Donnerstag, 31. Dezember 2009

Reziprozität?

Dieses tolle und jedem geläufige Wort heisst auf Deutsch „Gegenseitigkeit“ oder wie es im Glossar des Aussenhandels der EU steht: „gegenseitige Einräumung einander genau entsprechender Zugeständnisse (sog. direkte oder sektorale Gegenseitigkeit)“. Ins Verständliche übersetzt könnte man sagen: „Tust du mir einen Gefallen, so tue ich dir einen Gefallen“ oder vielleicht das bekanntere geflügelte Wort „Haust du meinen Juden, so hau ich deinen Juden“. Womit wir nun beim Thema sind.

Es hat auch mit Ausgewogenheit, der Israel immer wieder vorgeworfenen fehlenden „Unverhältnismässigkeit“ zu tun, wie als Bannerträger und Musterbeispiel dieser grotesken Sicht, Frau Bundesrätin Michelle Calmy-Rey, es wiederholt zum besten gegeben hat und es wohl auch weiterhin zum besten geben wird.

Es hat auch mit Geben und Nehmen zu tun. Chronologisch völlig ungeordnet hier einige Beispiele israelisch-palästinensisch/arabischer Reziprozität:

Israel zog sich vor dreieinhalb Jahren aus dem Gazastreifen zurück. Es wollte nichts von den dortigen Gazanern, ausser von diesen in Frieden gelassen werden. Das war die einzige erwartete Gegenleistung. Der Abzug wurde zum Test palästinensischer Reaktion auf Vertrauen bildende israelische Massnahmen. So dachten ich, Arik Sharon und die Mehrheit der Israelis. Gaza erhielt Milliarden von Euros und Dollars, die es statt in seine wirtschaftliche Entwicklung und Selbständigkeit, in Waffen, Kriegsanlagen und, so ist anzunehmen, in Schweizer Bankkonten investierte. Die Reziprozität wurde von den Gazanern der Hamas treulich wahrgenommen, sie feuerten Raketen nach Israel, Juden und auch Araber wurden dort getötet und verletzt, Sachschäden in Millionenhöhen wurden verursacht. Israel reagierte mit einer effektvollen Verteidigungsaktion (von guten Menschen „unverhältnismässig“ genannt) – die Reziprozität blieb gewahrt, allerdings nicht im Sinne des Erfinders. Immerhin ist die Zahl gazanischer Terroranschläge und Raketen drastisch zurückgegangen.

Vor einigen Monaten hob Israel fast sämtliche Strassensperren innerhalb der Westbank auf. Ohne die geringste Reziprozität der palästinensischen Westbänkler. Deren wirtschaftliche Wachstumsrate stehe nun auf 10% - so gut hatten sie es nur vor der Ankunft Arafats in Palästina in 1994, bevor dieser sein Reich der Korruption und der Diebe - genannt PA (Palestinian Authority) - in den besetzten Gebieten errichtete. Was war die bisherige Reziprozität von palästinensischer Seite? Weiterhin sich Verhandlungen zu verweigern und die Ermordung eines Rabbiners, dessen Sohn an dessen Beerdigung öffentlich sagte, dass er sich unter keinen Umständen für diesen Mord rächen wolle.

Im Jahre 2000 zog der damalige Ministerpräsident Ehud Barak Israels Truppen aus dem Südlibanon zurück. Was gab’s als Reziprozität? Raketen, Raketen und nochmals Raketen, die im Zweiten Libanonkrieg endeten. Zwar wurde Israel nicht der grosse Sieger, aber Katjuschas und andere Raketen und weitere fliegende Bomben werden seither nicht mehr nach Israel geschossen. Die Reziprozität effektvoller israelischer Selbstverteidigung scheint das Schweigen palästinensischer Raketen zu sein. Das ist wenig, aber wenigsten etwas.

Die Mutter aller palästinensischer Reziprozität: In den Camp David Gesprächen mit Präsident Clinton und Ehud Barak wurde den Palästinensern praktisch die gesamte Westbank, Ostjerusalem und Gaza angetragen. Ehud Olmert wiederholte ein ähnliches Angebot vor einem Jahr – als einzige Reziprozität wurde ein Friedensvertrag und normales nachbarliches Zusammenleben erwartet. Gur nischt! – es gab nicht einmal einen Gegenvorschlag; weder Arafat noch Abu Mazen brachten und bringen es über sich, mit Israel Frieden zu schliessen, weil dies schlicht dessen Anerkennung beinhalten würde. Auflösung der jüdischen Siedlung hat damit nicht das Geringste zu tun, denn weder diese noch der Staat der Juden an sich, darf toleriert werden – er muss weg. Lieber will man für die nächsten Jahrzehnte weiterhin über einen möglichen Frieden Marathongespräche halten (zurzeit nicht einmal das), als diese mit einem für alle akzeptierbaren Ergebnis zu beenden. Friedensgespräche sind zu reinem Selbstzweck degeneriert, ein erfolgreicher Abschluss ist von palästinensischer Seite nicht erwünscht. Reziprozität ist vom Tisch verschwunden, nehmen nicht geben ist die Devise und wird es noch lange bleiben. Eine Politik der Reziprozität kommt für die Palästinenser nicht in Frage.

Ein wenig Reziprozität wäre auch im Zusammenleben mit unseren arabischen Mitbürgern vonnöten. Ohne Zweifel werden diese in einigem als Bürger benachteiligt. Zwar sind ihnen alle Bildungsmöglichkeiten des Landes offen, in einigen Universitäten bilden sie fast die Hälfte aller Studierenden (Haifa 40%). Doch nicht alle wollen Ärzte, Lehrer oder Volkswirtschaftler werden, denn als Ingenieure und in anderen technischen Berufen finden sie in Israel kaum Arbeit. Die hauptsächliche und fragwürdige Begründung dafür ist stets das sogenannte „Sicherheitsrisiko“. Das verbittert unsere Araber und ist Teil ihrer Begründung zur staatsbürgerlichen Selbstverweigerung. Sie werden von vielen fast ausschliesslich als überzeugte Konsumenten der Bürgerrechte aber nicht Bürgerpflichten wahrgenommen. Die Nachfrage für Bürgerpflichten ist weniger intensiv und, vielen Aussenstehenden ist das nicht klar, ein kulturelles Problem. Dazu kommt die immense Angst jener israelischer Araber, die in arabischen Städten wohnen, denen verschiedentlich von extremistischen Politikern (z.B. Lieberman) angedroht worden ist, sie samt Wohnort ins zukünftige Palästina abzuschieben. Diese Panik demonstriert die schizophrene Situation, in die sie sich selbst gebracht haben: volle Bürger Israels zu sein oder Bürger auf Bewährung, hin und hergerissen in ihrer Loyalität zwischen der archaischen arabischen Welt und dem modernen, westlichen Staat Israel, dessen Bürger sie sind. Es ist zum Teil unfair und zu verallgemeinert, aber die Tatsache ist, dass sich vor allem muslimische Araber vor israelischen Bürgerpflichten drücken – sich dem Zivildienst und der Armee verweigern und, wie es heisst, es mit Steuern zahlen nicht sehr genau nehmen (als ob nichtarabische Israelis anders tun würden). Etwas Einsatz für den Staat, der schliesslich auch für sie mit seinen umfassenden Sozialleistungen die Existenzgrundlage sichert und sie, im Vergleich mit allen arabischen und muslimischen Staaten, sehr verwöhnt, wäre gerne gesehen. Viele jüdische Politiker Israels leisten für arabische Bürger unvergleichlich mehr, als deren eigene Politiker, vor allem jene im Parlament (Knesset), die hauptsächlich antiisraelische Aussenpolitik betreiben (Ausnahmen wie MK Ahmed Tibi, der fortschrittliche Sozialpolitik mit fragwürdiger Aussen- und Sicherheitspolitik verbindet, bestätigen die Regel). Ein wenig Reziprozität für die Leistungen unseres Staates für seine arabischen Bürger, von Seiten eben dieser diese Leistungen konsumierende Bürger, wäre schön und würde ihre allgemeine Akzeptanz als vollwertige israelische Bürger fördern. Es braucht nicht die Armee zu sein, sie könnten stattdessen einen zweijährigen nationalen Dienst sogar in ihrer eigenen Gemeinschaft erbringen – auch das wäre ein freiwilliger Bürgerdienst für den Staat, wie ihn neben Juden auch Drusen, Beduinen, Tscherkessen leisten und der in unserer Gesellschaft akzeptiert ist. Zudem haben Jugendliche, welche einen solchen Dienst leisten, zusätzliche Rechte auf Hypotheken, Bildung und anderem, die Bürgern, die keinerlei nationalen Dienst leisten, vorenthalten werden.

In meinen Augen unvergleichlich schlimmer als unsere arabische Minderheit, die ehrlich arbeitet und zum nationalen GNP beiträgt, ist eine andere, weit schneller wachsende jüdische Minderheit: Die Haredim und Hassidim der Ultraorthodoxie im Land. Sie entziehen dem Land nicht nur jährlich rund 40'000 jüdische wehrdienstfähige Männer (die von ihren Rabbinern abgelehnten Soldaten des Nahal Haredi Battalions sind eine Ausnahmeerscheinung), sondern frönen mehrheitlich der Ablehnung jeglicher Arbeit, mit der sie sich und ihre Familie ehrlich ernähren könnten. Mit ihrem biblisch motivierten Sexdrive produzieren sie Kinder in Rekordmengen, ihre Geburtenrate ist doppelt so hoch, wie die der muslimischen Bevölkerung Israels, die mit wachsendem Wohlstand abnimmt. Das lassen sie sich vom Staat mit den Steuergeldern der arbeitenden Bevölkerung bezahlen. Diesen einmaligen Status besitzen ultraorthodoxe Juden ausschliesslich in Israel, in den USA und in Europa ernähren sie sich aus eigener Arbeit – dort gibt es keinen Staat, der diese korrupte Lebensart unterstützen würde. Nicht nur lehnt die Mehrheit (besonders die aschkenasische) den Staat der Juden aus religiösen Gründen ab, sie werden dafür vom Staat auch noch honoriert. Es ist diese Bevölkerungsgruppe, die zusammen mit extremistischen Siedlerideologen, die wirkliche Gefahr für das Überleben Israels darstellen. Das ist ihre Art von Reziprozität für eine Nation, die ihren parasitären Lebensstil unterstützt.

