeit für die Kunstgalerie Umm El-Fahm wiederholt treffe und mir im Gespräch schon durch seltsame Reaktionen aufgefallen ist, vermitteln sie den Eindruck auf einem anderen Planeten zu leben. In der Sache selbst sind wir uns hier für einmal einig, doch die Motivation könnte verschiedener nicht sein. Die Jüdinnen und Juden wie auch Gideon Levy treibt ein eigenartiger Abscheu auf alles israelische, alles wird a priori als schlecht verurteilt, die Auswüchse faschistoider Siedler werden allen Israelis angelastet, ob dem wirklichen Friedenslager angehörig oder nicht. Vernünftige Leute, die Auswüchse im Kontext sehen und sogar aktiv gegen den Irrsinn extremistischer Siedler und ihrer Sympathisanten arbeiten, sich vor angegriffene palästinensische Bauern stellen und sie schützen, denken anders. Sie sehen die wirkliche gelebte Realität und nicht, die von talentierten palästinensischen Propagandisten vorgegaukelte und von deren denkfaulen Fans unbesehen geschluckte. Die von den Juden/Jüdinnen angeschwärzten Soldaten und Polizisten werden von rabiaten Siedlern verflucht, angespuckt, gesteinigt und verletzt - als Dank für den Schutz durch diese Ordnungshüter, von denen schon wieder einige mit Knochenbrüchen im Spital liegen. Durch die verquerte Sicht dieser Friedensjünger wird der palästinensischen Gesellschaft ein Persilschein ausgestellt, der sie, wie üblich, von sämtlicher Eigenverantwortung für ihre Lage und ihr Tun befreit. Wie z.B. von Terror und dem Lehren nazistischem Judenhasses in ihren Schulen, wird nationalextremistischen Israelis ein vermeintliches Alibi für ihre nicht weniger falschen Gewaltakte verschafft. Aber eben, völlig unkritisch die Verbrechen der „armen" Palästinensern zu ignorieren, also auf dem palästinensischen Auge blind zu sein, das ist der üble Stil dieser einem vermeintlich gerechten Frieden nachrennenden Jüdinnen und Juden in der Schweiz.

Die Einwände meines Freundes Roger Guth

Mein lieber Freund Roger Guth, der mich recht oft freundschaftlich kritisiert (es ist immer gut auf den Boden zurück geholt zu werden), findet, man sollte nie aufhören auf die Tatsache hinzuweisen, dass die UNO-Resolution 181 im Jahre 1947 einen arabischen und einen jüdischen Staat vorsah. Israel hat die Resolution akzeptiert, die Araber nicht und rissen stattdessen einen Krieg vom Zaun, der bis heute andauert. Das stimmt. Nur wurde arabischer Djihadismus und Judenhass („palästinensisch“ wurde er erst viel später) schon in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts begründet, durch die religiös-faschistischen Theorien der Ägypter Hassan Al-Banna und Muhammad Qutb. In Ägypten entstand die Moslem Bruderschaft, seit der Zeit Nassers in Ägypten verboten und verfolgt, aber stets einflussreich. Der damalige Mufti Jerusalems, Haj Amin El-Husseini, ein Fan und Freund Hitlers, setzte diesen Antisemitismus im damaligen Palästina gegen die Juden um und führte diesen während dem Zweiten Weltkrieg von Deutschland aus weiter. In Matthias Küntzels vorzüglichem Buch „Djihad und Judenhass“ (ça ira, 2003, revidierte. Auflage) sind diese Dinge nachzulesen. Darunter auch das Bijou, dass die Juden Ägyptens bis nach dem Machtantritt Hitlers in diesem Land wohl gelitten und integriert gewesen waren, der Jihadismus in seiner nazistischen Form trat erst später ein.

Faschismus

Roger hat mit Recht eine gefühlsmässige Abneigung gegen die Worte Faschismus oder faschistoid (dem Faschismus ähnlich), die ich in Uris Tagebuch gelegentlich benutze. Er verbindet diese Worte ausschliesslich mit dem Nationalsozialismus und dessen Manifestationen. Auch scheint er von der Idee auszugehen, dass Judentum und Faschismus ein Oxymoron sind. Ich sehe das anders – faschistische oder faschistoide Einflüsse sind in jedem Land und in jeder Gesellschaft möglich. Ich habe mir dazu, mit Hilfe von Büchern und Internet, eine Art Definition dieser „Weltanschauung“, zusammengeschustert, die ich hier stichwortartig wiedergeben will. Ich denke nicht, dass es notwendig ist, sie zu kommentieren. Gruppierungen, meist kleine, sind in den meisten Ländern aktiv, in Deutschland, in England, in der Schweiz, in den USA, Russland, leider sogar in Israel in Teilen der Siedlerbewegung, der Hügeljugend (Hill Top Youth) und Grossisrael“zionisten“. Doch, im Unterschied zu vielen westlichen Ländern, gibt es hier eine grosse und aktive Gegnerschaft zu diesem Phänomen – was wiederum den Behauptungen linksfaschistoider Kreise, das ganze Land sei faschistisch, jede Grundlage entzieht. Israel wäre sonst nicht die pulsierende Demokratie, die es mit Nachdruck ist. Was charakterisiert den Faschismus – hier bitte eine unvollständige Auswahl von Eigenschaften:

- Fehlende Rechtstaatlichkeit

- Bekämpfung/Versagung von Freiheits- und Gleichheitsrechten und justiziellen Grundrechten

- Keine wirkliche GewaltenteilungNationalismus

- Führer- / Personenkult

- Populismus,

- Antirationalismus

- Ästhetisierung von Politik, Vermengung mit Gefühlen

- Expansive Herrschaftspolitik

- Gewaltverherrlichung- und AnwendungIntoleranz gegenüber Andersdenkenden

- Bekämpfung des Pluralismus und Mehrparteiensystems

Diese Eigenschaften sollten die Identifikation faschistischen Gedankengutes erleichtern. Wer das nicht schafft, wende sich an mich für Nachhilfestunden. Noch ein Tipp: mit offizieller Selbstbezeichnung als politisch rechts oder links, hat das wenig zu tun. Stalins und Maos Kommunismus sind in obigen Eigenschaften ebenso zu finden, wie bei den „klassischen“ Faschisten, Hitler und Mussolini. Als Nachtisch ein Hinweis auf ein jüdisches Kuriosium, den Brief des Stern-Gang Anführers Yair Stern an den Vichy Botschafter in Beirut, in dem er seine Bewunderung für die totalitäre nationalsozialistische Politik ausdrückte und um deutsche Hilfe in seinem Kampf gegen Grossbrittanien bat. Eine Antwort soll Stern nie erhalten haben In diesem Zusammenhang fand ich in der Wikipedia einen Brief der damaligen deutschen Botschaft, jedoch in unleserlicher Qualität.

Zu obigem Thema gibt es eine fabelhafte Zusammenfassung, natürlich von Albert Einstein: „Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein.“

Samstag, 8. November 2008

Was ist gut für die Juden?

8.11.2008

Seit Jahrzehnten ärgere ich mich über die stereotype Frage „Ist das gut für Israel (oder die Juden)?“. Zwar ist sie, wenn man die jüdische Geschichte in der Galut berücksichtigt, durchaus berechtigt. Heute besteht ein jüdischer Staat, in den jeder Jude, wenn es ihm woanders nicht mehr passt, ziehen kann. Das ist zwar in westlichen Ländern der heutige Tage nicht notwendig, denn jüdische Menschen und Gemeinden sind dort durchaus integriert und – auch wenn gelegentliche Umfragen das in Frage stelle – akzeptiert. Heute ist das erste Ziel der Rassisten in Europa und Nordamerika, deren arabische und muslimische Bevölkerung, die zum Teil nicht nur Integration ablehnt, sondern oft laut und gewalttätig ihre eigenen muslimische Traditionen und Vorurteile ihrem Gastland aufoktroyieren wollen. Das wiederum ist bestimmt nicht gut für die Juden, aber ebenso schlecht für die Ureinwohner dieser Ländern – zu denen die meisten Schweizer Juden eben auch gehören, obwohl ich keinen kenne, der Alphorn bläst oder hornusst.

Ganz modern ist diese Frage im Zusammenhang mit den soeben abgeschlossen Präsidentschaftswahlen in den USA. Da ich in unseren Freundes- und Bekanntenkreis zahlreiche wahlberechtigte Israelamerikaner habe, war ich diesem Thema in den vergangenen Wochen und Monaten bis zur Erschöpfung ausgesetzt. Noch jetzt, nachdem Barrack Obama überzeugend gewählt worden ist, höre ich diese (meist Pensionäre, darunter sogar ehemalige Gewerkschaftsaktivisten) besorgt die rassistischen Verleumdungen wiederholen, die von Unbekannten in Amerika gegen Obama ins Internet gesetzt worden sind. Wie anders nimmt sich der Aufruf einer amerikanischen jüdischen Gemeinde aus, den ich in meinem Tagebucheintrag vom 6.10.2008 beschrieben habe, die aufrief, den „Schwarzen“ zu wählen: „Please vote for the Shvartzeh“.

Freund Bitzi in meinem ehemaligen Kibbuz Hazorea, ein geborener New Yorker, der in Amerika wählen könnte aber nicht will, ist Feuer und Flamme für Obama. Endlich eine Chance die alt eingefahrene amerikanische Politik zu erneuern. Das sagte er noch vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch, der so viele amerikanischen Wähler aus ihren überheblichen Träumen gerissen hat. Bitzi ist ein Linker wie ich und hat bestimmt auch schon festgestellt, dass Marx mit seiner Aussage über den selbst zerstörerischen Kapitalismus mindestens ein bisschen recht bekommen hat. Mindestens eines wurde mit der heutigen Wirtschaftkrise und dem Börsencrash bewiesen, nämlich dass die sich selbst regulierende freie Marktwirtschaft der letzten Jahrzehnte eine Mär ist. Der momentan „schweinisch“ genannte Kapitalismus der Managerklasse in den vergangenen Jahrzehnten führte in den letzten Monaten zu riesigen Diskussionen Israel, in Europa und auch in den USA, über deren überrissene Einkünfte, die diese auch erhalten, wenn sie Mist bauen – wie halt eben den Mist, der zu heutigen Wirtschaftskrise geführt hat. Ist es ein Zufall, dass diese Diskussion zeitlich damit verbunden ist?

Die meisten unserer amerikanisch-israelischen Freunde sind begeisterte Obamafans und wählten entsprechend. Sie stellen aber, so scheint mir, in Israel eine Minderheit dar. Die meisten gingen auf Nummer Sicher und wählten McCain, der ihnen eine Art alternative Kriegsgurgel erscheint und versteht, dass man mit Jihadisten (das sind für sie Palästinenser, Iraker und Iraner oder eigentlich sämtliche Araber) nur mit Gewalt umgehen kann. Vielleicht haben sie Recht, was ich bezweifle, doch sie haben enorme Angst vor dem Versuch es wenigsten einmal auf andere Art zu versuchen, dass sie nicht verstehen, dass ein amerikanischer Präsident vor allem Präsident Amerikas ist, aber nicht Israels und dem Rest der Welt. Ist er gut für Israel – schön. Aber was gut für Israel ist, sollte erst genau diskutiert und definiert werden und es könnte ohne weiteres sein, dass ein gelegentlicher freundschaftlicher Tritt in den israelischen Hintern von Nutzen ist. Ganz bestimmt, wenn die Gefahr besteht, dass bei unseren eigenen Wahlen im Februar 2009 eine rechtsextreme Regierung ans Ruder kommen könnte.