Montag, 21. Dezember 2009

24 Stunden

Zum Schutze eines Freundes schloss ich meinen Blog für 24 Stunden. Ich musste eine Anzahl Tagebucheinträge überarbeiten und drei davon entfernen – etwas, das mir sehr widerstrebt, doch ein paranoider „Schweizer“ palästinensischer Herkunft wurde zur Bedrohung. Das Leben meiner Freunde ist mehr wert, als ein paar geschriebene Worte. Hintergrund des Ganzen war bestimmt das Resultat der Schweizer Minarett-Abstimmung, das die gar nicht so latente, sondern offene und für alle zu bemerkende islamistische Paranoia verstärkte, sodass sie problemlos nach Israel überschwappte und mich und meinen Freund mit ihrer Gülle von Lügen, Hass und Drohungen begoss, obwohl ich aus meiner demokratischen Einstellung gegen dieses Minarettverbot stimmte – und verlor.

Ich selbst wurde als Hasser des Islams bezeichnet. Erst einmal stimmt das nicht, ich habe es schwer mit dem Hass. Für mich ist Hass etwas persönliches, ich bringe es nicht fertig pauschal zu hassen. das Ziel muss spezifisch sein, eine direkte ideologisch/religiös untermauerte Bedrohung, die man umschreiben und erkennen kann und nicht auf Vorurteilen beruht. Unsere eigenen jüdischen Rechtsextremisten und Grossisraelaktivisten könnten mich Judenhasser benennen, weil ich sie in ihrer genauestens umschrieben Ideologie (Religion) und Gewalttätigkeit ebenso ablehne wie die Gewalttätigkeit der Jihadisten. Beide unterscheiden sich wenig, jeder hasst den Anderen und vergessen dabei, ihr eigenes Los und das ihrer Mitmenschen zu verbessern. Denn Hass, ob islamistisch oder extrem jüdisch-nationalistisch kennt nur die Gewalt des Augenblicks – die Zukunft, besonders die Zukunft ihrer Kinder und Generationen danach, lässt sie kalt. Fair wie ich bin, „hetze“ ich gegen fundamentalistische Strömungen beider Religionen. Im vorliegenden Fall wurde ich von islamischen Hassern angegriffen und mein Freund bedroht. Der Nahe Osten und seine Mentalität macht sich, wie dieses kleine Vorkommnis zeigt, in der Schweiz und bestimmt im Rest Europas breit – die Schweizer scheinen es als Erste gemerkt zu haben. Nur über die Mittel dagegen kann man sich streiten, über das Bestehen des Phänomens jedoch nicht.

Aber trotzdem – für 24 Stunden war mein Blog nicht verfügbar und schon erhielt ich Emails von Lesern mit Entzugserscheinungen. Das tat gut! Es zeigt mir auch, dass ich mit meinen Einträgen auf dem richtigen Weg bin. Die bearbeiteten und die drei entfernten Tagebucheinträge bewahre ich in ihrer Originalfassung auf – als Evidenz.

Montag, 14. Dezember 2009

Jüdische Hasser

„Ich hasse alle Araber!“, „Ich will keine Araber kennenlernen, die interessieren mich nicht“, „Kahane hatte recht!“, „Araber haben kein Recht in unserem Land zu leben!“, „Die Goyim (Nichtjuden) sind alle Antisemiten“, „Ich hasse diesen Neger Obama!“, „Obama’s Frau ist noch schlimmer als er!“, „Wir unterstützen Feiglin (Rechtsextremist im Likud, Hoffnungsträger der Unbelehrbaren)“ und ähnliche Aussagen dieser Art höre ich sogar von Freunden und Bekannten, wenn immer wir uns treffen. „Du bist ein Verräter am jüdischen Volk, weil du dich für die arabische Galerie in Umm El-Fahm einsetzt“, wurde mir auch schon bekanntgegeben. Was von Rabbinern der besetzten Gebiete, ihren Anhängern, viele davon gehören der sogenannten „Hügeljugend“ an, gesagt wird, ist noch schlimmer, es ist reinster Faschismus. Es ist ein Spiegelbild des Antisemitismus, es werden Gründe vorgebracht, die entkräftet werden können, die von völliger Ignoranz und fundamentalistischem Verständnis jüdischer und arabischer Geschichte zeugen. Zudem hat diese Verweigerung sich der Realität zu stellen, mit der Sicherheit unseres Staates nicht das Geringste zu tun, sie beruht auf einem ideologischen Rassismus eines Rabbi Kahane oder sogar eines Yair Stern, der als Führer des Stern-Gangs, soweit ging, die Unterstützung Nazi-Deutschlands gegen England zu suchen (wurde abgelehnt), da er, pathologisch fanatisiert wie er war, England als wirklichen Feind der Juden sah.

Die Feindschaft der arabischen und vor allem der muslimischen Welt gegen uns Juden ist die heutige Realität. Sie will uns nicht in unserer alten Heimat, genau so, wie Europa uns vor siebzig Jahren nicht wollte und alles daran setzte, uns los zu werden. Doch daraus den blinden und primitiven Hass abzuleiten, der alles umfasst, das nicht so ist wie wir uns selbst sehen wollen, bringt uns in die Tiefen des jihadistischen Judenhasses, auf den sich inzwischen auch schon Teile der Linken und Grünen Europas und der Nordamerikas abonniert haben – darunter peinlicherweise auch einige Juden. Dieser Hass ist unjüdisch, es muss ihm entgegengetreten werden. Nicht weil wir auf einmal unsere Feinde lieben, sondern um unserer Selbstachtung und unserer Humanität als Juden willen.

Gelegentlich werde ich daran erinnert, dass Israel das Einwanderungsland per se ist, seine entsprechende Gesetzgebung, zwar heute wegen der Bevorzugung von Juden umstritten, eben weil sie darauf angelegt ist, Juden ins Land zu holen und, wo notwendig, zu retten. Früher waren es vor allem sozialistische Zionisten, die Pionierarbeit leisteten, Sümpfe trocken legten, die Malaria ausrotteten, eine florierende Wirtschaft und Hochschulzentren aufbauten, die im Laufe der Zeit auch Araber ausserhalb Palästinas anzogen, die hier ein Auskommen fanden und, am wichtigsten, in der vorstaatlichen Phase Israels damit die organisatorische Infrastruktur zum späteren Staat schaffte und diesen damit überhaupt erst ermöglichte.

Eine der zahlreichen negativen Folgen des Sechstagekrieges in 1967 war die Besiedelung der Westbank durch religiös und ideologisch indoktrinierte Israelis – auch wenn es Westbanksiedler gibt, die ausschliesslich wegen dem billigen Wohnraum dort wohnen. Jetzt sitzt unser Staat deswegen in der Falle, denn spätestens nach dem völligen Abzug aus Gaza wurde es auch den blauäugigsten Israelis und Juden klar, dass man zur Zeit nicht ohne negative Folgen die besetzten Gebiete verlassen kann, obwohl es jedem, ausser den extremsten Siedlern, ebenso klar ist, dass auf die Dauer Israel nicht über ein fremdes Volk herrschen darf. Diese Situation und die politische Konstellation in Regierung und Parlament ziehen jüdische Extremisten aus dem Ausland an, ganz besonders aus den USA. Dr. med. Baruch Goldstein aus Brooklyn NY, von nicht wenigen jüdischen Fanatikern bis heute als „Heiliger“ und Massenmörder von Hebron verehrter Arzt aus Kiriat Ata (29 Opfer) und neuerdings einen Jack Teitel aus Florida, der inzwischen zwei Menschen umgebracht (weitere Opfer sind in Abklärung) und einige verletzt hat, alles im Dienste Gottes natürlich, gehören dazu. Ebenso ist kein kleiner Teil der sogenannten Hügeljugend aus Amerika, fanatisiert von durchgeknallten Rabbinern, denen aus Regierungskreisen wenig oder gar nicht widersprochen wird. Damit will ich jüdische Arabermörder und Terroristen nicht amerikanischen Ursprungs nicht unter den Teppich wischen, die es durchaus gab und gibt, allerdings im Unterschied zum palästinensischen Terror, nicht als Vertreter staatlicher Ideologien und antisemitischer Erziehung in der Schule.

Viele dieser amerikanischen Importe sprechen kein Wort Hebräisch, sie tun auch kaum etwas um die Sprache zu lernen. Sie kamen nach Israel um zu hassen und bringen dazu die schlechten Eigenschaften Amerikas hierher. Dessen gute Eigenschaften habe sie dort gelassen. Hier gehören sie als Juden zur Mehrheit im Lande. Juden bilden in ihrem eigenen Staat naturgemäss die Majorität, nach zweitausend Jahren erstmals wieder. In den Ländern der Diaspora sind Juden eine der Minderheiten, müssen sich anpassen, integrieren und leiden gelegentlich unter Xenophobie und Judenhass der „Eingeborenen“. In Israel ist das gerade umgekehrt – hier sind wir die Mehrheit und müssen uns nicht mehr unterdrücken, beschimpfen oder gar verfolgen lassen - das ist Zweck und Ziel des jüdischen Staates. Aber, und hier liegt der Hase im Pfeffer, hier im eigenen Land haben wir die Gelegenheit, das zu tun, was man bisher uns angetan hat. Jetzt dürfen wir andere unterdrücken, beschimpfen und verfolgen und, wie vor wenigen Tagen, eine Moschee anzünden. Zwar war solches noch nie die erklärte Politik der Regierung – nun, sagen wir mal im Grossen und Ganzen – doch für charakterschwache Gemüter besteht damit die gefährliche Chance. diese Möglichkeit nutzen und sich auf das niedrige, ja barbarische Niveau und die fehlende Menschlichkeit unserer Feinde im Laufe der letzten zweitausend Jahre jüdischer Geschichte zu begeben. Es liegt an unserer Regierung rassistische Hetze von jüdischer Seite nicht weniger als die von arabischer Seite strafrechtlich zu verfolgen.

Keiner soll mir damit kommen, es gehe hier um Verteidigungsmassnahmen. Selbstverteidigung ist die dafür klassische Ausrede. Die Feindschaft der arabischen Welt gegen uns Juden allgemein und Israel im besonderen, besteht durchaus und ist extrem. Sie hat dazu die westliche Welt zur Geisel genommen, nicht nur mit der Waffe des Erdöls, sondern durch Verbündete in dieser Welt selbst.

Doch mit der Motivation psychotischer jüdischer Araberhasser hat das wenig zu tun. Wenigstens mir fallen diese verbal und physisch gewalttätigen Hasser, ob aus Amerika oder selbst in Israel „gezüchtet“, unangenehm auf. Sehr oft kennen sie den jüdischen Staat überhaupt nicht an, er ist ihnen nicht „biblisch“ genug. Damit zerstören sie den humanistischen Geist des zionistischen Projektes und ziehen es herab in Bereiche von Rassismus und Ignoranz faschistoider Zeiten, in denen es doch so leicht fiel, sich manipulieren zu lassen. Ein weltweites Phänomen zwar, aber ich akzeptiere es in Israel so wenig wie in der Schweiz oder anderen Ecken der Welt.

Dienstag, 8. Dezember 2009

Unpolitische Erinnerungen von Uri, dem Säulizüchter

Zion war mein Arbeitskollege. Er wohnte in Yokne’am und war ein Pendler, der täglich um vier Uhr früh zu Fuss in unseren Kibbuz Hazorea zur Arbeit kam. Zion war Analphabet, denn dort von wo er herkam, dem irakischen Kurdistan, gab es damals die nötigen Schulen nicht. Zion war offen, ein Schnelldenker, aber mit Muskeln, der unseren Laden führte, obwohl er eigentlich ein Oved Chuz, ein angeheuerter auswärtiger Arbeiter war. Vor fünfzig Jahren waren solche Leute dafür da, Arbeiten zu verrichten, die ein ordentlicher Kibbuznik nicht gerne verrichtete oder ideologisch vertretbar fand. Wir waren zu Dritt: Lutz, der Jekke, der sehr schlecht Hebräisch sprach und der Chef war, da war Zion und da war ich.

Gerne denke ich an diesen Betrieb zurück – der auf einen abseits liegenden Hügel liegenden Schweinezucht im Kibbuz Hazorea.

Ich war dabei, bis die Knesset in der ersten Hälfte der Sechziger Jahre eines ihrer famosen Anti-Schweinezucht Gesetze erfand – der jekkische Kibbuz Hazorea fügte sich stramm dem frommen Diktat und der mit Abstand profitabelste landwirtschaftliche Betrieb Hazoreas wurde geschlossen.

Wie gesagt, wir waren zu Dritt. Lutz, der Jekke, war einer der nur zwanzig Prozent der Gründergruppe Hazoreas aus Deutschland, die keinen Doktortitel besassen. Sein Hebräisch war erheiternd, er verwechselte Wörter – er kreierte neue, z.B. aus dem Wort „Mechabei Esch“ (Feuerwehr) den neuartigen Ausdruck „Makkabi Esch“. Die Makkabäer haben sich bestimmt gefreut. Aber Schweine züchten das konnte er. Dazu war er ein jüdisches Naturtalent. Über jedes Schwein, der durchschnittlich 800 Kopf grossen Herde, wusste er bescheid. Er kannte alle, aber es machte ihm nichts aus, auch das Schwein, mit dem er am besten befreundet war, zu schlachten.

Zion, der Kurde, war ein Naturtalent. Zu Hause, so erzählte er mir, halte er koscher. Er war ein glücklicher Mensch, man merkte es bei der Arbeit, bei der er kurdische Lieder sang und seine Augen strahlten. Wie zum Beispiel, wenn wir eine brünstige Sau zum Eber brachten. Da tanzte und sang er, während sich der Eber sexuell strapazierte, um diesen und die Sau herum – es waren, wie er mir augenzwinkernd erklärte, kurdisch-jüdische Hochzeitstänze. Ich liebte es, mit ihm und Lutz in unserer kleinen Bretterbude Kaffee mit Hel zu kochen und über die Welt zu philosophieren und Geschichten zu erzählen. Lutz hörte meist nur zu, während Zion und ich uns gegenseitig auch Witze erzählten.

Ich selbst tat alles, was an Arbeit zu erledigen war. Die Schweine wurden zweimal täglich mit Wasser abgespritzt und blieben sauber, denn ebenso zweimal täglich wurde ihr Stall mit Wasser gereinigt und frisches Stroh gestreut. Ich half beim gelegentlichen Schlachten, belud die Laster der Kunden mit lebenden Tieren und fuhr manchmal mit zum Schlachthof. Zudem ging ich, als bester Schütze des Stalles, mit einem Luftgewehr auf Rattenjagd – meist erfolgreich. So hielten wir diese Nagetiere unter Kontrolle. Wir wurden auch fast täglich von Mardern und anderen Raubtieren besucht. Meine Aufgabe war es auch, dem Tierarzt beim Kastrieren und beim Besamen (künstlich!) zu helfen. Zions Kulthandlungen blieben dabei aus.

Bei einem der Schweinetransporte sprangen bei Kiriat Charoschet, auf dem Weg nach Haifa, zwei Schweine vom Laster – sie wieder einzufangen erschien mir von vornherein zwecklos. Ein anderes und fröhlicheres Highlight war ein Mutterschwein, die mit ihren acht Ferkelchen aus ihrem Gehege entkam und vom Hügel herab in den Kibbuz marschierte, in dem gerade eine Hochzeit auf dem Rasen vor dem Wilfried Museum stattfand, Mama mit den acht Kleinen gesellte sich dazu. Der entnervte Rabbiner unterbrach die Zeremonie, bis wir die Familie eingefangen und zurück „nach Hause“ auf dem Hügel verfrachtet hatten. Übrigens, zu jener Zeit waren Rabbiner im Kibbuz sehr ungern gesehen, denn wir waren marxistisch und sekulär mit Überzeugung und unterzogen uns nur aus jekkischem Gehorsam für Gesetze zähneknirschend den staatlichen Religionsgesetzen. Doch das ist eine andere Geschichte. Meist fanden Chuppot ausserhalb des Kibbuz statt, wie auch die von Lea und mir beim herzigen jemenitischen Rabbi Zacharia in Nahalal. Rabbi Zacharia wurde drei Monate später von der Schwester Mosche Dayans, der ja von Nahalal stammte, totgefahren.


Unser bester Kunde war die Metzgerei Eisen in Haifa. Heute ist Eisen ein grosser und strikt koscherer Fleischverarbeitungsbetrieb und einem oder mehreren grossen Läden. Nur Eingeweihte wissen um die treffere Vergangenheit. Ich erzählte davon unserer koscheren Freundin Dora, für die Eisen das Non-Plus-Ultra aller Metzgereien ist und sie fiel fast in Ohnmacht. Sie forschte nach und fand, dass die Metzgerei und Wursterei Eisen heute ein seit Jahrzehnten anerkannt koscherer Betrieb ist und beruhigte sich. Sorgen haben die Leute! Ein weiterer guter Kunde waren Lea und ich zusammen mit unserem Gar’in (unserer Gruppe im Kibbuz) – gelegentlich brachte ich Fleisch und Speck nach Hause und es gab grosse Gelage. Kalanit, die beste Köchin des Gar’ins kochte gelegentlich für bis zwölf Esser, Lea brachte mir bei, wie man Speck knusprig brät – etwas das sie heute bestreitet – es sei jemand anderer gewesen. Erinnerungswert sind auch meine Reisen in öffentlichen Autobussen der Egged mit einem toten Ferkel im Handgepäck, das ich ins Veterinarinstitut in Beit Dagan bei Rishon Le-Zion zu bringen hatte.

Wie gesagt, es waren schöne zwei Jahre und ich schaue gerne und immer wieder meine selbstentwickelten Fotos jener Zeit an. Heute ist von der Schweinefarm nichts mehr zu sehen. Stattdessen steht auf diesem Hügel eine Pferdezucht und Reitanlage.

Sonntag, 6. Dezember 2009

Ironisch gesagt

Damit ich’s hinter mir habe, hier mein Leserkommentar bei der NZZ online zum Thema Minarette:

Paul Russak (1. Dezember 2009, 17:28)

Die Welle öffentlicher Entschuldigungen

Obwohl ich gegen die Minarettinitiative gestimmt habe, da eine solche in einer freien Gesellschaft nichts zu suchen hat, bin ich über die furchterfüllten Reaktionen von Bundesrat, der offiziellen Schweiz und „vernünftiger“ Politiker verstimmt. Die Behauptung, das Abstimmungsresultat sei ein Resultat der Angst ungebildeter Bürger finde ich eine Frechheit und die Projektion eigener Ängste. Es wurde das Zeichen gesetzt, dass der heutige politische und durchaus beängstigende Islam in der Schweiz unerwünscht sei. Heute wird die Schweiz von ihren europäischen Nachbarländern beneidet – ihre Ja-Quoten, könnten sie darüber abstimmen, wären wesentlich höher, ist zu hören. Leider wehren sich westliche Länder kaum gegen Islamisierung (die in der Schweiz im Vergleich zu England, Holland und Deutschland mild ausfällt) und das Volk besorgt das halt selbst. Angstvolles Appeasement funktioniert gegenüber politisch-religiösem Extremismus nicht.

Ami Isseroff, ein Linker wie ich, mit arabischen Freunden und sehr eigenen Ansichten zur israelischen, arabischen und besonders palästinensischen Gesellschaft, äussert sich oft und dann gelegentlich sehr ironisch. Dieses Phänomen scheint vielen ehemaligen „Peaceniks um jeden Preis“ zu geschehen – ich gehöre dazu, bin mir dem bewusst und stehe dazu. Ami schrieb einen langen offenen Brief an die vom Terror gequälten Russen und Syrer, den ich hier, liebevoll ins Deutsche übersetzt, wiedergebe.

An unsere lieben Freunde in Russland und Syrien,

Heute haben die Kräfte der Befreiung und der Erleuchtung mit einen erfolgreichen Handstreich auf einen Bus in Damaskus gegen die Besetzung protestiert. Es gab 12 Tote. Am vergangenen Freitag, führten Kräfte des Widerstandes einen erfolgreichen Angriff auf einen Eisenbahnzug in Russland aus, ein Schlag gegen die Besetzungsarmee in Tschetschenien und gegen das russische Apartheidregime.


Wir wissen, dass diese Operationen in den regierenden Kreisen des Teheran Regimes, des Damaskus Regimes und dem Moskau Regime Angst, Schrecken und Verunsicherung ausgelöst haben, denn sie stehen hilflos den Kräften der Befreiung gegenüber. Als gesetzestreue Menschen, werdet ihr zweifellos verstehen, dass allen progressiven und erleuchteten Leuten Widerstand gegen Besetzung ein ganz speziell in der Vierten Genferkonvention und entsprechenden UNO-Beschlüssen, für die euer Land in den UNO-Gremien enthusiastisch stimmte, verankertes international garantiertes Recht ist. Damit ist das Recht jeden, den man aus jedem möglichen Grund nicht mag, in die Luft zu sprengen anerkannt. Als Unterstützer der Hisbollah Befreiungsbewegung schätzt ihr zweifellos die Gerechtigkeit und Logik dieser Begründung.