Howard aus New Jersey, heute in Modiin, pensionierter Schuldirektor und ehemaliger Gewerkschaftsfunktionär denkt anders. Er ist ein Beispiel dafür, wie die politischen Bezeichnungen „Links“ und „Rechts“ in Israel ihren sozialpolitischen Inhalt verloren haben. Er war Gewerkschafter, also ein Linker. Als eingefleischter Israeli, der es nach zehn Jahren in Israel nicht fertig brachte, auch nur ein Wort Hebräisch zu lernen, ist er heute schon fast ein Rechtsextremist, ein Anhänger eines üblen Mannes mit Namen Moshe Feiglin, einem wirklichen Extremisten der Likudpartei. Ich kriege es nicht fertig Howard nach Umm El-Fahm einzuladen, er mag Araber nicht, obwohl er keinen einzigen kennt. Einen legitimen Grund dafür gibt es: Howard, seine Frau Dora, sein Nichte und deren Söhnchen sassen am 9. August 2001 in der Jerusalemer Pizzeria Sbarro, als sich ein Terrorist mittels Bombe entleibte und fünfzehn Menschen mit sich in den Tod riss und noch mehr fürs Leben verstümmelte. Howard erlitt einen Hörschaden und ein Trauma, an denen er noch heute leidet. Seine Nichte liegt noch immer im Koma, ihre Familie ist zerstört. Howard hat einen Grund für seine Antipathie für Araber. Darum aber ist er auch offen für die rassistische Propaganda gegen Obama, die diesem unterstellt, er sei praktizierender Muslim, Sympathisant der Jihadisten und ähnlichem. Er findet Präsident Bush grossartig und möchte nichts sehnlicher, als einen neuen Präsidenten, der dessen Werk weiter führt. Ich will Howard nicht darauf aufmerksam machen, dass es auch Israelis gibt, die anders auf persönliche Erfahrungen mit Terror reagieren, denn ich selbst bin nicht mit seiner Erfahrung konfrontiert und denke es wäre anmassend. Heute gibt es zahlreiche Vereinigung in denen sich jüdische und arabische Familien von Opfern palästinensischen Terrors finden und versuchen aus ihren gemeinsamen Schicksal etwas Positives zu machen, sich gegenseitig zu helfen und versuchen zu verhindern, dass der Hass der Terroristen, auch von deren Opfer übernommen und weitergeführt wird. Howards Einstellung ähnelt jener von Holocaustüberlebenden, die noch heute alles Deutsche ablehnen und keinen Kontakt mit dem heutigen Deutschland haben wollen – aber auch unter ihnen gibt es wiederum viele, die die menschliche Grösse gefunden haben, im Laufe der Jahre diese Einstellung abzustreifen und Versöhnung mit dem Deutschland von heute suchen.

Es freut mich, dass Barrack Obama gewählt wurde. Zwar hat er im Laufe seiner Wahlkampagne einmal behauptet, Juden hätten kein göttliches (god given) Recht auf Israel, aber damit bestätigt er nur die Aussage von Dov Ber Borochov (1881-1917), dem marxistischen Zionisten und einem Gründervater des Arbeiterzionismus, der sagte „Man hat ein Recht auf das Land, das man bearbeitet“.

Wenn auch in englischer Sprache, hier eine zu den heutigen Geschehnissen in den USA passende wahre Geschichte aus der historischen Schlacht um die Pazifikinsel Iwo Jima im Zweiten Weltkrieg. Sie passt gut in den heutigen Kontext der ebenso historischen amerikanischen Präsidentenwahl in 2008.


The Jews of Iwo Jima
Posted by Capt Rubin on February 20, 2005

We are approaching the 64th anniversary of the start of the battle for Iwo Jima. I thought it appropriate to spotlight some news and information about the Jews who fought and died in the five-week battle between 70,000 American Marines (1,500 of which were Jewish) and an unknown number of deeply entrenched Japanese defenders.

The Metro West Daily writes about Sam Bernstein, a 20-year-old (Jewish) Marine corporal at the time of the battle.

Bernstein chuckles when he remembers the Tootsie Rolls he put in his cartridge belt. I chose Tootsie Rolls because they wouldn't melt and they were just the size of a bullet. At the same time, I strapped on three or four bandoliers full of ammunition. Still, if the officers had known what I was doing, they probably would have shot me instead of the Japanese! He does not chuckle when he remembers the two men who were killed in his foxhole. Or the day he helped the Jewish chaplain bury some Marines.

An interesting fact that many of you may be unaware of is the historic events that surrounded a Jewish chaplain on the island. Rabbi Roland B. Gittelsohn, assigned to the Fifth Marine Division, was the first Jewish chaplain the Marine Corps ever appointed. Rabbi Gittelsohn was in the thick of the fray, ministering to Marines of all faiths in the combat zone. His tireless efforts to comfort the wounded and encourage the fearful won him three service ribbons. When the fighting was over, Rabbi Gittelsohn was asked to deliver the memorial sermon at a combined religious service dedicating the Marine Cemetery.

Unfortunately, racial and religious prejudice led to problems with the ceremony. What happened next immortalized Rabbi Gittelsohn and his sermon forever. It was Division Chaplain Warren Cuthriell, a Protestant minister, who originally asked Rabbi Gittelsohn to deliver the memorial sermon. Cuthriel wanted all the fallen Marines (black and white, Protestant, Catholic and Jewish) honored in a single, nondenominational ceremony. However, according to Rabbi Gittelsohn's autobiography, the majority of Christian chaplains objected to having a rabbi preach over predominantly Christian graves The Catholic chaplains, in keeping with church doctrine opposed any form of joint religious service. To his credit, Cuthriell refused to alter his plans. Gittelsohn, on the other hand, wanted to save his friend Cuthriell further embarrassment and so decided it was best not to deliver his sermon. Instead, three separate religious services were held. At the Jewish service, to a congregation of 70 or so who attended, Rabbi Gittelsohn delivered the powerful eulogy he originally wrote for the combined service:

"Here lie men who loved America because their ancestors generations ago helped in her founding. And other men who loved her with equal passion because they themselves or their own fathers escaped from oppression to her blessed shores. Here lie officers and men, Negroes and Whites, rich men and poor, together. Here are Protestants, Catholics, and Jews together. Here no man prefers another because of his faith or despises him because of his color. Here there are no quotas of how many from each group are admitted or allowed. "Among these men there is no discrimination. No prejudices. No hatred. Theirs is the highest and purest
democracy! Whosoever of us lifts his hand in hate against a brother, or who thinks himself superior to those who happen to be in the minority, makes of this ceremony and the bloody sacrifice it commemorates, an empty, hollow mockery. To this then, as our solemn sacred duty, do we the living now dedicate ourselves: To the right of Protestants, Catholics, and Jews, of White men and Negroes alike, to enjoy the democracy for which all of them have here paid the price. "We here solemnly swear this shall not be in vain. Out of this and from the suffering and sorrow of those who mourn this, will come, we promise, the birth of a new freedom for the sons of men everywhere."

Among Gittelsohn's listeners were three Protestant chaplains so incensed by the prejudice voiced by their colleagues that they boycotted their own service to attend Gittelsohn's. One of them borrowed the manuscript and, unknown to Gittelsohn, circulated several thousand copies to his regiment. Some Marines enclosed the copies in letters to their families. An avalanche of coverage resulted. Time magazine published excerpts, which wire services spread even further. The entire sermon was inserted into the Congressional Record, the Army released the eulogy for short-wave broadcast to American troops throughout the world and radio commentator Robert St. John read it on his program and on many succeeding Memorial Days.

In 1995, in his last major public appearance before his death, Gittelsohn reread a portion of the eulogy at the 50th commemoration ceremony at the Iwo Jima statue in Washington, D.C. In his autobiography, Gittelsohn reflected, I have often wondered whether anyone would ever have heard of my Iwo Jima sermon had it not been for the bigoted attempt to ban it.

Posted in: http://www.jewsingreen.com/home/blog/comments/the_jews_of_iwo_jima/#more

Donnerstag, 30. Oktober 2008

Schon wieder Wahlen!!!

28.10.2008

Grundsätzlich fällt die Verantwortung für die kommenden und völlig unnötigen Wahlen auf die sephardisch-haredische Schas-Partei des Rabbi Ovadia Joseph. Sie spielt das Zünglein an der Wage in einem Parlament, das durch das für unser Land unsinnige System der Proporzwahlen, das Land nicht richtig regierbar macht. Doch noch nie war die persönliche Profilierungssucht der Parteien und ihrer Führer so krass zu erkennen, wie heute. Ehud Barak der Arbeitspartei gehört dazu, die Greise und Greisinnen der Rentnerpartei, Zippi Livnis Gegenspieler in der Kadima-Partei Shaul Mofaz, Eli Ishai, Chef der Schas und Sprachrohr seines Rabbi Ovadia Josephs, der die Politik dieser Partei vorschreibt. Sie alle stellen eigene persönliche Aspirationen dem Wohl des Landes voran.

Ich denke, dass die Arbeitspartei auch heute einige viel versprechende Knessetmitglieder und Minister besitzt, meist jüngeren Alters, die jedoch noch immer nicht an älteren Sesselkleber dieser Partei vorbeikommen. Ich denke an Ophir Pines-Paz, Izchak Herzog, an einen Ami Ayalon (zwar ein ganz klein wenig älter), die von Barak, Ben Eliezer und ihresgleichen zurückgebunden werden, teilweise sogar deswegen Ministerposten aufgaben, weil sie sich mit der Politik ihrer Partei nicht mehr identifizieren mochten.

Ich kann es nicht beschwören, doch sieht es so aus, als wäre die linke Meretz, heute die einzige Partei, von der man bisher noch keine Meldungen über Korruption und ähnlichem gehört hat. Meretz hatte in der Vergangenheit einige hervorragende Minister gestellt, wie Yossi Sarid, Yossi Beilin, Shulamit Aloni, die sich jedoch alle von der Politik verabschiedet haben.

Mir fehlt heute eine Persönlichkeit wie Tommy Lapid, der Dinge beim Namen nannte und dessen Partei Schinui in der kurzen Zeit ihrer Existenz einige schöne legislative Erfolge gegen ultraorthodoxe Erpressungspolitik zeitigte. Doch leider ist Tommy tot und seine Partei wurde in den letzten Wahlen in die Wüste geschickt und ist verschwunden.

Der Vorschlag der Vereinigung der Kadima und der Arbeitspartei steht im Raum. Die Letztere ist schon seit langem keine sozialistische Partei mehr, sie ist eine vollwertige Zentrumspartei geworden. Die politischen Begriffe „Links“ und „Rechts“ in Israel haben nichts mehr mit sozialen Anliegen zu tun, sondern sie beziehen sich, nüchtern betrachtet, fast ausschliesslich auf das Verhältnis zur arabische Welt und einem möglichen Frieden sowie auf den Grad religiöser Manifestation. Links nennt sich „Friedenlager“, was auch einen guten Schuss Realismus beinhaltet, Recht sind die Vertreter der Grossisraelideologien, die Westbanksiedler, die religiösen Parteien verschiedener Stufen religiöser Observanz bis hin zu wilden faschistoiden Ideologien extremer Nationalisten und Araberhasser.

Es wird im Volk zurzeit sehr wenig über die kommen Wahlen gesprochen. Man beschäftigt sich vor allem mit dem rauf und runter der Börsen, mit den durch die heutige Wirtschaftskrise gefährdeten Arbeitsplätzen – das obwohl Israel im Vergleich mit den USA und Europa bisher glimpflich davonkommen ist.

Eine öffentliche Diskussion wert ist der Vorschlag einer grossen Koalition der drei Grossparteien Likud, Kadima und Arbeitspartei, die zusammen etwa siebzig Knessetsitze besitzen. Damit könnte einigermassen „bequem“ regiert werden. Diese Lösung würde die kleinen Parteien aus den Machtzentren heraushalten und eine wirklich diesen Namen verdienende Regierungspolitik ermöglichen.