Ihr muss euch klar sein, dass die Zeiten vorbei sind, in denen Leute in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen und nachts unbesorgt schlafen konnten. Zu einem grossen Teil, dank euren Anstrengungen, sind Befreiungsbewegungen weltweit pausenlos an der Arbeit und jagen zum Wohle der Menschheit Leute in die Luft. Der syrische Nachrichtendienst, der eine herausragende Rolle im Aufbau und Schulung der palästinensischen Widerstandsbewegung innehatte – dasselbe gilt auch für die materielle Hilfe an die tapferen irakischen Widerstandkämpfer – versteht den Wert und die Wichtigkeit des Widerstandes. Niemand ist mehr mit der noblen Mission der Volksbefreiung vertraut, als Herr Putin, einem früheren Beamten der KGB, die für die damalige Sowietunion die Idee der Befreiungsbewegungen als Pioniere in Algerien, bei den Palästinensern, in Vietnam und anderswo aufbaute.
 Denkt nicht im Traum daran den Widerstandskampf zu bekämpfen. Wie ihr wisst, ist es unmöglich für einen Staat einen asymmetrischen Krieg gegen Freiheitskämpfer zu gewinnen. Denkt nicht einmal daran, diesen Krieg „Terror“ zu nennen. „Terror“ gibt es nicht. „Terror“ ist eine Erfindung reaktionärer zionistischer Neo-Konservativer.

Denkt nicht einmal daran, diese Widerstandskämpfer zu foltern. Der Folter gehört das grosse NEIN der Genfer Konvention und sie ist einfach nicht nett. Ihr müsst den Widerstandskämpfer bequem unterbringen, denn ihnen gebührt, unter der Genfer Konvention, der Respekt als Soldaten. Dort kann er oder sie warten, bis seine Gruppe einen eurer Bürger entführt und diesen, zusammen mit 20'000 anderen, in einem Austauschgeschäft wieder freigelassen. In der Zwischenzeit muss mit ihm ein Dialog geführt werden um die tieferen Gründe für den Widerstand herauszuschälen. Das ist die Meinung von Eyad Sarraj, einem Psychiater und Gazaexperten zum Thema jener Menschen, die gerne andere Menschen in die Luft jagen (darüber gibt es zahlreiche Experten in Gaza). Ihr müsst diese Leute auf den Couch eines Psychoanalytikers legen und ihre frühe Kindheit erforschen um die Gründe dafür herauszufinden, die ihn dazu führt andere Leute in die Luft zu jagen. Hatte der nette Widerstandskämpfer ein striktes Toilettentraining oder hatte er einen unnahbaren Vater? Fehlte ihnen in der Kindheit grundsätzliche Nestwärme? Versucht in den Schuhen des netten Widerstandskämpfers zu gehen und zu verstehen was es heisst, unter einer brutalen Besetzung aufzuwachsen, ohne das Recht zu haben andere Leute in kleine Stückchen zu bomben, ohne C4 oder sogar Plastiksprengstoff besitzen zu dürfen. Zeigt Empathie für diesen Widerstandkämpfer und gib ihm oder ihr zu verstehen, dass du ihren Schmerz mitfühlst.

Du musst auch einen politischen Dialog einleiten, da es für asymmetrische Konflikte nur politische Lösungen gibt. Die tschetschenischen Widerstandskämpfer werden zweifellos mit einem tschetschenischen Staat mit der Hauptstadt Grosny einverstanden sein und werden den Staat Russland akzeptieren, wenigsten für den Moment. Die Fatah al Islam, die, wie es heisst, den syrischen Autobus in die Luft sprengte, wird sich mit einem Al-Quaida Staat in Syrien und Libanon begnügen, wie auch mit der Akzeptanz des iranischen Staates, für den Moment jedenfalls und ohne ihn anzuerkennen. Welch eine wundervolle Gelegenheit!

UNO und die EU können euch helfen. Die UNO wird Richter Goldstone delegieren, um einen netten Bericht über die Kriegsverbrechen der russischen imperialistischen Kriegsverbrecher in Tschetschenien und einen anderen Bericht über die Kriegsverbrechen der Beiruter Puppenregierung der syrischen Imperialisten im Flüchtlingslager Nahr al Bared zu verfassen, in dem so viele unschuldige Zivilisten getötet worden sind. Die netten Schweden werden ein Dokument vorbereiten, in dem Damaskus als Hauptstadt der islamischen Al-Quaida Republik und ein anderes Dokument, das Grosny als Hauptstadt der tschetschenischen Republik anerkannt werden, alles nach internationaler Rechtsprechung und passender UNO-Resolution. Die UNO kann auch eine Friedenstruppe entsenden, um sicherzustellen, dass niemand den Widerstandkräften Schaden zufügt.

Sicherlich werden alle recht denkenden und progressiven Menschen verstehen, dass dies der richtige Weg ist, sich mit Widerstandbewegungen auseinanderzusetzen, die Zeit für gewalttätige Konfliktlösungen ist vorbei. Gewalt bringt nur noch mehr Gewalt hervor – ein Teufelskreis.
Nach nochmaligem Überlegen: Vielleicht wird nicht jedermann obigem einverstanden sein. Aber wir müssen heute verstehen, dass der [Massen-] Mord an Zivilisten DIE Form des „Widerstandes“ wurde, weil sie von der ehemaligen Sowietunion für ihre geopolitischen Strategie und von arabischen und muslimischen Regierungen in ihren Kampf gegen Israel von der UNO legitimiert und geschützt worden ist. Jedoch sind Plastiksprengstoffe im Unterschied zu Menschen weder rassistisch noch politisch. Sie zielen nicht nur auf Juden oder auf Menschen, die von den Russen abgelehnt werden. Plastiksprengstoffe funktionieren für jedermann und gegen jedermann. Heute, da der Geist aus der Flasche gelassen worden ist, ist es vielleicht schon zu spät, ihn wieder in die Flasche zurückzutun.

Ami Isseroff

Dienstag, 1. Dezember 2009

Illustrierte Lügen, linker Judenhass und etwas für den Gourmet

Hunger in Gaza

Mein gestriger Bilderbericht über Gaza hat einige Reaktionen erbracht, darunter eine aus der Pravda, die ich hier wiedergeben will.

Linker Antisemitismus

In der Website des Deutschlandfunk – wie ich dahin gefunden habe, ist mir schleierhaft – fand ich einen faszinierenden Artikel über den Antisemitismus der heutigen Linken, hier im Link zu lesen. Er führt das heutige Phänomen des Israelhasses auf die Psychosen Stalins und der Politik der DDR zurück. Sie wurde zur Grundlage der heutigen Ablehnung Israels und nicht einmal mehr unausgesprochen, der Juden selbst. Es begann mit Unterstellungen, wie etwa jüdische Hilfsverein „Joint“ sei im Dienst der CIA gestanden oder die extrem bösartige völlig ideologische Lüge durch die Nazis arisierte jüdische Firmen seien nur an von deutschen und ausländischen Arbeitern herausgepressten Maximalprofiten interessiert gewesen und Terrorismus wird verharmlost, Juden sind ausschliesslich Täter und Palästinenser sind ausschliesslich Opfer. Bis heute hat sich an diesen Ansichten wenig geändert, sie sind eigentlich eher noch verlogener und noch perfider geworden. Es steht einiges in diesem Artikel, vieles ist für mich neu und ich schlage ihn zur Lektüre vor. (Im offenen Link oben rechts in der Suchbox „Ressentiment“ eintippen und, falls nicht direkt zu sehen, in der erscheinenden Liste ersten Artikel öffnen).


Wirklich wichtiges

Gestern Abend waren Lea und ich eingeladen. Ins Restaurant „Charcuterie“, ein Wort, bei dem ein Schweizerherz höher schlagen sollte. Dieses höchst bemerkenswerte Etablissement befindet sich in Jaffa in einer hübschen Seitenstrasse beim Flohmarkt. In den heutigen Tagen, wenn Abende kühl sind, sitzt man dennoch mit Vorliebe an den auf der Rabbi Chanina Strasse 3 stehenden Tischen, denn für angenehme Wärme ist gesorgt. Die Menukarte ist nicht zu lang, es gibt für fast jeden Geschmack etwas, für Vegetarier und Karnivoren. Höchst beeindruckt war ich von der Tatsache, dass Vince (der Beizer), der fast den ganzen Abend mit uns sass und die Gänge steuerte und kommentierte, bemerkte, dass alles selbst herstellt sei, ob Würste, Brot, Teigwaren (inkl. Spätzli) oder Desserts (statt dem hier in Israel üblichen gefroren Massenportionen von der Stange) und sogar – da war ich sprachlos – frische Steinpilze offeriert. Wir assen Meeresfrüchte als ersten Gang, Tagliatelle mit frischen Steinpilzen und rote (Randen) Spätzli mit selbst geräucherten Forellenstücken als Hauptgang. Dazu einen spritzigen Weisswein. Die gängige Sprache in diesem Restaurant ist neben Hebräisch, Französisch und Englisch auch Schweizerdeutsch. Der Service war sehr freundlich, persönlich und für uns in Französisch.

Vince, der Beizer, kommt aus dem Greyerzerland (Gruyère) im Kanton Freiburg. Neben seinem grossen Restaurant, vorwiegend aber nicht nur, draussen auf der Chanina Strasse, betreibt er dort auch zwei Bars, eine auf der Strasse und eine ein paar Meter neben dem Restaurant. Dort hängen vom Himmel Würste und Schinken – eben all das, was wir uns in einer Charcuterie vorstellen. Vince verkauft auch Käse, vor allem italienischen, doch dieser Laden war abends geschlossen.

Lea und ich verbrachten einen sehr schönen Abend in Gesellschaft von Freunden und, eben, Vince. Vom roten Michelin geborgt denke ich, dass die Charcuterie von Vince eine Reise nach Jaffa wert ist. Sogar vom siebzig Kilometer entfernten Zichron Ya’akov.