Da ich denke, dass die momentane Situation vor allem von der religiösen Schas-Partei zu verantworten ist, möchte ich mich nachfolgend etwas ausführlicher mit ihr und ihrem Verhalten beschäftigen. Denn nirgends ist politische Korruption, gepaart mit (gewollter?) Ignoranz über politische Fakten so krass ersichtlich, wie bei dieser Partei.

Es ist übrigens interessant zu beobachten, dass die Vertreter der Schas, allen voran ihr Chef Eli Yishai, dieser Tage den Ungeist des rassistischen Verfolgungswahns aus der Flasche gelassen hat. Wieder wird von der Elite, von den Aschkenasen und der vermeintlichen Benachteiligung des sephardischen Bevölkerungsteils Israels geschwafelt – nach dem Motto, dass immer die „Anderen“ schuld am eigenen Versagen sind.

Schas und das Geld

Das israelische Volk muss Zippi Livni dankbar sein. Statt vor der religiösen Schas-Partei einzuknicken, hat sie abgelehnt, sich von dieser erpressen zu lassen. Nur, diese Feststellung muss mit einer Prise Salz genossen werden. Schas wollte 1 Milliarde Schekel für seine hungernden Kinder, in den Verhandlungen ging es am Schluss, so erfuhr ich in der Presse, um 850 Millionen, von Livni als Vergleich vorgeschlagen und von der Schas abgelehnt. Es ging also um eine Milliarde oder nichts. Dass Livnis Angebot immerhin nur 150 Millionen Schekel darunter lag, lässt weniger auf Prinzipientreue als auf politisches Kalkül schliessen. Trotzdem scheint, dass Livni im Land Respekt gewonnen hat. Jetzt werden wir im Februar 2009 Knessetwahlen haben, die 3 Milliarden Schekel kosten werden, das Dreifache des schas’schen Erpressungsversuches.

Eli Ishai, der Schaschef (deren wirklicher Chef der Rabbi Ovadia Joseph ist) hatte noch eine zweite Bedingung für den Eintritt in eine Regierung: eine Teilung Jerusalems dürfe nicht und mit niemandem diskutiert werden, vor allem nicht mit den Palästinensern. Auch dies lehnte Livni ab, diesmal allerdings ohne Gegenangebot, wofür ich sie schätze.

Teilung Jerusalems?

Diese „Teilung“ Jerusalems hat es in sich. Bei weitem nicht alle Nachrichtenkonsumenten, wie auch viele israelische Politiker, verstehen um was es gehen soll, es gibt verschiedene Sichten und Fakten, die vielen nicht präsent sind. Vor allem aber sollte, wer sich damit beschäftigt wissen, was geographisch das heutige völlig israelische, aber nicht völlig jüdische Jerusalem ausmacht, verglichen zum Jerusalem vor dem Siebentagekrieg in 1967.

Image:EastJerusalemMap.jpg

Von 1948, Israels Unabhängigkeitskrieg, bis 1967, dem Sechstagekrieg, war die Stadt durch Mauern und Stacheldraht geteilt. Es gab einen einzigen Durchgang: das Mandelbaumtor. Im Osten - vor allem die Altstadt – gehörte zu Jordanien, der westliche moderne Stadtteil war israelisch. Alle paar Tage wurde ein israelischer Zivilist von einem jordanischen Scharfschützen, meist von den Mauern der Altstadt herab, erschossen. Um das damalige Jerusalem herum lagen palästinensische (damals noch „arabische“) Dörfer wie Shuafat, Beit Janina, Beit Safafa und Teile von Jabel Mukaber, die heute von Jerusalem eingemeindet worden sind und neben neuen jüdischen Quartieren wie Gilo, Neve Ya’akov, Pisgav Ze’ev oder Har Homa das heutige vergrösserte Jerusalems bilden. Es fragt sich, ob Israel tatsächlich daran interessiert sein muss, offiziell unfreiwillige Israelbürger, wie es die Araber Ostjerusalem sein wollen (dass sie inoffiziell aber unheimlich gerne Israelis bleiben möchten, wird unter der Hand zugegeben – eines der Rätsel arabischen Judenhasses, das vielleicht mit dem traditionellen Mangel an Zivilcourage und dem enormen gesellschaftlichen Druck in der arabischen Gesellschaft zu erklären ist, man erinnere sich, wie sie mit vermeintlichen Kollaborateuren umgeht).

Israels Regierung muss sich fragen, ob bei der von ihm vertretenen Weigerung Jerusalem mit dem palästinensischen Staat (wenn immer der kommt) zu teilen, diese „zugewonnenen“ palästinensischen Dörfer oder wenn man will, Quartiere, zu Israel gehören sollen oder nicht.

Schon seit Jahren, wenn immer die „Ewigkeit“ eines israelischen Jerusalems beschwört wird, einem Jerusalem, das exklusiv Israel gehört, schüttle ich den Kopf. Warum muss Jerusalem geteilt werden, warum soll der üble Zustand von vor 1967 wieder hergestellt werden. Wäre es nicht schön, wenn Juden und Palästinenser diese Stadt gemeinsam als Hauptstadt ihres Landes, ohne Mauern, Stacheldraht und Heckenschützen teilen würden. Wir Israelis hätten die Knesset, die Palästinenser würden sich in Ostjerusalem ein eigenes Parlament bauen und ihre Ämter im Ostteil der Stadt errichten. Gemeinsam könnte die Stadt regiert werden, gemeinsam könnte Unrat entsorgt, die Kanalisation erneuert, das Tramsystem, an dem gerade gebaut wird, könnte von Juden und Arabern betrieben und benutzt werden, während im Schulwesen beide Völker ihr jeweils eigenes staatliches Schulprogramm durchführen und es zu echter Bildung, zum Lehren gegenseitigen Respekts und Pluralismus nutzen, statt es, wie die heutigen palästinensischen Schulen, zum Lehren von Judenhass zu missbrauchen – eine Eigenschaft, die wie keine andere im Umgang mit anderen in dieser Ecke der Welt fehlt. Auch hier muss die beiden Seiten eigene Forderung des „Alles oder Nichts“ überwunden werden.

Die Ultra-Orthodoxie

Innerhalb der Ultra-Orthodoxie herrscht nicht nur Zwist zwischen den Höfen der Hassidim, sondern auch Rassismus aschkenasischer (osteuropäischer) Haredim gegenüber sephardischen (orientalen und nordafrikanischen) Juden, ob sie fromm sind oder gar völlig säkular. Sephardische Kinder werden in religiösen Schulen der Aschkenasim möglichst nicht aufgenommen und wenn dazu gerichtlich gezwungen, diskriminiert. Heirat zwischen den zwei Volksteilen wird tunlichst vermieden.

Abschliessend

Es sei denn, die Wähler wenden für einmal Vernunft an und lassen die Kleinparteien aus dem Spiel, werden Schas und die Ultra-Orthodoxen der der aschkenasischen Welt wiederum Zünglein auf der Waage spielen. Alles wie gehabt und zum Nachteil des Landes. Doch wie Ben Gurion vor Jahrzehnten feststellte: „Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist“. Aber ob Wunder oder nicht, solange Politiker, vor allem Knessetabgeordnete, nicht dem Volk, sondern ausschliesslicher ihrer Partei oder ihrem religiösen Oberhaupt verantwortlich sind, so lange wird sich nichts ändern. Nur schon aus diesem Grund ist auf weite Sicht eine Revolution im Wahlsystem unumgänglich. Israel, das keine politisch selbstständige Kantone oder Provinzen besitzt, muss in Wahlkreise eingeteilt werden, in denen sich Kandidaten direkt ihren Wählern stellen müssen. Das hätte erstens den Vorteil, dass jeder Wähler „seinen“ Vertreter kennt und ihn bei Missfallen abwählen kann. Der zweite Vorteil wäre, dass kleine Parteien verschwinden würden, sehr zum Wohle der Demokratie und der Regierbarkeit des Landes. Es gibt einige aktive Vertreter dieses Anliegens im Land, manche wollen das amerikanische, andere sogar das Schweizer System als Muster verwenden. Doch Einzelheiten darüber zu diskutieren, das ist ein Thema für sich.

Montag, 20. Oktober 2008

Ist das Wort “Frieden” zum reinen Gruss verkommen?

15.10.2008

Heute früh las ich in den Internet-Nachrichten folgende Überschrift: „Palästinenser an Strassensperre durch zionistische Soldaten gedemütigt; Terrorangriff verhindert“ (Palestinians humiliated at checkpoint by Zionist soldier; terror attack averted). Zwar heisst der Titel im Original YNET Artikel „Soldaten verhindern Terrorangriff“, aber Avi Isseroff benutzte in seiner Meldung ironisch den internationalen Pressestil, wie er von Journalisten aus dem Ausland so gerne angewendet wird.

Die in diesem Bericht beschriebenen neun Rohrbomben hätten Menschen verletzt und vielleicht auch getötet. Wie der Trennungszaun zwischen Israel und den besetzten Gebieten, beweist dieser Zwischenfall an einer Strassensperre, dass es halt doch eine Berechtigung für dafür gibt, auch wenn sie vielen, wie auch mir, gar nicht gefallen. In unseren gefährlichen Landen haben wir leider nicht die Wahl zwischen Sicherheit und Ästhetik oder, wenn man so will, Verantwortungslosigkeit. Vorläufig noch, bleibt Ästhetik auf Platz zwei. Liebe Gutmenschen, das tut mir wirklich leid!

Der letzte Satz führt nahtlos zu meiner nächsten Mitteilung. Nach langer Überlegung sind Lea und ich der Bewegung „Shalom Ahshav“ (Frieden jetzt) beigetreten. Wir sind weder Blauäugig noch naive Gutmenschen – wer Uris Tagebuch seit längerem liest, wird das bestätigen. Shalom Ahshav beizutreten war gelegentlich ein Thema, aber den letzten Stoss dazu gaben uns die faschistoiden Vorfälle aus Siedlerkreisen der vergangenen Wochen und Tage, über die ich mir auch schriftliche Gedanken gemacht hatte (26/27.9.2008). Kaum jemand stellt sich diesen „Superzionisten“ entgegen, schon gar nicht politische Parteien und ihre Politiker, die, statt das Land trotz den zur Zeit stattfindenden Verhandlungen zur Regierungsbildung, anständig zu regieren, sich auf individuelle Egotrips begeben und dabei das tägliche Geschäft recht- und linksextremen jüdischen und arabischen Mobs überlassen – eine Wertung vorzunehmen, wer dabei schlimmer als der andere ist, erspare ich mir nach dem mehrtägigen Jom Kippur-Aufruhr in Akko, an denen Juden und Araber sich brüderlich mit Steinen, Keulen und Zündhölzern liebkosten.

Zurück zu Shalom Ahshav. Diese Gruppe ist keine Sammlung unbedarfter Gutmenschen, wie als Beispiel Uri Avneris Gush Shalom in Israel oder als anderes Beispiel, die Jüdinnen und Juden für einen gerechten Frieden in Palästina. Zwar gibt es in vielen Ländern Freundesgruppen von Shalom Ahshav, doch das sind eben Freundesgruppen, Sympathisanten. Shalom Ahshav ist eine israelische Organisation, die in Israel lebt und agiert und bestenfalls zu Informations- und Sammelreisen ins Ausland fährt. Shalom Achshav arbeitet vor allem unter den Juden Israels, als hundertprozentig zionistische Organisation vertritt sie nicht Frieden um jeden Preis und nationalen Selbstmord, wie es pazifistische „Friedens“-Extremisten so gerne tun. Die Bewegung vertritt den klassischen humanistischen Zionismus, was leider von den Schreibern und Scheiberinnen von Schlagzeilen über unsere nationalistischen Superpatrioten viel zu wenig wahrgenommen wird. Für mich trifft zu, dass ich auf Grund meiner eigenen Erfahrungen und Aktivitäten mit arabischen Israelis und meiner Ablehnung extremistischen Gedankengutes, ich mich nur soweit für Palästinenser einsetze, wie diese ihre teilweise gerechtfertigten Anliegen friedlich vertreten. Für mich sind arabische Extremisten genau so verbrecherisch wie jüdische – ob politisch links oder rechts ist reine Semantik. Im Einheitsbrei des Terrors und seiner Opfer, auch wenn die Palästinenser in „Punkten“ führen, ist nur massgebend, ob er nicht nur verurteilt, sondern auch bekämpft wird – da führt Israel allein auf weiter Flur, die palästinensische Welt ist noch immer im Stadium des Feierns terroristischer Gewalt gefangen.

Zurück zu Shalom Achshav. Die Organisation beobachtet sehr genau und, im Unterschied zu Betzelem oder Amnesty International, berichtet verlässlich was in den besetzten Gebieten geschieht. Im Unterschied zu den eben genannten Organisationen frönt Shalom Achshav nicht dem Apologetentum und drückt sich politisch oft wunderschön unkorrekt aus. Da ich für palästinensische Aspirationen, ihrem Verhältnis zu Terror und sonstiger Gewalt gegen Juden und ihren eigenen Brüder null Verständnis habe, bin ich der oft ausgesprochenen Meinung, dass wir uns als Juden, nicht so wie unsere Gegner benehmen dürfen – solange wenigstens, wie es die Umstände zulassen. Auch die Palästinenser haben eine Geschichte und diskutable Ansprüche in unserem gemeinsamen Konflikt. Doch solange sie sich nicht von ihren „Alles oder Nichts“ Vorstellungen (eine Sicht, die leider auch unter Juden um sich greift) lösen können, gibt es keine Aussicht auf eine Lösung. Israel gilt nun mal und es ist gut so, als regionale Supermacht – wären wir’s nicht, wären wir schon lange nicht mehr da. Doch Macht verpflichtet, Judentum noch mehr und, ob es die Welt wahrnehmen will oder nicht, wir dürfen uns unter keinen Umständen das politische Benehmen und die mörderische Philosophie rechtextremer Grossisrael-Juden als Vorbild nehmen. Für uns positive Vorbilder dafür gibt es zuhauf, denken wir an Yossi Beilin, Yossi Sarid, die Omas der Machsom Watch, Yeshayahu Leibowitz, an Martin Buber, an den kürzlich verstorbenen Friedensflieger Abie Nathan, auch Shimon Peres gehört dazu und Itzchak Rabin, dem nur seine Ermordung durch einen jüdischen Faschisten, die Enttäuschungen der letzten zehn Jahre ersparten.

Zum Abschluss nochmals die Feststellung Ulrich Sahms: „Die Unfähigkeit der Palästinenser zur Selbstkritik wird sie weiter ins Unglück stürzen.“ Auch wenn in den vergangenen Monaten und Jahren israelische Friedenssucher der denkenden Variante oft nicht mehr weiter wissen, hat das vor allem mit dieser pathologischen palästinensischen Unfähigkeit zu tun.

Montag, 13. Oktober 2008

Liberté, Egalité, Fraternité

13.10.2008

Da soll mir noch einer sagen, in Israel werden die Grundsätze der französischen Revolution nicht ernst genommen. Den letzten Beweis, dass alle israelischen Bürger gleichberechtigt sind wurde kürzlich in Akko geliefert und hält noch immer an. Doch erst eine Einführung zum Thema: zum Yom Kippur in Israel gehört die schöne alte Tradition, dass man an diesem Tag nicht Auto fährt. Man sieht nur Fahrräder, sogar auf der Autobahn. Dieser wundervolle und völlig freiwillige Brauch beruht nicht, wie einige Apologeten behaupten, auf Respekt vor religiösen jüdischen Bräuchen, sondern ausschliesslich auf Angst. Angst vor dem gesteinigt werden. Das ist der Grund, dass ich meine Frau Lea, die keine längere Distanzen zu Fuss gehen kann, schon im Rollstuhl zur Synagoge und dann wieder nach Hause schob, Sie kam jeweils gesund und ausgeruht an, während ich verschwitzt, ausgelaugt und physisch fertig einige Stunden ausruhen musste. Einmal versuchte ich es mit unserem elektrischen Golfmobil für Invalide – es geschah mir nichts, obwohl ich böse Blicke in meinem Rücken fühlte. Das Auto lasse ich aber zu Hause – freiwillig zwar, obwohl ich das Recht auf meiner Seite hätte. Ich muss zugeben, dass ein autofreier Tag etwas für sich hat – aber er muss freiwillig bleiben, solange kein vernünftiges Gesetz ihn vorschreibt. Aber als religiöser Brauch darf er nicht mit Steinen und sonstiger Gewalt durchgesetzt werden. Es ist eine der zahlreichen Feigheiten der säkularen Gesellschaft Israels im Umgang mit fragwürdigen Traditionen, es in den Jahrzehnten des Nachgebens gegenüber religiöser Erpressungen nie die nötige Zivilcourage gefunden zu haben, um solchen totalitären Bräuchen entgegen zu treten.

Am soeben zu Ende gegangenen Yom Kippur ist es in Akko zu einem Eklat gekommen. Akko, die alte romantische Ritterstadt hat knapp 50'000 Einwohner, davon etwa ein Drittel Araber, zwei Drittel Juden. Zusammen mit Haifa galt sie seit Jahrzehnten als Musterstadt des friedlichen Zusammenlebens, eine nicht immer wahre Behauptung. Beide Gruppen haben oft Angst voreinander und es braucht wenig, um gegenseitigen Hass zu produzieren. Beiden ist gemeinsam, dass sie mehrheitlich relativ arm sind. Auf beiden Seiten ist die Zahl ungebildeter, erfolgloser und gewaltbereiter Jugend aus ärmlichen Familien hoch.

Als am vergangenen Yom Kippur ein Araber es wagte, auf dem Weg zu seiner Tochter durch ein jüdisches Quartier zu fahren, flogen Steine auf sein Auto. Leicht verletzt floh er ins Haus seiner Tochter und rief eine Ambulanz. Die Ambulanz wurde ebenfalls mit einem Steinhagel begrüsst, es sollen ihr auch die Reifen durchstochen worden sein. Darauf hin wurden arabische Jugendliche aufgeboten, arabische Politiker schalteten sich umgehend ein und benutzten den Vorfall für ihre eigenen politischen Winkelzüge. Auch heute noch schlagen sich Juden und Araber gegenseitig die Köpfe ein, es gibt Verletzte, zwei Häuser wurden angezündet, Autos ebenso und, das sehe ich als Fehler des Bürgermeisters von Akko, das traditionelle Theaterfestival der Stadt, wurde voreilig abgesagt. Es würde, so sagte der Bürgermeister, ein Festival der Polizei werden und das widerspreche dem Geist dieser Veranstaltung. Durch diese Absage werden vor allem Akkos Araber bestraft, die vom Tourismus leben.

Grundsätzlich finden ich, dass die Mehrzahl der jüdischen Steinewerfer nicht, wie in Jerusalem an früheren steinigen Wochenenden, Talmudstudenten sind, sondern ganz einfach Chaoten, mit und ohne Kippa auf dem Kopf. Vorgebend die Heiligkeit des höchsten jüdischen Feiertages, Yom Kippur, zu verteidigen, werden sie gewalttätig. Es erstaunt, warum sie nicht in ihren Synagogen und Betstuben den Feiertag im Gebet verbringen, statt ihre angebliche jüdische Religiosität am heiligsten Tage des Judentums mit physischer Gewalt zu festigen. Es gibt im Nahen Osten den Begriff „Shabab“, der die arabische männliche Jugend bezeichnet, die mehrheitlich arm, schulisch unterversorgt und sehr empfänglich für die Abartigkeiten jedes religiösen und politischen Extremismus ist. Inzwischen haben wir gelernt, dass es einen ähnlich spiegelbildlich motivierten jüdischen Shabab gibt. In Akko sind die beiden aufeinander geprallt, es soll, so habe ich gelesen, auch ein gewisser „Shababtourismus“ stattfinden, denn noch sind diese Unruhen nicht völlig beendet. Wie nicht anders zu erwarten, haben sich auf beiden Seiten extremistische Politiker eingeschalten und hetzen die zwei Gruppen gegeneinander auf.

Für die Polizei war die Schuldfrage offenbar einfach, das Durchsetzen der öffentlichen Ordnung hingegen weniger. Dem französischen Grundsatz der Egalité entsprechend, hieben sie fair und ausgewogen auf alle Radaubrüder, ob Juden oder Araber, ein und versuchten auf diese Art, Ordnung herzustellen.

Freitag, 10. Oktober 2008

Politischer Aktivismus



9.10.2008

Ich weiss nicht, wo in Amerika diese Tafel steht. Ersichtlich ist einzig, dass es eine jüdische Gemeinde ist – wahrscheinlich eine orthodoxe, da ihr Name in aschkenasischem Hebräisch geschrieben ist (Sholom statt Shalom). Aber diese jüdische Gemeinde nimmt Stellung bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen, denn nach den Neujahrswünschen ist ins Deutsche übersetzt zu lesen: „Bitte wählt den Schwarzen“ (Please vote for the „Shvartzeh“ – ein englisch-jiddischer Ausdruck, der unfeinen Art). Diese Tafel ist nicht nur amüsant, sondern sie imponiert, denn das sonst unter Juden in verächtlicher Absicht benutzte Wort „Shvartzeh“, wird hier ins Gegenteil verkehrt und ruft respektvoll zur Stimme für Barrack Obama auf. Auch wenn es vielleicht von einigen politisch korrekten Neurotikern nicht so erkannt wird.

Kann es sein, dass ich nicht genügend Zeitung lese oder Fernsehnachrichten schaue – politisch scheint es in Israel relativ ruhig zu sein. Das unsere neue Ministerpräsidents-Kandidatin daran arbeite eine Regierung aufzustellen, etwas das eigentlich jedermann beschäftigen sollte, stellen das dem Thema Iran und dessen Atomwaffen sowie die Präsidentschaftswahlen der USA die vordergründigen Hauptsorgen dar. Meine aus Amerika stammenden hiesigen Freunde sind geteilter Meinung. Die meisten ziehen McCain vor, da die rassistische, beschämend aus jüdischen Kreisen stammende Propaganda gegen Obama, bei labilen Gemütern zu wirken scheint. Als Bürger der Schweiz und Israels darf ich nicht mitwählen und so halte ich mich aus Diskussionen zu diesem Thema heraus, nur über die oben erwähnte Anti-Obama Lügenpropaganda gebe ich meinen Senf auch ungefragt dazu.

Erwähnenswert sind die Glückwunschtelefone von meinen drusischen und arabischen Freunden zu den Festtagen. Bei den Muslimen habe ich wenigstens Gelegenheit zu Id El-Fitr, dem Abschluss des Ramadans zu gratulieren, bei den Drusen habe ich über ihre religiösen Festtage nicht die geringste Ahnung. Freund Hani hat mir zwar Aufklärung über die Geheimnisse der Drusenreligion versprochen. Wenn es so weit ist, hoffe ich in der Lage zu sein, darüber aufzuklären. Auf jeden Fall denke ich, dass es eigentlich unsinnig sein sollte, freundschaftliche Interaktionen dieser Art zu erwähnen. In einer normalen und gesunden (wenn es das überhaupt gibt) multikulturellen Gesellschaft, müsste dies eine Selbstverständlichkeit sein. Aber in unserer Regionen, in der gegenseitige Furcht und gegenseitiger Hass allzu oft zur Norm gehören, bleibt mir leider keine andere Wahl als darüber zu schreiben.