Bevor ich’s vergesse: Koscher ist es bei Vince nicht. Und noch was für nicht Schweizerdeutsch sprechende Ausländer: ein Beizer ist der edle schweizerdeutsche Ausdruck für den Besitzer einer Beiz, einem Restaurant.

Montag, 30. November 2009

Zweimal Bemerkenswertes

Die guten Linken

Zwei Zitate:
„Dass die Überlebenden der Shoah und ihre Nachfahren alleine durch ihre Existenz an die Verbrechen der Deutschen und ihres Staates erinnern, nimmt man ihnen hierzulande übel. Zu stark ist das Bedürfnis nach Identifikation gerade mit den gesellschaftlichen Institutionen, die den Einzelnen um die Möglichkeit seiner individuellen Entfaltung betrügen. Es stimmt: Die Deutschen werden den Juden Auschwitz niemals verzeihen – es sei denn, diese würden selbst zu Nazis; dann wäre man, sozusagen, quitt. Mehr noch: Es wäre, um mit Vladimir Jankélévitch zu reden, „die Erlaubnis und sogar das Recht, ja sogar die Pflicht, im Namen der Demokratie Antisemit zu sein! (…) Und wenn die Juden selbst Nazis wären? Das wäre wunderbar. Es wäre nicht länger nötig, sie zu bedauern; sie hätten ihr Los verdient.“ Aus diesem Grund spricht der durch die Schule der Halbbildung gegangene Antisemit von Israel, wenn es ihn zur Projektion drängt.“

„…. aus demselben Grund mutiert der Bundesbürger zum Philosemiten sobald er mit einem antisemitischen Juden, einem antiisraelischen Israeli oder einem post-zionistischen Zionismuskritiker zusammentrifft. Solche Begegnungen sind wahre Glücksfälle. Sie tragen zur Rehabilitierung des Exkommunizierten bei wie die Substituierung zur Resozialisierung des Drogenabhängigen. Wie nichts anderes raffinieren sie den Antisemitismus nach Auschwitz – das haben der zitierte Jankélévitch aber auch Jean Améry sehr früh gewahrt – zum demokratischen, ehrbaren, koscheren.“
Ende Zitate.

Woher stammen diese Zitate? Aus Deutschland, aus einem Blog der Linken – in dem durch aus Erfahrung erworbenem Wissen, Analysen linker und grüner „Israelkritiker“ erstellt werden, die es in sich haben. Meinen Kommentar dazu braucht es nicht, ich möchte jedoch meinem Freund Chanan aus Basel danken, der mich darauf aufmerksam gemacht hat. Immerhin beweist dieser und ähnliche Blogs, dass im Gegensatz zur hirnlosen rassistischen Rechten, es bei politisch Linken nicht nur den automatischen Israelhass-Reflex gibt, sondern bei zahlreichen von ihnen (ich weiss nicht wie viele) stattdessen ein offener Denkprozess stattfindet.


Not in Gaza

Über die Verlogenheit der Berichterstattung über Gaza habe ich schon verschiedentlich geschrieben. Zum Thema Armut, Hunger und israelischen Menschenrechtsverletzungen kann man sich darauf verlassen, dass die gazanischen Behörden der Hamas (wie jede andere palästinensische Behörde auch) diese geschickt inszenieren und den Medien wie auch gutmeinend-naiven Besuchern vermitteln. Aber für einmal bin ich auf Fotos gestossen, die diesen Eindruck, besonders den des Hungers und der Not, widerlegen. Die Bilder sind neu, das Wissen darüber jedoch nicht. Hier sind sie, den Kommentar verkneife ich mir, heisst es doch „Ein Bild ist mehr wert als Tausend Worte“. Die brandneuen Fotos sind von„Lens, Palestine today“. Dort hat’s noch mehr davon.





Dienstag, 24. November 2009

Interessantes und Ärgerliches

Volker Weiss schreibt

Ich möchte auf einen wirklichen interessanten Artikel aus der „Jungle World“ Webseite hinweisen. Darin schreibt Volker Weiss zum Antisemitismus der extremen Linken und Grünen, der nicht einmal als Israelkritik daherkommt, sondern schlicht zu blindem naziartigen Judenhass mit linkem Akzent und Argumenten verkommen ist. Was von offenem kritischen Denken noch vorhanden ist, hat sich offensichtlich mit rechtsextremem Judenhass verwoben und wird bald nicht mehr von diesem zu unterscheiden sein, auch wenn vordergründig die zwei Gruppen, wenn immer sich die Gelegenheit bietet, gewalttätig in Worten und Hieben aufeinander los gehen.

Nichts hat sich geändert

In diesem Zusammenhang: Les extrême se touchent – europäische Extremisten beider Lager, Nazis (wieso sagt man heute Neonazis? Nazis sind Nazis, heute oder gestern) und extremistische Linke hatten sich bis in die Achtzigerjahre in Terrorlagern der PLO und anderer Organisationen dieser feinen Art „weitergebildet“. Wer erinnert sich nicht an deutsch-arabisch gemischten Terroristenkommandos bei Flugzugentführungen, um nur ein Beispiel zu nennen. Heute treten ideologisch inspirierte Israelhasser aus Europa und Amerika zum Jihadismus über, absolvieren ähnliche Trainingslager, oft sogar in ihren Heimatländern, und kämpfen gegen die Moderne, gegen westliche Zivilisation und Kultur auf Seiten islamischer Reaktionäre, die die Welt selbstlos zurück ins frühe Mittelalter zurückbomben wollen. Sie sind bei der Taliban, bei Al Kaida, bei der Hisbollah, bei den heutigen Terroristen des Irak und anderen Vertretern reaktionären Blutdursts zu finden. Die Lage Israels wird kaum je in einen Zusammenhang mit dem weltweiten Jihadismus gebracht, obwohl dieser Zusammenhang völlig auf der Hand liegt.

Wiederholungen

Beim gelegentlichen Lesen der Leserkommentare in der NZZ und im Tages-Anzeiger ( inzwischen scheint der Tagi bei „gefährlichen“ Themen in dieser Hinsicht sehr vorsichtig geworden zu sein) kommt mir das Grausen, der Blutdruck steigt und dann verstehe ich für einige Momente die Schweizer Juden nicht, nämlich warum sie ergeben den gar nicht mehr diskreten Antisemitismus, vergeblich als Israelkritik getarnt, auf sich niederprasseln lassen. Immer die gleichen wenigen Juden wehren sich beharrlich und tapfer in Kommentarrubriken der Medien, stehen aber allein da, sie werden von nur wenigen unterstützt. Ich bin zu faul eine Namensliste der famosen „Israelkritiker“ zu erstellen, was wenigsten bei der NZZ möglich wäre, da diese inkognito geschrieben Kommentare nicht veröffentlicht, ein hoch anzurechnender Charakterzug. Ich bin immer wieder versucht selbst einen Beitrag zu senden, doch meist stinkt es mir, nach einschlägigen persönlichen Erfahrungen, den Judenhass fanatisch uninformierter und vor allem hasserfüllten Idioten wieder einmal auf meine Person zu lenken.

Auf was hacken Israelhasser vor allem herum? Nehmen wir davon nur zwei Themen: israelischer Friedenswille und die Siedlungen der Westbank. Natürlich sind diese Themen, wie alle andern auch, miteinander verknüpft, eigentlich unterliegt all dem der Versuch der Delegitimierung Israels. Ich möchte das Thema anhand George Szpiros Artikel „Israel verteidigt Siedlungsbau bei Jerusalem“ in der NZZ vom 18.11.2009 kurz anschneiden.

Als Reaktion auf George’s Artikel gab es fünfundzwanzig Kommentare. Darunter wird behauptet, Israel wolle grundsätzlich keinen Frieden. Es werden die „Neuen Historiker“ als Beweis hergezogen, von denen der wohl wichtigste, Benny Morris, heute eine realistische Meinung vertritt und mit Büchern wie „1948“, „Righteous Victims“ oder „One State, Two States“ tatsächlich Licht in die wirkliche Wirklichkeit bringt. Simcha Flapan (er starb 1987) war ein führender Politiker der damaligen marxistischen Partei Mapam (auch ich war damals, in den Fünfziger und Sechziger Jahren Mitglied, heute ist Mapam Teil von Meretz). Ich kannte ihn aus dieser Zeit und er führte auch in unserem (Haschomer Hazair/Mapam) Kibbuz Hazorea Seminare durch, in denen Stalin und Mao Tse Dong als Überväter angehimmelt wurden und an die ich mich bis heute amüsiert erinnere. Nur wenige von uns nahmen das damals ernst. Noam Chomsky ist überhaupt nicht Historiker, sondern Sprachwissenschafter an der MIT und einer der übelsten Vertreter unter den jüdischen Selbst- und Israelhassern, zu deren Guru er sich emporgearbeitet hat. Er ist einer jener Juden, die nichtjüdischen Israelkritikern zur Verfügung stehen, wenn sie richtig behaupten: „Aber Juden (oder dieser Jude X) sagen das ja auch!“.

Ein Kommentator schreibt, dass ausser dem Jom Kippur Krieg, sämtliche Kriege Israels von Israel begonnen worden seien. Ein völliger Unsinn. Sogar der einzige tatsächlich von Israel begonnene Krieg, der erste Libanonkrieg in 1982, hatte den Hintergrund, nämlich den von dort ausgehenden Terror der PLO gegen Israel. Die Besetzung der Westbank und Gazas waren direkte Konsequenzen arabischer Angriffe. Wer erinnert sich nicht, wie 1967 die israelische Regierung den jordanischen Könige Hussein bekniete, sich aus dem Krieg herauszuhalten. Mit der israelischen Besetzung der Westbank, hatte Hussein einen Erfolg zu verbuchen: er war diese und ihre ihm seit jeher lästigen und aufmüpfigen Palästinaaraber los. Die besetzte Westbank wurde zu einer schlimmen Last für unser Land. Heute weiss Israel nicht, wie es mit dieser Hypothek fertig werden soll, denn der Auszug aus Gaza lehrt, dass ein solcher aus der Westbank keinen Frieden bringen, sondern die Aggressivität palästinensischer Terrorverbände weiter steigert würde. Zudem und in meinen Augen noch schlimmer, entwickelte sich, eine reaktionäre jüdisch-religiöse Ideologie, diese Gebiete zu besiedeln und zu annektieren, was zu unserem heutigen Alptraum führte, da diese Siedler einen grossen Teil von Israel Politik mitbestimmen, denn unsere Regierungen sind nicht in der Lage, diesen Herr zu werden. Vergessen wir nicht die drei Neins von Khartum, mit denen sich die arabische Welt nach dem Sechstagekrieg geschlossen Israel Frieden, Anerkennung und Verhandlungen verweigerten. Vergessen wir auch nicht, dass kein palästinensischer Politiker, sich je dazu überwinden konnte, Israels Existenz durch das Unterzeichnen eines Friedensvertrags anzuerkennen. Das wurde 2000 ganz besonders anschaulich durch Arafats Verhalten in Camp David und Taba demonstriert, wo Barak und Clinton ihm fast alles angeboten hatten, was anzubieten war. Arafat war nicht einmal im Stande einen Gegenvorschlag vorzutragen – die Verhandlungen wurden abgebrochen. Wie Clinton in seinen Memoiren („My Life“ p.944)“ schreibt: „Arafat sagte nie Nein, aber er konnte sich nicht zu einem Ja durchringen". Ein Fehler Arafats, so schreibt Bill Clinton, historischer Proportionen.

Die Realität

Israel war nie und ist auch heute kein Engel. Die Realitäten lassen das nicht zu. Nur waren es halt eben die Palästinenser (damals noch kommune Araber) und ihre arabischen Brüder, die 1947 die Mutter aller UNO-Resolutionsmissachtungen (UNO-Res. 181) in die Welt setzten: sie griffen Israel an, mit dem Ziel den Staat der Juden zu verhindern. Seither verliert die arabische Welt alle paar Jahre einen von ihr herausgeforderten Krieg gegen Israel. Israel kann jedoch damit keinerlei politische Gewinne verzeichnen, denn die Welt lässt das nicht zu. Deutschland, in der Hitlerzeit die fürchterliche Gefahr für die freie Welt, musste besiegt werden. Heute ist Deutschland eine Vorzeigedemokratie. Dieser Vergleich lässt sich zwar gegenüber dem Jihadismus, der Israel und die freie westliche Welt nicht weniger bedroht, nicht bis zum Ende durchdenken – das mit der Vorzeigedemokratie wird sich erst, wenn überhaupt, erst nach einigen zukünftigen Generationen einstellen – sie ist schlicht nicht Teil arabisch-islamischer Tradition. Wie muslimische „Demokratie“ funktioniert, kann jeder am Beispiel der vergangenen Wahlen in Iran oder an den Wahlen im Gazastreifen mit Leichtigkeit verstehen. In Iran machte sich der Verlierer mit Gewalt und Mord zum Gewinner, in Gaza ermordete der Wahlgewinner Hamas seine Oppositionellen der Fatah, stürzte sie von Dächern oder brachte sie fantasievoll auf andere Arten um. Demokratische Abläufe werden in diesen Ländern dazu missbraucht, das Entstehen wirklicher Demokratie zu verhindern.



Diese Zeichnung meines Schwiegersohnes Motti Golub zeigt die Evolution, wie sie vielleicht wirklich entwickelt, nämlich von rechts nach links, wie bei uns Semiten rechts und links der Grünen Linie üblich. Wer sich auf dem Bild wiedererkennt, soll’s mir sagen.

Aber trotzdem dürfen wir nicht aufgeben für Verständigung und Frieden nicht nur zu hoffen, sondern dafür zu arbeiten und einzustehen. Es gibt viele friedenswillige Araber, doch wenn sie aktiv dafür einstehen wollen, begeben sie sich auf eine höchst gefährliche Gratwanderung. Ihr Ziel einer arabisch-jüdischen Verständigung kann für sie tödlich sein. Sadat hat es das Leben gekostet, genau so wie Itzchak Rabin – auch wir Juden sind heute nicht vor religiöser und ideologischer Irrationalität gefeit, noch gehören politische Morde nicht zu unserem Alltag – doch sie kommen vor.

Montag, 16. November 2009

Jüdischer Outreach zum Dialog

Der sogenannte „Outreach“, das Bemühen jüdischer Kreise ihre Hand in Freundschaft zum Dialog mit palästinensischen und muslimischen Gruppen und Einzelpersonen auszustrecken, ist eine der wunderschönen (das ist ganz und gar nicht zynisch gemeint) Charaktereigenschaften unseres Volkes (Ausnahmen sind religiös motivierte Araberhasser, denn warum soll es nicht auch unter Juden Ausnahmen geben). Trotz Hass, Verleumdung und Terror aus der islamischen Welt finden sich sehr viele Juden, die mit ihren Feinden den Dialog aufnehmen und führen wollen. Gelegentlich rutschen grundsätzlich gutmütige Juden in eine Art Stockholm-Syndrom hinein und übernehmen voll und ganz die vorwiegend verlogenen „Fakten“ und Argumente islamischer Juden- und Israelhasser und mutieren zu sogenannten jüdischen „Israelkritikern“, der heute gültigen „sterilisierten“ Benennung für Israel- und Judenhasser. Doch darüber wollte ich eigentlich nicht schreiben, sondern zu einem damit verwandten Thema.

Dieser „Outreach“ ist zu begrüssen. Da ich in meiner Tätigkeit für Said Abu-Shakra’s Galerie für zeitgenössische Kunst in Umm El-Fahm genau das tue, komme ich nicht umhin, mir Gedanken um die Grenzen jüdischer Versöhnlichkeit und Sympathie zum Schicksal der heute Palästinenser genannten Araber zu machen. Das heisst ganz und gar nicht, dass wir Juden ihre eigene Kultur und Geschichte ablehnen sollen, denn jedes Volk hat seine nationalen Mythen und sein eigenes Narrativ – wir müssen diese akzeptieren, so lange sie uns damit nicht gefährden. Als Beispiel nenne ich immer wieder die wohl eindrücklichste Ausstellung unserer Galerie, die photographische Dokumentation der moderneren Geschichte der muslimischen Stadt Umm El-Fahm und ihrer Umgebung seit dem frühen zwanzigsten Jahrhundert. Dieses von einem arabischen Wissenschafter recherchierte und zusammen mit einem jüdischen Kuratoren dokumentierte Projekt war gab den Menschen Umm El-Fahms einen eigenen Stolz für ihre eigene Geschichte, nicht konfrontativ aber unter Einbezug Israels vor und nach dessen Staatsgründung.
Es gibt aber Grenzen der gutherzigen Dialogsbereitschaft mit der islamischen Welt und ihren Vertretern, nämlich dann, wenn es sich um existenzielles handelt, wie:

• Wird die Existenz Israels und das Recht der Juden auf einen eigenen Staat akzeptiert? Es geht hier nicht um den „jüdischen“ Staat, sondern um den Staat der Juden und seinen darin in Rechten und Pflichten gleichberechtigten Minderheiten. Wird die Existenz Israels abgelehnt, dann gibt es nichts zu bereden, ausser auf welche Art wir abgeschlachtet zu werden wünschen.

• Anerkennt der Angesprochene die israelische demokratische Regierungsform mit Rechten und Pflichten aller Bürger, sowie auch die offene Gesellschaft und Meinungsfreiheit in Israel? Das heisst nicht, dass er gezwungen werden soll, für seinen eigenen Lebensstil eine freie Gesellschaft zu wählen und in ihr zu leben. Lebt er in Israel, muss er sich integrieren. Zieht er die Freiheiten Afghanistans, Irans oder Saudiarabiens vor, bitte sehr. Aber über unseren westlichen, freien und demokratischen Lebensstil in Israel, lassen wir nicht andere entscheiden.

Auch wir haben unsere religiös motivierten Spinner, die uns dieses Recht absprechen und statt ziviler Gesetzgebung die Halacha einführen wollen.

• Akzeptiert der Angesprochene Israels Recht auf Selbstverteidigung? Ein Vertreter oder Apologet islamischen Terrors lehnt dieses Recht ab. Selbst bei Muslimen, die wenig von der Sharia und muslimischer Gewalttätigkeit halten, sind noch viele theologisch begründete Vorurteile gegen Israel und Juden zu finden. Aber diejenigen, die frei von solcher Bigotterie sind, haben die Integrität dieser Theologie verworfen. Denn sie sind die wahren Moderaten, weil sie durch ihre Unterstützung der Verteidigung Israels gegen jene, die den jüdischen Staat vernichten wollen, sich auf die Seite der Wahrheit gegen Lügen, Gerechtigkeit gegen Ungerechtigkeit und Freiheit gegen mörderische Tyrannei stellen (Teilzitat von Melanie Philips).

Selbstkritik in der arabischen und islamischen Gesellschaft ist ein Tabu. Es wird ein gewaltiger Druck auf ihre Mitglieder ausgeübt, ja nicht aus der Reihe zu tanzen und „Realitäten“ nur soweit zu vertreten (und über die eigene objektive Wahrnehmung zu schweigen), wie sie von der arabischen Gesellschaft der Angst als Dogma erlaubt sind. Deswegen braucht der selbstkritische Palästinenser ein ungewöhnlich grosses Mass an Zivilcourage und die Eigenschaft persönliche Furcht vor Gewaltmassnahmen gegen seine Person und seine Familie zu überwinden. Das ist so in Israel und in westlichen Ländern, sowie in einem noch weit grösserem Mass in der arabischen Welt selbst. Es ist der Hauptgrund warum fast alle arabischen „Palästinakritiker“ im Westen leben, heissen sie Fouad Ajami, Bassam Tibi, Abdulrahman al-Rashed, Amir Taheri, Anwar Malek, Irshad Manji und zahlreiche andere.

Vor einigen Jahren lud ich einen höher gestellten Schweizer Diplomaten zu einer Vernissage unserer Galerie in Umm El-Fahm teil. Das war kurz bevor Scheich Ra’ed Salah zum offiziellen Israel- und Judenhasser als Führer der muslimischen Bewegung Nord-Israels wurde. Mein Freund erzählte, er habe sich, wie ich auch, einmal mit dem Scheich getroffen und er sei ein sehr freundlicher Mensch. Ich hatte damals denselben Eindruck. Doch, so fuhr mein Schweizer Diplomat fort, man müsse sich vor solch extrem freundlichen und stets lächelnden Politikern hüten – diese nette Seite, sei oft nur eine Front, die den wirklichen Menschen verstecke. Seine Menschenkenntnis gab ihm recht. Scheich Salah wurde zum Musterexemplar eines Gegners, mit dem einen Dialog zu führen eine Zeitverschwendung ist und ihm nur eine Bühne für seine Hasstiraden und Aufrufe zur Zerstörung unseres Staates schenkt. Nicht einmal Rabbi Tovia würde ihm Meister.