Sonntag, 28. September 2008

Faschismus, da und dort (2)

27.9.2008

Das Thema Faschismus unserer Region beschäftigt mich weiterhin. Meine Bemerkungen zum israelischen Faschismus wurde vor zwei Tagen akzentuiert, durch eine Rohrbombe, die Ze’ev Sternhell in Jerusalem vor die Haustür gelegt wurde und ihn leicht verletzte. Sternhell ist Professor an der Hebräischen Universität und Fachmann für Rassismus und Faschismus. Seine Gedanken sind denen von Yeshaiyahu Leibowitz nicht unähnlich, der die Besiedelung der Westbank und die Herrschaft übe die dortigen Palästinenser als das Grundübel israelischer Politik sah. Ich weiss nicht, ob Sternhell Mitglied der Friedensbewegung „Schalom Achshav“ (Frieden jetzt) ist, deren Generalsekretär Yariv Oppenheimer eine Morddrohung erhielt, in der Form eines Preises von über einer Million Schekel für seinen Kopf. Selbstverständlich versuchen sämtliche Politiker der politischen Rechten sich gegenseitig mit ihren Verurteilungen des Mordversuchs und der Morddrohung zu überbieten, doch kaufe ich diese nicht allen ab.

Es muss festgestellt werden, dass politischen Morde, Mordversuche und Gewalttaten in Israel fast ausschliesslich aus der rechten faschistoiden Politszene kommen, während die politisch Linken und die politische Mitte, meist ihre Opfer sind. Dazu zähle ich auch gewalttätige Anarchisten, die sich als linke Friedensengel empfinden, denn das Etikett politisch „Links“, das sich neben dem zarten und feinfühligen Josef Stalin auch europäische Demonstrationstouristen und Chaoten (ich denke hier an Schweizer 1. Mai-Umzüge oder an Durban I) zulegten, darf nicht zum Persilschein für politische Gewalt verkommen.

Durch die Aktivitäten und die Ideologie der extremistischen Siedlerbewegung von heute werden die politischen Fundamente unseres Staates untergraben. Die Prioritäten, von ihren Rabbinern vorgegeben, sind Herrschaft über Land, eine fundamentalistische Auslegung der Bibel und die Ablehnung des heutigen Staates Israel. Begriffe wie Demokratie, freie Gesellschaft, Meinungsvielfalt und Pluralismus kommen in dieser Ideologie nicht vor. Aus diesem Grunde ist für mich dieser höchst unzionistische jüdische Extremismus eine weit grössere Gefahr für unser Land, als die arabische und iranische Bedrohung.

Wenn in Israel Demokratie und freie Gesellschaft untergraben werden, wenn das Sozialwerk Israel weiter demontiert wird und einem blindwütigen Raubtierkapitalismus Platz macht, der mit der humanistischen Tradition der Gründergenerationen nichts mehr gemein hat, dann werden wir eines Tages aufwachen und einen jüdischen Staat vorfinden, dessen Verteidigung sich nicht lohnt – auch nicht mit der feinsten Armee des Mittleren Ostens.

Samstag, 27. September 2008

Faschismus - bei denen und bei uns

26.9.2008

Auf den Tagebucheintrag vom 12.9.2008 zum Thema fehlender Empathie von Seiten ausländischer Kommentatoren und selbstzufriedenen Bürgern der westlichen Welt, schrieb mir der Journalist Ulrich Sahm: „Die Unfähigkeit der Palästinenser zur Selbstkritik wird sie weiter ins Unglück stürzen. Das macht mir mehr Sorge als die Lage Israels“.

Das liegt auf der Hand und ich habe zu diesem Thema auch schon geschrieben, wenn auch anders. Ich nenne das die Weigerung der Palästinenser und der arabischen Welt für sich Verantwortung zu übernehmen und stattdessen Israel, die USA und den gesamten Westen als Sündenböcke für eigene Unfähigkeiten zu anzuklagen. Ulrich Sahm phrasiert das schlicht eleganter. Die Fähigkeit zur Selbstkritik ist die Vorbedingung um Selbstverantwortung zu übernehmen.

Übrigens: ich habe in meinem Blog begonnen, neben Buchempfehlungen auch Links zu Websites und Blog aufzulisten. Ulrich Sahms Website ist auch dabei, man kann, neben politischem, auch übers Kochen schlau werden. Eine umfassende Rezeptsammlung hilft dabei.
Es gibt, im Moment wenigstens, sogar noch wichtigeres als kochen. Viel lesen wir über den „Islamofaschismus“, mit dem seit wenigen Jahren der Jihadismus und seine dem Hass und Terror auf Juden und andere Vertreter westlicher Lebensart frönenden Anhänger bezeichnet werden. Da sich dieser Beschäftigung nachgehende Muslime (und ihre westlichen Apologeten) sich durch Worte und Taten als Erben des Nationalsozialismus betrachten, hat diese Bezeichnung eine gewisse Logik. Es ist dieser Islamofaschismus, durch den sich das palästinensische Volk von der Erfüllung seines berechtigten Anliegens, einen eigenen palästinensischen Staat zu errichten, so weit entfernt hat, dass eben dieses Anliegen von seiner Legitimation verliert. Für den Rest der arabischen Welt, deren Schuld am Los der Palästinenser ungleich grösser ist als die Israels und der Palästinenser selbst, haben nicht einmal diese „Legitimität“ für ihren weltweiten Terror. Im Endeffekt ist dieser Zustand das Resultat von Ulrich Sahms Feststellung arabischer Unfähigkeit zur Selbstkritik.

Doch einen jüdischen „Faschismus“ gibt es auch. Man denke an den Mörder Itzhak Rabins, an Herrn Dr. Goldstein, der in Hebron neunundzwanzig betende Araber umbrachte, nur weil sie eben Araber waren, man denke an den Mord an Emil Grünzweig, Mitglied von Schalom Achshav, der an einer Demonstration vor vielen Jahren durch jüdische Rechtsextremisten ermordet worden war, man denke an die vielen palästinensischen Familien in der Westbank, die beim Olivenernten von jüdischen Siedlungsfanatikern angegriffen, verprügelt, verletzt und getötet worden sind, an die Morde an palästinensischen Arbeitern, an die Angriffe auf Polizei und Armee der sich vom Staat losgesagten Hügeljugend, die israelische Sicherheitskräfte als Feinde sehen und sich entsprechend benehmen und anderen Vorkommnissen dieser Art, die unserer Gesellschaft und dem jüdischen Staat keine Ehre machen. Das sind keine Taten einzelner durchgedrehter Juden, sondern dahinter stehen extremistische Rabbiner, Ideologen und Politiker, die mit ihren mittelalterlichen Ansichten und Bestrebungen mit dem humanistischen Zionismus der Gründerväter rein gar nichts mehr zu tun haben. Sie sind auf einen fahrenden Zug aufgesprungen und versuchen mit Gewalt seine Richtung zu ändern, den Rückwärtsgang einzulegen.

Im Gegensatz zur palästinensischen und arabischen Welt verurteilt die grosse Mehrheit der Israelis eigene faschistische Phänomene, tanzt nach Morden nicht in den Strassen und verteilt zur Feier keine Bonbons. Israel erhebt den Anspruch ethisch über der fanatisierten islamischen Welt zu stehen – der israelische Faschismus ist dem abträglich.

Zum Thema gehört eine Geschichte, die sich im Barzilai Spital in Ashkelon abspielt. Ich verfolgte eine Reportage darüber in den heutigen Fernsehnachrichten. Im Barzilai liegt seit einigen Monaten eine Frau nach einer Hirnblutung im Koma. Sie ist Mutter zweier Söhne und vor zwei Tagen wurde ihr dritter Sohn mittels Kaiserschnitt geboren. Diese Frau kommt aus Gaza, ist geborene Bulgarin und hatte einen Palästinenser aus Gaza geheiratet. Wie unendlich viele palästinensische Kranke wurde sie zur Pflege nach Israel gebracht. Ihr Zustand ist hoffnungslos, sie vegetiert, doch wird sie im Koma gehalten, um die Schwangerschaft zu Ende zu führen. Ihr Mann kommt täglich aus Gaza zu ihr, bringt manchmal die zwei grossen Söhne mit und hofft, dass ein Wunder geschieht und seine Frau erwacht. Gestern kam der Bruder der Patientin aus Bulgarien angereist, um seine Schwester zu sehen. Der Vater kann seinen neuen Sohn sehen – er liegt noch im Brutkasten – sein Händchen halten und sich freuen. Eine Freude, die von Trauer überschattet ist, denn er weiss, dass seine Frau kaum noch lange am Leben erhalten werden kann.

Solche Situationen gibt es auf der ganzen Welt. Doch Israel wird vorgeworfen Menschenrechte zu verletzen, Gaza auszuhungern und dessen Einwohnern das Überleben zu erschweren. Diese Lügenpropaganda, über die ich schon in meinem Tagebucheintrag vom 28.8.2008 geschrieben habe, könnte durch Berichte wie der vorliegende, entkräftet werden, doch habe ich von diesem Drama erst im Fernsehen erfahren – in der gedruckten Presse fand ich darüber nichts.

Freitag, 12. September 2008

Der Götz von Berlichingen und die fehlende Empathie

12.9.2008

Vor kurzem war ich in Jerusalem an einer Pressekonferenz um einem Vortrag des palästinensischen Ministerpräsidenten zuzuhören. Er kam nicht, sondern delegierte seinen Aussenminister, der seines Chefs Worte vorlesen sollte, was er auch tat. Davon ist nichts berichtenswert, es war das übliche palästinensische Gejammer und die ebenso übliche Ablehnung jeder Verantwortung für alles eigenes Tun und dessen Folgen. Etwas interessanter waren Antworten auf Fragen aus dem Publikum. Neben sachlichem wurden auch Fragen wie etwa „Was denkt seine Exzellenz der Herr Aussenminister über die in der arabischen Welt herrschende Gewalt, in der sich weit mehr Araber gegenseitig umbringen, als in den gesamten rund hundert Jahren des jüdisch-arabischen Konflikt Menschen umgekommen sind?“. Der Zweck der Frage war wohl, die Gewalttätigkeit der arabischen Kultur anzusprechen, die viele Juden vor einem Frieden zwischen Palästina und Israel zögern lässt. „Das hat mit der Lösung des Problems nichts zu tun“, war die kurze Antwort. Ich wollte ihn fragen, was er zum offiziellen Judenhass, der in arabischen Schulen gelehrt und in der palästinensischen und arabischen Gesellschaft lauthals vorgelebt wird, zu sagen habe. Vielleicht ahnte David Kimche, Organisator und Moderator des Anlasses, diese unbequeme Frage – ich wurde nicht aufgefordert, sie zu stellen. Dafür durfte mein Freund Roger Guth vorschlagen, den schweizerischen Föderalismus als mögliches Modell zu berücksichtigen, ein Vorschlag der höflich abgewiesen wurde.

"Er aber, sag’s ihm, er kann mich im Arsche lecken!" Diese feinen Worte hat der Goethe dem Götz von Berlichingen in den Mund gelegt – vielleicht hat dieser sie auch tatsächlich gesprochen. Das Zitat kommt mir immer dann in den Sinn, wenn ich lese oder höre, wie Aussenstehende Israel zum nationalen Selbstmord überreden wollen. Wie fast alle Israelis (Juden und Araber) wollen wir Frieden, denn ein normal denkender und funktionierender Mensch im israelischen Kulturkreis – so wie ich diesen kenne – zieht vor, seine Energien auf einen friedlichen Alltag auszurichten, seine Kinder friedlich und ohne Hassideologien zu erziehen, seinen Geschäften nachzugehen, in Nachbarsländern seine Ferien zu verbringen und dort Freunde zu haben, statt sich dauernd mit Kriegen, Terror, Hass und Gewalt aus eben diesen Nachbarländern auseinandersetzen zu müssen, um Väter und Söhne an der Front zu bangen und Kriegsopfer zu begraben, von denen es, über die vergangenen sechzig Jahre gesehen, fast so viele gab wie Verkehrsopfer. Oder wie für viele, jahrelangen Militärdienst leisten zu müssen, der die Produktivität des Staates enorm behindert, denn es sind ja gerade die besten unserer Bürger, die sich davor nicht drücken.

Leider gibt es aber auch in Israel gemeingefährliche Ideologen und Spinner, die die Zeiten biblischer Mythen, ein Grossisrael, das es nie wirklich gegeben hat, einen Halachastaat, ähnlich dem Shariastaat islamischer Jihadisten einführen wollen und denen für diese Ziele jedes Mittel recht ist. Araberhass und Gewalt bis zu Mord an unseren Minderheiten gehört zu ihrem Repertoire. Aber sie werden von der Mehrheit der Israelis und der Regierung abgelehnt und bestraft. Die Schlimmsten sitzen wegen Mordes an arabischen Bauern und Arbeitern im Zuchthaus. Auch diese Spinner haben ihre Fans, ihre Zahl hat durch den alles pervertierenden arabisch-palästinensischen Hass auf uns Juden eher zugenommen, denn er gibt ihnen einen weiteren Vorwand für ihr übles Tun. Doch noch sind sie eine Minderheit im Land.

Nicht das erste Mal schreibe ich von der fehlenden Empathie westlicher Kreise für die Lage Israels und seiner Menschen. Israels sieben Millionen Bürgern stehen heute etwa 300 Millionen Araber (in zehn Jahren werden es rund 400 Millionen sein) oder wenn wir wollen, 1,61 Milliarden Muslime gegenüber. Trotzdem wird Israel zum Goliath empor stilisiert und unsere lieben Feinde zum David. Militärisch ist Israel stark, anders wäre es schon lange weggefegt. Doch sein erfolgreiches Überleben, so denke ich, hat vor allem mit Motivation zu tun. Es ist diese Motivation, die wenn darauf ankommt, intelligente Kriegsführung erzeugt und die überragende persönliche Motivation des einzelnen israelischen Soldaten, die Kriege gewonnen hat. Sogar der nicht gerade erfolgreiche Krieg im Sommer 2006 hat letzteres wieder demonstriert – wie in früheren Kriegen, nahmen im Ausland lebende israelische Reservesoldaten den ersten Flug nach Israel, um an der Verteidigung ihres Landes teilzunehmen, motiviert durch ein tiefes Verantwortungsgefühl, das sich bis heute nicht verflüchtigt hat. Ich erlebte dieses Phänomen schon in 1967 und in 1973. Es war das Wissen, dass es keinen anderen Weg zu Überleben gibt und alles getan werden muss um zu gewinnen. Flächenmässig wenig mehr als halb so gross wie die kleine Schweiz, hinter sich das Meer, vor sich die unendliche Weite der arabischen Welt und deren Feindschaft, kann sich Israel nirgends zurückziehen. Es ist die überragende Motivation des israelischen Volkes, die der künstlichen, real nicht existierenden Motivation der arabischen Armeen entgegensteht und so überlebt. Es gibt die zweifelhafte Motivation der Jihadisten, der Hamas, Hisbollah and anderen zu töten, doch diese Motivation ist religiös, basiert ausschliesslich auf Hass, Todeskult, Rassismus und Antisemitismus und hat mit dem Überleben weder des Einzelnen oder eines ganzen Volkes nicht das Geringste zu tun. Sie sind ein starker Störfaktor des täglichen Lebens, morden aus Überzeugung nicht nur Israelis, doch grundsätzlich bilden sie für Israels Existenz keine existenzielle Gefahr. Nur, hier wieder die fehlende Empathie – wenn Israel sich wehrt, dann wird ihm dies Übel genommen, es wird sogar der „Überreaktion“ angeklagt. Vielen Israelis denken dann tief in ihrem Innern die feinfühligen Worte des Götz von Berlichingen oder ähnliches. Manche sprechen es auch aus. Dann spricht der wohlwollende Israelkritiker vom arroganten Israeli. Weil ihm eben jene Empathie fehlt, welche für die armen palästinensisch-arabischen „Widerstandkämpfer“ und Jihadisten bei jedem Terror-Versteher und Gutmenschen vorhanden ist.

Freitag, 5. September 2008

Der Patriotismus des drusischen Restaurateurs

5.9.2008

Als Vorspeise ein kleiner Hinweis auf eine neue Vorschrift der Armeeführung an die Soldaten der Strassensperren in den besetzten Gebieten. Der Muslime wichtigster Feiertag, der einen Monat dauernde Ramadan, begann am 1. September. Während dem Ramadan dürfen die Gläubigen von Tagesanbruch bis Sonnenuntergang weder essen, trinken noch rauchen. Die Soldatinnen und Soldaten der Strassensperren wurden angewiesen, bei Anwesenheit von Palästinensern aus Respekt für deren religiöse Observanz ebenfalls nicht zu essen, zu trinken und zu rauchen. Muslime sind während dieser Fastenzeit ganz besonders reizbar und die Armee will darauf Rücksicht nehmen, obwohl Nichtmuslime vom Ramadan nicht betroffen sind. Interessanterweise las ich diesen Hinweis auf der Website der palästinensischen Ma’an News Agency.

Diese Woche wurden Lea und ich von Hani und Seham Hasisi ins Restaurant „Lev HaKfar“ (Herz des Dorfes) ausgeführt. Es liegt im Touristen und Auswärtigen wenig bekannten historischen Teil von Daliat Al-Carmel (heute heisst es eigentlich zusammen mit dem eingemeindeten Ussefiya amerikanisiert „Carmel City“), einem Quartier, das mit seinen sauberen und engen Gassen romantisch wirkt. Lev HaKfar ist als Restaurant guter arabisch-drusischer Durchschnitt, seine Salate sind sehr gut, doch in Umm El-Fahm isst man allgemein besser. Aber – und das ist der grosse und einmalige Unterschied – neben dem Restaurant des Betriebes befindet sich ein gemütlicher Salon mit Polstersesseln, Sofa, den üblichen Kissen und Matratzen auf dem Boden, Tischchen und Tischen sowie unzähligen Fotos an den Wänden. Die Fotos zeigen meist den Beizer Safa und seine Frau mit den VIPs und gewöhnlichen Leuten, die sein Etablissement schon besucht haben. In diesem Salon wird Kaffee serviert, zusammen mit Gebäck und Früchten. Soweit so gut. Das wirklich Spezielle des Lev HaKfar ist die jahrlange Tradition, wöchentlich jeden Montag Gruppen israelischer Soldaten einzuladen, jedes Mal zwischen dreissig und sechzig, wie Safa sagte. Sie werden verpflegt, es wird ein fünfzehnminütiger Film über die drusische Kampfeinheit der israelischen Armee gezeigt, sie treffen lokale junge Leute und sollen sich zu Hause fühlen. Dies sei sein persönlicher Beitrag zur gemeinsamen und friedlichen, ja gar freundschaftlichen Existenz zwischen der jüdischen Mehrheit des Landes und seinen Minderheiten. Diese Einladungen sind völlig frei und die eingeladenen Soldatinnen und Soldaten seien seine Gäste. Denn die Armee sei auch seine Armee und der Staat sei auch sein Staat. Das gefürchtete Herev Batallion (Schwert-Batallion), die drusische Einheit der Armee gehöre dem ganzen Staat. Dazu möchte ich allerdings hinzufügen, dass drusische Soldaten in allen Einheit zu finden sind, als Soldaten und als Offiziere.

Solche Ansichten möchte ich auch im muslimischen Umm El-Fahm hören, werde dazu jedoch noch lange warten müssen. Zwar merken die Araber Umm El-Fahms langsam, dass sie statt jammern, besser sich selbst helfen sollten. Mein Freund Said Abu-Shakra steht ihnen fast schon aufdringlich als Beispiel täglich vor der Nase. Die Drusen haben das schon früher gemerkt und internalisiert, auch wenn ihre Kultur und ihre Tradition sich westliche „Eigenheiten“ wie Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, erst noch erarbeiten müssen. Dazu ein Beispiel, das Seham Hasisi erzählte, als ich sie fragte, ob sie gelegentlich in ein drusisches Bethaus gehe, von denen ich einige in der Altstadt gesehen hatte. Genau so wie bei uns Juden, den Muslims und Christen ist traditionelle Religion zum Stolperstein und Hindernis jeglicher Weiterentwicklung geworden. Seham antwortete, es sei ihr verboten ein Bethaus zu besuchen, denn sie lebe keinen religiösen Lebensstil. Sie müsste dazu erst den Scheich um Einwilligung bitten, der ihr als erstes den Führerschein wegnehmen würde, sie zwänge das traditionelle schwarze Kleid und den weissen Schleier der drusischen Frau zu tragen, keinen Beruf zu erlernen und bestenfalls als Putzfrau zu arbeiten. Die Sitten scheinen streng zu sein – auch in Saudi Arabien ist Frauen das Autofahren und einiges anderes verboten und wird vom Staat und seinen Sittenpolizisten durchgesetzt. In Israel kann das höchsten der Ehemann tun – ob es vorkommt, könnte ich bestenfalls raten und das will ich nicht. Doch immer wieder erlebe ich Überraschungen, wie den Patriotismus von Safa, dem drusischen Beizer. Dessen Frau noch immer ein schwarzes Kleid und weisses Kopftuch trägt. Patriotismus hat halt mit Frauenemanzipation wenig zu tun.

Sonntag, 31. August 2008

Lynn Hasisi und die wilden Weiber des Friedens


Wie für meine Enkelin Hadass beginnt am kommenden Montag die 12. Klasse, die Maturaklasse der israelischen Schulen, auch für Lynn. Sie besucht die Mittelschule des Kibbuz Ein Hashofet. Wir sind mit ihren Eltern befreundet, sitzen alle paar Wochen mit ihnen und Lynn bei einem guten Essen und interessanten Diskussionen in unserer Stube.

Lynn erzählte von ihrer Polenreise, die von den Schulen für Elftklässler organisiert wird, um den Schülern den Schoa zu vermitteln. Diese Reisen finden seit Jahrzehnten statt, sind zu einer Industrie geworden und werden manchmal auf eine Art durchgeführt, die mir nicht gefällt, wie nationalistisches Gehabe mit zu vielen Fahnen, einseitigem Reiseprogramm, das ausschliesslich auf die nazistische Vernichtungsindustrie konzentriert, ohne geschichtliche Hintergründe zu vermitteln, ohne den jüdischen Widerstand in den Konzentrationslagern und bei den Partisanen zu erwähnen, ohne die jüdische Kultur von einst und das nichtjüdische Polen von heute zu besprechen und letztlich, ohne Kontakt zu den Polen und Polinnen von heute zu suchen oder gar mit ihnen ins Gespräch zu kommen.