Donnerstag, 12. November 2009

Beweise

Wie ich schon verschiedentlich geschrieben habe, bin ich der Meinung, Richter Richard Goldstone habe sich von den Hamas-Jihadisten manipulieren lassen. Diese Ansicht wird verstärkt, wenn ich aus dem Mund von Hamas-Vertreter ihre Taktik im Krieg gegen Israel höre. Sie geben, ohne gefragt zu werden, all das zu, was Israel seit Jahren der auf dem Israelohr tauben Welt zu erklären versucht. Es wird bestätigt,

• Israel habe die Gaza-Bewohner vor bevorstehenden Attacken gewarnt.  Der Hamasaktivist Abu Bilal al Ja’beer nahm eine solche Warnung entgegen, was er damit tat ist ein Muster gängigen jihadistischen Menschhasses. Diese Warnungen wurden von Hamas missbraucht, indem sie, statt den Menschen die Flucht aus dem Haus zu gestatten, diese auf den Hausdächern positionierten, damit sie unfreiwillige Märtyrer würden.

• Die menschenverachtende Taktik der Islamisten, ihre eigene Bevölkerung zur Geisel zu nehmen und sich hinter ihr zu verstecken wird offen zugegeben. „Für das palästinensische Volk ist Tod zu einer Industrie geworden“, schreit darin der Hamaspolitiker Fathi Hammad.

Die extrem starke Doppelexplosion in der Zeitun Moschee in Gaza vom 3. Januar 2009 beweist, dass in ihr viel Sprengstoff in Form von Raketen, Granaten und anderer Munition gelagert war. So geschah das in vielen anderen Moschee und öffentlichen Gebäuden, wie Schulen und Krankenhäusern.

Das sind nur drei kleine Müsterchen aus dem Gazakrieg im Januar 2009. Richter Goldstone wurden sie wohl vorenthalten - nehme ich freundlicherweise an.

Hier noch ein Foto zum Thema:



In dieser Luftaufnahme aus dem Norden Gazas ist deutlich zu sehen wie nahe Hamas Trainingsetablissements neben Moscheen und Schulen erstellt worden waren, natürlich in der Absicht, dass diese bei Angriffen auf die Terroristen möglichst viele zivile Märtyrer produziert würden.

Eigentlich bestätigen die zwei Filme mit den Aussagen von Abu Bill al Ja’beer und Fathi Hammad völlig ungefragt Israels Stand gegenüber den Vorwürfen im Zusammenhang mit toten Zivilisten. Es gibt auch Filme, die zeigen wie eine israelische Rakete im letzten Moment vom Ziel abgelenkt wurde, damit sie nicht in Gebäude mit Zivilisten einschlagen würde.

Seien wir doch endlich einmal ehrlich mit uns selbst. Kriege sind Kriege, sie sind keine Partie Schach, sondern blutig und grausam, ganz besonders wenn Religion und extremistische Ideologie die Hauptrolle spielen. Es gibt Verwundete und Tote unter Soldaten und heute, wenn Islamisten es arrangieren, auch unter Zivilisten. Es gibt materielle Schäden und öfter als nicht, läuft es nicht so wie geplant. Die Genfer Konvention ist eine verpflichtende Richtlinie, doch es braucht zwei, diese einzuhalten. Sonst wäre sie eine Anweisung zum nationalen Selbstmord, wie es westliche Gutmenschen von Israel verlangen, aber nicht von dessen Feinden.

Sonntag, 8. November 2009

Ein Wutanfall

Wieder einmal dürfen wir Schweizer Bürger uns schämen Schweizer Bürger zu sein. Die Schweiz hat sich in der UNO-Vollversammlung nicht entblödet, nicht nur und mit der Welt der Diktatoren, Mullahs, Ehrenmörder und Frauenbeschneider, Hobbyköpfer, Selbstmordterroristen und ähnlichem Gesindel und deren reaktionären Geistesverwandten aus anderen Teilen der Dritten Welt, den von den Antisemiten der Welt für ihre Zwecke missbrauchten nicht ganz astreinen Goldstone-Bericht zu unterstützen, sondern auch noch aktiv dafür zu arbeiten, diesen von der erleuchteten westlichen Welt abgelehnten oder wenigstens mit Stimmenthaltung nicht akzeptierten Bericht der Welt zu verkaufen. Die politische Prostitution der Schweizer Aussenministerin für die ölstarken Staaten und die Märkte der Entwicklungsländer kennt keine Grenzen. Können wir die Schweiz ab jetzt zur automatischen Mehrheit jeder antiisraelischen Massnahme der UNO-Gremien dazuzählen? Ich fürchte ja – denn es schleckt keine Geiss den Eindruck weg, dass Frau Micheline Calmy-Rey keine Gelegenheit auslässt, einem Ghaddafi, Ahmedinejad, der Hamas und Hisbollah, wohl auch den Taliban in den Hintern zu kriechen um, vordergründig, die bisher nicht auszumachenden guten Dienste der Schweiz anzubieten. Nur, im Gegensatz zu den Tagen des Zweiten Weltkriegs, gibt es heute nicht einmal den Schein einer existenziellen Gefahr für die Schweiz, die das Einstehen für menschlichen Anstand und gegen Rassismus und jihadistische Machtgelüste verhindern sollte.

Die Persiflage des Monats

Wenigstens in Deutschland habe ich mit meinem Bericht über den BUYkott in Montreal offene Türen eingerannt. Als Kommentar in meinem Blog ist die Antwort von Kerstin und Markus eingetroffen, die mir ihre eigene Arbeit im eigenen Blog darüber vorstellten. Darin habe ich übrigens etwas Zusätzliches gelernt: Waren, die mit einem nummerierten Strichcode bezeichnet sind (das sind die meisten), dessen Nummer mit 729 beginnt, sind israelische Produkte. Das könnte, bei entsprechender persönlicher Einstellung, bei Einkäufen hilfreich sein.

Zum Thema. Im Laufe des Jahrs fand ich heraus, dass es in Deutschland verschiedene Blogger gibt, die in ein ähnliches Horn blasen, wie ich. Alle habe eines gemeinsam: Wir verehren Henryk W. Broder, seine Sicht der Dinge, seinen Schreibstil und seine Furchtlosigkeit, sich nicht von „Political Correctness“ verarschen zu lassen. Viele dieser Blogger sind in der Spalte „Uri Russak empfiehlt wertvolle Links” zu finden.

Selten habe so gelacht, wie über Claudio Casula’s Persiflage Günter Wallraffs, die ich einfach herrlich finde. Auch ihr sollt sie lesen:

Unter Juden

November 3, 2009 von Claudio Casula

Einen Monat lang war Günter Wallraff immer wieder als Araber in Israel unterwegs: bei einem Fußballspiel in Jerusalem, auf Wohnungssuche in Kiriat-Arba, vor einer Tel Aviver Disco. Heraus kam ein erschütternder Erfahrungsbericht. Spirit of Entebbe dokumentiert Auszüge.

Mit gefärbten Haaren und Schnurrbart investigativ unterwegs – das war ich vor vielen Jahren schon, als „Ali“. Insofern keine neue Erfahrung für mich. Nur dass ich diesmal nicht in Deutschland recherchiere. Als Achmed al-Jihad will ich erfahren, wie es sich als Palästinenser in Israel lebt, wohl wissend, dass das Unternehmen nicht ohne Risiken ist. Dazu habe ich zu oft „heute-journal“ gesehen.

(…)

Vor dem Teddy-Stadion hat sich eine grölende Menge eingefunden. Die Fans des hiesigen Fußballclubs Bejtar Jerusalem sind berüchtigt für ihre rechtsradikale und natürlich araberfeindliche Einstellung. Ich bin mir des Risikos bewusst, schon weil ich heute Morgen meine Garderobe in leicht provokanter Stimmung ausgewählt habe: ein „Free Palestine – From The River To The Sea“-Shirt. „Long live Balestine!“ rufe ich den entgeistert dreinblickenden Hooligans zu, dann nehme ich die Beine in die Hand. Erst an der übernächsten Straßenecke halte ich schnaufend inne. Erst jetzt wird mir klar, dass ich gerade noch so mit dem Leben davongekommen bin.

(…)

Am Abend begebe ich mich zum „Goocha“, einem angesagten Fischrestaurant an der belebten Dizengoff Street. Es ist rappelvoll. Ich beschließe, durch eine prägnante Ausdrucksweise keinen Zweifel an meiner arabischen Herkunft aufkommen zu lassen. „Blease“, sage ich zur Kellnerin, „is it bossible to dine here tonight“? – „Sorry“, wimmelt mich die junge Frau mit einem arroganten Ausdruck im zugegebenermaßen bildhübschen Gesicht ab, „but you see, it’s already crowded.“ Das hätte ich mir gleich denken können. Ich bin sicher: Sie hätte mir auch keinen Tisch zugewiesen, wenn einer frei gewesen wäre. Der alltägliche Rassismus hat viele Gesichter.

(…)

Die Gegend um die Central Bus Station ist traditionell übel beleumundet, hier treiben sich allerlei Galgenvögel und Bordsteinschwalben herum, auch viele ausländische Arbeitnehmer aus Rumänien, Thailand, Schwarzafrika. Eine junge Dame aus dem horizontalen Gewerbe spricht mich an: „Na, Motek, wie heißt du denn?“ – „Wall- äh, Walid!“ stottere ich. In der Aufregung (Natascha ist spärlichst bekleidet) hätte ich um ein Haar meine wahre Identität preisgegeben. Schließlich dürfte mein Name weit über die deutschen Grenzen hinaus bekannt sein. Mein Experiment wäre damit vorzeitig beendet gewesen. So aber geht noch mal alles glatt. Zu Recherchezwecken folge ich Natascha auf ein schäbiges Zimmer. Hinterher knöpft sie mir dann aber doch deutlich zu viele Shekel ab, wie mir scheint. Das habe ich nun von meinem „Walid“. Im Nachhinein bedaure ich es, nicht ausnahmsweise mal den tumben deutschen Touristen gemimt zu haben.