Das Besondere dieser Reise ist die Tatsache, dass Lynn keine Jüdin sondern Drusin ist, deren Eltern ihr eine fortschrittliche Schulausbildung vermitteln wollen, modern, israelisch und vor allem einer freien Gesellschaft entsprechend. Deshalb geht sie in eine Kibbuzschule. Mit Lynn zu sprechen ist ein Erlebnis, ein Vergnügen, das ich gerne und wiederholt auskoste. Ihr Hebräisch ist das einer Sabra, es ist nicht der geringste arabische Akzent zu hören, sie spricht spontan, hat eigene moderne Ansichten und scheut sich nicht, diese ins Gespräch einfliessen zu lassen. In vielem erinnert sie mich an meinen Enkel Jonathan, dem politisierenden Jugendbundleiter, der vor drei Wochen zusammen mit seinem Gar’in (Kerngruppe) in die Rekrutenschule einrückte. Bei den Drusen herrscht Militärpflicht, doch nicht für Mädchen und deshalb, so sagte sie, sei sie die erste Drusin, die den freiwilligen zweijährigen Zivildienst absolvieren werde. Das ist zwar nicht die Armee, doch auch so wird sie die erste Drusin sein, die diesen freiwilligen Dienst tut, genauso wie sie die erste Drusin war, die sich der für Juden (mehr oder weniger) obligaten Polenreise anschloss.

Auf dem Flug nach Polen sass sie zusammen mit dem mitreisenden Zeitzeugen, einem Holocaustüberlebenden, der mit den Jugendlichen bei diesen Reisen mitfährt und ihnen vor Ort seine Erlebnisse erzählt. Es wäre seine dreizehnte Polenreise als Zeitzeuge gewesen und es werde ihm mit jeder Reise schwierigen, seine Erinnerungen den jungen Menschen zu erklären, hatte er ihr erzählt. Er sei fast vom Sitz gefallen, als er erfuhr, dass Lynn keine Jüdin, sondern Drusin sei. Seiner Meinung nach, sei es wohl das erste Mal, dass ein nichtjüdischer Schüler als Mitglied einer jüdischen Schule mitreise.

Die Reise sei sehr streng gewesen, nach den Besuchen von Konzentrationslagern, ehemaligen Ghettos, Museen und ähnlichem sei die Gruppe jeden Abend zusammen gesessen, habe die Erlebnisse des Tages besprochen, Revue passieren lassen und abschliessend versucht, Lehren abzuleiten. Um zehn Uhr seien alle schon im Bett gewesen, um elf Uhr war Licht aus. Das hörte sich ganz anders an, als ich es in der Zeitung gelesen und wie es mir mein Enkel Adam nach seiner Reise erklärt hatte. Man habe keine polnischen Juden, keine polnische Nichtjuden getroffen, Gespräche mit diesen waren nicht im Programm vorgesehen gewesen. Fahnen habe man keine getragen, nur einmal, bei einer Feier, seien zwei kleine Fähnchen gehalten worden. Immerhin, nie seien die Teilnehmer abends in einer Bar herumgehangen und alkoholisiert ins Hotel zurückgekehrt. Das könnte der Einfluss der Kibbuzschule sein, in der vielleicht noch die Regeln des Jugendbundes Haschomer Hazair hochgehalten werden. Lynns Eindrücke und Empfindungen waren fast physisch fühlbar. Die Besuche in Auschwitz und bei der Rampe von Birkenau, in KZ Maydanek, im Ghetto von Lodz und ähnlichen Orten sind ihr unter die Haut gegangen. Das Wissen um die schiere Zahl der Opfer, der industrielle Massenmord, die Anlagen dazu und die Öfen mit den hohen Kaminen hätten sie geschüttelt. Sie erzählte von dem kleinen Jungen, der jemanden im KZ fragte wo seine Eltern seien. Man habe auf den Rauch, der aus den Kaminen quoll gezeigt und gesagt: „Siehst du den Rauch? Das sind sie“.

Dazu ist zu bemerken, dass Hani, Lynns Vater, vor Jahren versuchte einen drusischen Verein zu gründen um israelischen Minderheiten den Holocaust nahe zu bringen. Er bat mich um Hilfe, wir druckten Flugblätter und hielten lange Sitzungen ab, bei denen mein Freund Adam Teller, Geschichtsprofessor an der Universität Haifa (Geschichte der polnischen Juden ist sein Fach) teilnahmen. Hani musste leider aufgeben, nicht, weil er sich mit drusischen Judenhassern, die es auch gibt, auseinandersetzen musste, sondern weil jüdische Holocaustprofis in ihm eine Konkurrenz sahen und sich verweigerten. Da ohne Juden der Holocaust einem unwissenden Publikum kaum erklärt werden kann, verlor Hani den Mut. Doch gute Freunde sind wir geblieben.

Wir waren heute in der Galerie in Umm El-Fahm. Zufällig war eine Gruppe jüdisch-russischer „Frauen für den Frieden“ anwesend und wir schlossen uns ihnen beim Gespräch mit Said Abu-Shakra an. Anschliessend zeigte ich meiner Frau Lea und unserer Freundin Aviva die fotografische Ausstellung über die Geschichte der Stadt (mein Tagebucheintrag 30.6.3008). Die Frauen für den Frieden waren da und wir betrachteten die die gleichen Bilder. Auf einem Schwarzweissfoto von 1948 war ein primitives Haus aus Lehm zu sehen, vor dem einige arabische Männer und israelische Soldaten zu sehen waren. Auf dem Haus war eine kleine weisse Fahne mit einem handgezeichneten, aber schwer zu erkennenden Davidstern zu sehen. „Das stört mich“, erklärten einige dieser Damen ungefragt. Auf einem anderen Foto war ein Jeep mit israelischen Offizieren zu sehen – alles aus dem Jahr 1948. „Die hassen wir!“, riefen dieselben Damen des Friedens. Als ich sie milde auf die Tatsache aufmerksam machte, dass in 1948 die Palästinenser und arabische Staaten das soeben geborene Israel angegriffen hätten und dass der daraus entstandene Krieg zwischen Israel und der arabischen Welt ausschliesslich deshalb entstanden sei und ebenso ausschliesslich das palästinensische Flüchtlingsproblem kreiert habe, wurde ich hysterisch angeschrieen: „Was du bist auch so einer, der die Besetzung unterstützt.“ Aviva zog mich weg und erklärte mir, dass man mit solchen Fanatikerinnen nicht vernünftig reden kann und besser jedem Gespräch aus dem Wege gehe. Das magische Wort „Besetzung“, mit dem jedes Argument erschlagen werden kann, ist zwar erst nach dem Sechstagekrieg in 1967 entstanden und ist mit der Eroberung der Westbank verbunden – eine Eroberung, die nur durch den Eintritt Jordaniens in diesen Krieg ausgelöst wurde. In 1967 hatten nicht einmal unsere eigenen jüdischen Spinner Eroberungsgelüste. Doch verbunden mit dem Unabhängigkeitskrieg von1948 ist dieses Wort schlicht die prinzipielle Ablehnung des jüdischen Staats. Dann wurde mir gesagt, dass beim betrachten der Bilder klar werde, dass Israels Araber ihren Lebensstil verloren hätten. Ich weiss nicht wie die Gedanken dieser Tanten funktioniert, sie meinen wohl den Lebensstil der Lehmhäuser, der Vielweiberei, dem Analphabetentum, der Abhängigkeit von ihren Feudalherren. Ich bin ratlos, wie sich jüdische Frauen dafür verwenden können, denn es geht um ihr eigenes Überleben und kann doch nicht aus der verantwortungslosen und verlogenen Ideologie entstanden sein, die bei sogenannten „Friedensgruppen“ in der Schweiz, in Europa und in den USA zu finden ist und eigentlich Israel zum nationalen Selbstmord bewegen will. Das Benehmen dieser Damen ist seltsam.

Strassensperren in der Westbank

24.4.2007

(Dieser Tagebucheintrag ist schon weit über ein Jahr alt, aber so aktuell wie dann. Deshalb finde ich, das er einen Platz im Blog verdient)

Ich bin zurzeit in Diskussionen verwickelt. Es geht um Israels Besetzung der Westbank – den Gazastreifen sind wir ja dank Arik Scharon losgeworden – und das Verhalten dort, besonders im Zusammenhang mit Strassensperren und der „Mauer“, wie der Sicherheitszaun, zu 94% aus Draht bestehend, genannt wird. Bevor ich mich in diesem Tagebucheintrag darüber auslasse, finde ich es richtig, meine Stellung zum Thema Besetzung seit 1967 ein für alle Mal zu präsentieren, obwohl das eigentlich für meine lesenden Freunde unnötig sein sollte. Sie wissen, was ich denke.1. Ich bin der Meinung, dass wir in der Westbank nichts zu suchen haben. Nach dem Sechstagekrieg wurde die Westbank wie auch Gaza, als Pfand für Frieden betrachtet, bis Rabbiner Levinger im Dezember 1975 in Sebastia bei Hebron, mit Tricks und Lügen die in diese Sache schwache israelische Regierung und die Armee hinters Licht führte und den Grundstein für das Siedlerwesen (oder Unwesen) legte. Heute sollen bereit 400'000 jüdische Siedler in der Westbank leben, die offizielle Zahl ist etwa 250'000.2. Ich bin der Meinung, dass der Sicherheitszaun eine Notwendigkeit ist, der statistisch bewiesen eine Menge israelischer Leben gerettet hat. Seit er besteht sind Terrorattentate ganz selten geworden. So lange bis nicht ein verlässlicher Frieden mit Israels Nachbarn besteht, wird dieser Zaun bestehen bleiben. Dass er nicht auf der Grünen Linie geführt wurde, ist ein Schönheitsfehler, der korrigiert werden muss und zum Teil schon korrigiert worden ist. Der Verlauf des Zaunes ist jedoch weit weniger wichtig, wie das Retten menschlichen Lebens vor palästinensischem Terror.3. Ich bin der Meinung, dass die meisten, wenn nicht sogar alle Strassensperren in der Westbank heute überflüssig sind. Es gibt genügend unbewachte Strassen und Wege für Fahrzeuge und Fussgänger, die Palästinensern ermöglichen, ihr Ziel unkontrolliert zu erreichen. Alle Betroffenen wissen das, sie werden und wurden von der Presse fotografiert. Deshalb sind diese Strassensperren heute nichts anderes als ein bewusstes Schikanieren palästinensischer Zivilisten. Je nach Charakter oder ideologischer Überzeugung der einzelnen Offiziere und Soldaten, kann das gemäss Vorschrift geschehen oder Einzelne lassen ihren lädierten Charakter walten. Wir wissen, dass seit sehr langer Zeit in der Westbank keine Terroristen in Strassensperren erwischt worden sind. Die Tatsache, dass es noch immer zu langen Schlangen vor diesen Kontrollposten kommt, hat mit der politischen Lethargie der palästinensischen Bevölkerung zu tun, die auch bei vielen israelischen Arabern im politischen Leben zu beobachten ist. Israels Armee kann froh sein, dass es in der palästinensischen und arabischen Welt keinen Gandhi gibt, der die Menschen überredet, Konflikte prinzipiell gewaltlos zu lösen. Man stelle sich vor, wie einige hundert palästinensische Zivilisten als Gruppe singend auf eine Strassensperre zugehen würden, mit dem Ziel diese ohne Gewalt und friedlich zu durchqueren. Würden israelische Soldaten auf Kinder, Frauen und andere Zivilisten schiessen? Ich bin überzeugt, dass sie es nicht tun könnten, nicht tun würden. Ich wäre froh, mich hier zu irren, aber Gandhis gibt es in der arabischen Gesellschaft nicht, einer Gesellschaft in der nur Lethargie oder extreme Gewaltbereitschaft die Norm sind.4. Israels gegenwärtige Regierung ist, obwohl es einige gute Leute darunter hat, als Gesamtes gesehen eine völlige Katastrophe. Olmert und Peretz hätten nach dem Misserfolg des zweiten Libanonkrieges sofort zurücktreten müssen, doch fehlt ihnen dazu das demokratische Verständnis und der Sinn für persönliche Verantwortung. Der iranischen Bedrohung der arabischen Welt (dazu gehören wir wenigsten gemäss klar verkündeten iranischen Absichten) haben wir zu verdanken, dass arabische Regierungen einzulenken scheinen und Israel Friedensverhandlungen anbieten. Ein ungeheurer Wandel seit den drei Neins von Khartum vor vierzig Jahren, mit seinen „keine Anerkennung, keine Verhandlungen, keinen Frieden“ mit Israel. Obwohl Olmert nach einem Kick in den Hintern aus den USA und Europa, äusserst zögerlich und mit Ausflüchten und Vorbedingungen reagiert. Ich denke, dass noch nie seit Staatsgründung, Israel so nahe war, mit der arabischen Welt ins Gespräch über Frieden, Normalisierung und schlussendlich gemeinsamer Stellung gegenüber der iranischen Bedrohung zu kommen. Es scheint, dass das für Israel abschreckende Thema der Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge kein Stolperstein zu sein braucht, denn vor kurzem ist eine saudische Stellungnahme, ganz im Sinne Israels, durch Memri der nichtarabischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, in dem die bisherige Sicht der ausschliesslichen Schuld Israels an diesem Drama mehr als nur relativiert wird. Da es in der arabischen Welt keine eigentliche Pressefreiheit gibt, bin ich überzeugt, dass dieser Artikel mit behördlicher Bewilligung und Unterstützung publiziert worden ist. Auch deshalb ist zu hoffen, dass unser famoser Premierminister, die ausgestreckte arabische Hand ergreift und ohne Vorbedingungen zu Gesprächen bereit sein wird. Sesselkleben und Angst haben machen keinen Staatsmann. Durch eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Verhandlungsangebot der Araber, unter Führung Saudi Arabiens und ernsthaften Gesprächen könnte, entgegen bisherigen Erwartungen, aus Olmert vielleicht doch noch ein richtiger Premierminister werden.Meine Diskussion, am Anfang dieses Tagebucheintrages erwähnt, findet mit einem Freund statt, der sich auf einzelne nicht immer schöne Phänomene der israelischen Politik in den besetzten Gebieten konzentriert und darüber die Sicht fürs Ganze und die Sicht auf die Hintergründe israelischen Tuns verloren hat. Das sind die Strassensperren und der Sicherheitszaun, der Israel vor Terroristen schützt. Die Damen der „Machsom Watch“, die täglich an den Strassensperren das Geschehen beobachten, berichten und manchmal sogar helfend eingreifen, tun das nicht nur aus humanitären Gründen, sondern weil sie gegen die Besetzung der Westbank und gegen das Beherrschen eines anderen Volkes durch Israel sind. Dafür verdienen sie viel Respekt. Aber auch sie wissen warum diese Strassensperren erstellt worden sind und sie wissen inzwischen auch, dass diese Strassensperren, wie ich weiter oben schrieb, zum grössten Teil Ihrer Aufgabe entwachsen sind. Viele wissen es, nur die israelische Regierung hat das noch nicht begriffen. Ganz allgemein befremdet mich zu sehen, wie sich Aussenstehende auf irgendeinen Schwachpunkt Israels stürzen und versteifen, als ob er sämtliche und zum grössten Teil beträchtliche Leistungen des Staates Israel repräsentieren würde.

Dienstag, 5. August 2008

Wahrnehmung?

4.8.2008

Die arabische Welt sollte mit ihrem öffentlichen und offiziellen Judenhass der westlichen Welt und den Paragonen des Antirassismus und der Menschenrechte genau so ins Auge stechen, wie es in den Dreissiger und Vierziger Jahren die Naziideologie, die in ihrer damaligen Form als Vorbild ihrer heutigen Vertreter, dem politischen Islam, gesehen und benutzt wird, hätte tun sollen. Arabischer Antisemitismus der heutigen Tage führt nahtlos in Stil und Aussage die Naziideologie fort, als deren Erbe sich die islamische Welt betrachtet. Zwar gibt es wenige, im Westen lebende Muslime und Araber, die sich dagegen aussprechen und sich schämen, doch Führer arabischer Staaten und Terrorfunktionäre sprechen in bewährter Manier in Englisch und anderen westlichen Sprachen das schiere Gegenteile dessen aus, was in arabischer Sprache in der arabischen Presse, in den Moscheen, in den Schulen und in den Parlamenten in Judenhass gesagt und gelehrt wird. In der Hamas Charta (http://usahm.info/Dokumente/Hamasdeu.htm) sind die Ziele der Hamas klar und deutlich beschrieben, so klar wie damals in Hitlers Bestseller „Mein Kampf“. . Mühelos ist es heute möglich solches und anderes im Original oder in Übersetzung zu lesen und zu sehen – Memri macht’s möglich. Es lohnt sich in diesem Website etwas zu wühlen.
Ein hervorragend recherchiertes und auch vom Laien relativ einfach zu lesendes Buch zum Thema ist „Djihad und Judenhass“ von Matthias Küntzel (ça ira-Verlag, Freiburg, 2003) Auf 184 Seiten inklusive Anmerkungen und Index legt Küntzel den Hintergrund, beginnend mit Hassan Al-Banna, dem Begründer der Muslimbrüderschaft, der Mitte der 1920er Jahre diese erste jihadistische Bewegung begründete, die schon damals einen extrem reaktionären Islam entwickelte, der in der bisher extremsten Form von den Taliban in Afghanistan ausgelebt wird. Al-Banna gründete eine populistische Bewegung, die vieles, was von totalitären Gruppen der modernen Zeit, wie die Nazis, der osteuropäische Kommunismus Lenins, Stalins und Mao Zedongs früherer Zeit betrieben wurde und heute von der Hisbollah, Hamas, Castros Kuba und Chavez’ Venezuela und anderen betrieben wird, ablehnte, aber, so sehe ich es, in einer religiös statt ideologisch verbrämter Form weiterführt. Darin wird das Volk arm gehalten, aber mit dem Notwendigsten wie Kindergärten, Kliniken, Schulen, Lebensmitteln am Leben gehalten und damit von diesen Organisationen oder dem von diesen vertretenen Staat in eine Abhängigkeit getrieben, von der sich die Meisten nicht befreien könne oder wollen.

Im Jihadismus von Al-Banna sind die Dogmen der Rechtlosigkeit und Unterwerfung der Frau, die Ablehnung der Demokratie und die Staatsführung gemäss Sharia, dem islamischen Recht, die rabiate Ablehnung alles westlichen, als sinnlich gesehenen zu finden. Küntzel beschreibt das so: „………… ist doch zumindest zu konstatieren, dass die Muslimbrüder ihre eigenen libidinösen Wünsche und Träume auf die Welt der Ungläubigen projizieren. Projektion ist eine Abwehr, in der das Subjekt dem anderen Gefühle und Wünsche, die es ablehnt oder in sich verleugnet, unterstellt. Folgerichtig musste sich die Aggression, mit der die Muslimbrüder die eigenen sinnlichen Bedürfnisse verleugneten, als Hass gegen „westliche Dekadenz“ und „jüdische Sittenlosigkeit“ austoben, bestand doch die einzig erlaubte Annäherung and das verbotene Begehren und das begehrte Verbotene darin, es zu zerstören.“ (Seite 20). Ähnliches ist uns aus extrem religiösen christlichen und jüdischen Kreisen auch bekannt, doch nicht in diesem, in diesem masslosen psychotischen Hass, der alles nicht in sein Schema passende tötet.

Al-Bannas Jihadismus als Reaktion auf den Versuch der ägyptischen Frauen, sich 1923 als gleichberechtigte Menschen der Gesellschaft durchzusetzen (mindestens zum Teil beeinflusst durch die säkulare Revolution im selben Jahr, der bis anhin muslimischen Türkei durch Mustafa Kemal, der sagte: „Nichts in unserer Religion verlangt, dass Frauen den Männern unterlegen sein müssten“, rechtliche Gleichstellung verordnete und als erster den Schleier verbot) (S. 21). Obwohl 1928 gegründet, erreichte die Mitgliederzahl der Muslimbrüder Ägyptens erst 1948 500'000 Mitglieder, wurden dann aber vom „sozialistischen“ Gamal Nasser aufgelöst und heute von Mubarak unterdrückt – doch heute sind sie die mächtigste Gruppierung der Palästinenser (Hamas) und im Libanon (Hisbollah, wenn auch als Schiiten) und gefährliche Störfaktoren in Algerien, Pakistan und Afghanistan, sowie mindestens ideologisch in Saudiarabien vertreten. Al-Banna wurde im Februar 1949, erst 43 Jahre alt und auf dem Höhepunkt seines Einflusses, ermordet.

Die Muslimbrüder lehnten anfänglich den Rassismus der Nationalsozialisten ab, doch heute wird in der arabisch-muslimischen Welt ein Antisemitismus praktiziert, der sich, man sehe sich die antijüdischen Zeichnungen in der Presse an, man lese die extremen judenhassenden Texte in Schulen und Medien, höre sich auch Aussagen von Funktionären politischer Parteien und Berufsverbänden an –nahtlos an den „Stürmer“, der Parteipostille der Nationalsozialisten an, als dessen Erben sich der heutige Jihadimus sieht.. Diese These wird geschichtlich durch die Kollaboration des palästinensischen Muftis Hadj Amin Al-Husseini von Jerusalem in den Kriegsjahren belegt, als er für Nazideutschland eine Muslimdivision aufstellte und bei Hitler ein meist gern gesehener Gast war.
Vier von den Muslimbrüdern als Neuerungen deklarierte Auslegungen des Korans, möchte ich hier nennen:

1. Der kulturelle Kampf gegen sinnlichen und „materialistischen“ Westen, gegen westliche Dekadenz und jüdische Sittenlosigkeit.
2. Die Wiederherstellung patriarchalischer Dominanz und die Abkehr von erreichten Frauenrechten.
3. Nicht nur der formalisierte Judenhass, sondern auch der eine grosse Vorteil, den Jihadisten heute mehr denn je ausspielen, ist die Todeskultur, gegen die die freie Welt noch kein Mittel gefunden hat. Al-Banna schrieb dazu in 1938 das Buch „Die Todesindustrie“. Unter dem Titel „Kunst des Todes“ schrieb er in einem Leitartikel über die „Todesindustrie“, nämlich darüber wie man edel stirbt. Was wir heute in unserer Region und anderen Teilen der Welt täglich am Fernsehen mitverfolgen, fand in den 40er Jahren schon in Kairo statt.
4. Den Jihad (Anstrengung) für materielle und soziale Ziele lehnte die Brüderschaft schon damals als Verstoss gegen den Koran ab. Jihad sei der Kampf gegen das absolut Böse und das seien die Juden.

Die ideologische Grundlage dieses von Al-Banna ideologisch verfeinerten Jihadismus wurde in den Schriften des Sayyed Qutb unterstützt, dessen überbordender Judenhass den heutigen jihadistischen Judenhass gewaltig beeinflusst. Qutb wurde 1966 wegen seinen Schriften als Aufrührer in Kairo gehängt.

Ich empfehle Matthias Küntzels Buch, das in klarer Sprache darlegt, wie der islamische Judenhass nicht durch soziale Ursachen und Hintergründe ausgelöst worden ist. Die wohlmeinenden Gutmenschen des Westens der heutigen Tage, die so inniglich an dieser Mär hängen und ausschliesslich daran die Hintergründe von terroristische Massenmorde, Terroraktivitäten, Frauenunterdrückung und Hass der Moderne und anderem durch arabische und islamische Gruppierungen verschiedener Couleur sehen, wird der Spiegel ihrer Dummheit vorgehalten. Ob das bei ideologisch so sehr festgenagelten Kreisen etwas hilft, das darf bezweifelt werden.