(…)

Ungewohnt fühlt er sich an, dieser Sprengstoffgürtel, den ich mir im Internet bestellt habe. Obwohl ich ihn nur mit einigen Packungen Tempo-Taschentüchern ausgestopft habe, kann ich ein mulmiges Gefühl nicht leugnen. Jetzt noch eine Kefiya, das traditionelle arabische Tuch um den Hals geschlungen, und los geht es. Ich mische mich unter das Jungvolk, das vor einer Discothek auf Einlass wartet. Es ist fast elf und schwülwarm, ich schwitze unter dem Mantel, den ich so über den Gürtel gestreift habe, dass er ansatzweise zu erkennen ist. Das Palituch ist auch nicht ohne, aber was tut man nicht alles, wenn man undercover recherchiert. Mein Aufzug verfehlt seine Wirkung nicht, ich spüre die unverhohlen misstrauischen Blicke. Laut rufe ich „Allahu akbar!“, und sofort stürzt sich ein Wachmann mit Bulldoggengesicht wie ein Berserker auf mich, schlägt mich fast bewusstlos. Mit diesem Gewaltausbruch habe ich nicht gerechnet, schützend halte ich meine Hände vors Gesicht. So also ergeht es einem Araber in Israel. Die Erfahrung erschüttert mich zutiefst. Noch einmal schlägt der Security-Mann zu, dann verliere ich das Bewusstsein.

Ich erwache im Ichilov-Hospital. Eine Schwester, offensichtlich eine Russin, tupft vorsichtig meine Wunden ab. Mein Kopf schmerzt, und ich scheine überall blaue Flecken zu haben. Schemenhaft kann ich einen Arzt erkennen, er trägt eine Kippa, sieht eigentlich nicht unsympathisch aus. Er schüttelt den Kopf. „Are you crazy?“ fragt er. Auch hier wieder: die blanke Fremdenfeindlichkeit. Wahrscheinlich ist es mein Schnurrbart, der mich in seinen Augen zum Untermenschen macht. Natürlich behandelt er auch Araber, aber er tut es nicht gern, das sieht man ihm an. Er deutet fragend auf meine Kleider, die jemand achtlos über den Stuhl geworfen hat. Ich aber beiße die Zähne zusammen und beschließe, mich nicht auf Diskussionen einzulassen. Noch ahne ich nicht, dass der Shin-Bet, Israels berüchtigter Geheimdienst, bereits ein Auge auf mich geworfen hat. Ist es jetzt schon verboten, „Gott ist groß!“ zu rufen?! Wohl nur, wenn es ein Muslim macht. Ich kann gar nicht sagen, wie abstoßend ich diese Intoleranz finde. Mein Zimmernachbar ist ein Jude aus Netanya. Ich versuche ihn in ein Gespräch zu verwickeln, aber er dreht sich nur wortlos zur Seite. Später bekommt er Besuch von einer jungen Frau, die beiden verständigen sich durch Gebärdensprache. Na gut. Aber dass er taubstumm ist, bedeutet ja noch lange nicht, dass er mit mir geredet hätte, wenn er es könnte. Nach meinen Erfahrungen hier können durchaus auch Behinderte Rassisten sein.

(…)

Es kommt zwar vor, dass mich Menschen hier vordergründig freundlich behandeln, mir zulächeln, den Weg erklären und „You’re welcome“ sagen, aber das wirkt irgendwie herablassend, so als wollten sie sagen: „Ich (als Angehöriger des auserwählten Volkes) kenne den Weg, du (Araber) kennst ihn nicht, und ohne mich wärst du völlig hilflos.“

So ergeht es mir überall im Land, ob ich mit meinem Marwan-Barghouti-Shirt bei den „Victims of Arab Terror“ um eine Spende bitte, mich in Kiriat-Arba um eine Wohnung bewerbe oder versuche, auf die Rednerliste beim Yisrael-Bejtenu-Parteitag zu kommen. Auch ins Büro des Ministerpräsidenten lässt man mich nicht hinein, obwohl ich Benjamin „Bibi“ Netanjahu nur mal guten Tag sagen möchte. Der Rassismus reicht hier also bis in die höchsten Staatsämter.

(…)

Die demütigende Personenkontrolle am Airport in Tel Aviv ist die vorerst letzte schlimme Erfahrung, die ich in diesem Apartheidstaat mache. Auf dem Rückflug nach Deutschland denke ich noch lange über meine erschütternden Erlebnisse nach. Ich habe den falschen Oberlippenbart wieder abgenommen, meine Brille wieder aufgesetzt, trage jetzt ein ganz normales Che-Guevara-Shirt. Fast bin ich mir ein wenig fremd geworden. Aber was ist das im Vergleich zum Schicksal der Palästinenser, die täglich als Bürger dritter Klasse diskriminiert werden.

Mein einziger Trost ist, dass sich mein Buch verkaufen wird wie Schnittbrot.

Mittwoch, 4. November 2009

BUYcott statt Boykott

Ich weiss nicht, wer das Wort Buycott und die Idee dahinter erfunden hat, aber einen BUYcott (KAUFkott statt Boykott) gab es in Montreal, der wunderschönen Stadt in Kanada, in der nicht nur meine Lea geboren wurde, sondern eine bemerkenswerte und höchst erfolgreiche Aktion gegen Juden- und Israelhasser erfolgte. Montreal ist eine Metropole, in der Antisemitismus zur Geschichte gehört, denn dort wie in der französischsprachigen Provinz Quebec gab es auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch einen aktiven Antisemitismus der Kirche, von dem mir Lea wiederholt erzählt. Auf der anderen Seite sind dieser Stadt jüdische Wissenschafter, Schriftsteller und Musiker der Weltklasse entsprungen, wie Mordecai Richler oder Leonard Cohen entsprungen. Heute ist ganz Kanada – Toronto sei am schlimmsten – vom modernen Judenhass, der sich hinter der Maske der Israelkritik versteckt, infiziert.


Cousin Lenny aus Montreal informierte mich über folgendes: einem den Nazis nachempfunden Aufruf „Kauft nicht bei Juden und Israelis!“, also einem BOYkott, wurde ein BUYkott entgegengesetzt – mit durchschlagendem Erfolg. Der Boykottaufruf galt der israelischen Kosmetikfirma „AHAVA“. Von der lokalen Presse begleitet und kommentiert, führte dieser BUYkott zu einem fast völligen Ausverkauf der Ahava Produkte und leeren Regalen in den AHAVA Kosmetika führenden Läden. Ein nicht weniger erfolgreicher BUYkott wurde gegen einen BOYkott israelischer Weine in Toronto ausgeführt.

Es nimmt mich wunder, ob eine solch originelle und mutige Antwort auf den Aufruf zum Judenhass, wie er in verschiedenen Zusammenhängen in Europa und Nordamerika wiederholt zu hören ist, seien das Aufrufe zum akademischen Boykott, im Transportwesen (z.B. in Südafrika weigern sich Hafenarbeiter israelische Schiffe zu löschen), Importverbote für Waren aus Israel und ähnlichem, auf ebenso praktische Art und Weise beantwortet würden. In Montreal wurde dazu ein Boykottalarm eingerichtet, dem Boykotte gemeldet werden und der darauf hin Gegenmassnahmen in die Wege leitet.

Also, liebe Schweizer und Europäer, organisiert euch und lasst antisemitische Boyköttler ins Leere laufen – und vor allem, informiert die Öffentlichkeit darüber. Ein Boykott-Alarm und nachfolgende Massenkäufe israelischer Waren sind weit überzeugender und befriedigender als weinen, klagen und am Ende den Kopf in den Sand stecken. Schlagen wir diese antisemitischen Israelhasser mit ihren eigenen Waffen!

Samstag, 24. Oktober 2009

Wirrwar der Werte

Ich bin überzeugt, dass Richter Richard Goldstone ein anständiger und ehrenwerter Mann ist, der für alle nur das Beste will. Nur ist er auch naiv und lässt sich in seiner Leichtgläubigkeit leicht über den Tisch ziehen. Deshalb weigere ich mich, ihn Antisemit, Nazi, Israelhasser, jüdischer Verräter oder ähnliches zu nennen, denn er verdient das nicht. Ähnliches habe ich in den vergangenen Tagen im Tagebuch und in anderen Briefen und Stellungsnahmen verschiedentlich geschrieben und will nicht weiter darauf eingehen. Goldstone wurde, so denke ich, das Opfer seiner Anständigkeit. Der einzige Fehler den er beging, war den Auftrag einen Bericht über sogenannte israelische und hamassche Menschenrechtsvergehen und Kriegsverbrechen anzunehmen. Alles andere ergab sich dann von selbst und hatte nur noch formell etwas mit ihm zu tun. Die Automatismen des UNO-Menschrechtsrates nahmen ihren Lauf. Inzwischen hat er gemerkt, dass er gutgläubig in eine Falle geraten ist und nicht herausfindet. Nur kann er das Resultat seines Berichtes an dieses Gremium nicht ungeschehen machen, wo durch die Maschinationen dieser durch und durch korrupten Organisation, der Terrorismus einen Freibrief gegen Israel erhalten hat. Nicht terroristische Angriffe gegen das Land, sondern dessen Recht, sich zu verteidigen sind in Frage gestellt worden.

Was hingegen ganz allgemein im Zusammenhang mit Israel weltweit über die Bühne geht, macht mich rasend. Wie kommt es, dass ganz besonders die aktivsten Mitglieder der Menschrechtsgremien, die gerade das Gegenteil dessen tun, zu dem berufen zu sein sie sich ausgeben, ihr groteskes Tun ungestört ausüben können? Während Israel eigentlich nur ungestört als Staat der Juden (nicht jüdischer Staat) mit einer wertvollen Minderheit nichtjüdischer Bürger leben möchte, gutnachbarliche Beziehungen zu seinen Nachbarländern und der gesamten Region pflegen, seine gut gehende Wirtschaft weiter ausbauen, seine Wissenschaft und deren Universität für sich und die Welt grosses erbringen lassen und ihren Nachbarn ein Beispiel als sozial und wirtschaftlich fortschrittliches Modell sein möchte, wird es in gut antisemitischer Manier geplagt und angegriffen, seine Menschen ermordet und der Staat angeschwärzt. Wenn Israel sich wehrt, ist das illegal. Israelis und die Juden im allgemeinen sollen sich wieder einmal mäuschenstill abschlachten lassen, damit nachher für einige Jahrzehnte wieder um tote Juden getrauert werden kann. Alles schon dagewesen, nur diesmal wird es an jüdischer Ruhe und Opferbereitschaft fehlen, auch wenn es heute Juden gibt, die das völlig angebracht finden – solange sie nicht selbst die Opfer sind. Durchgedacht wird diese Theorie der verbotenen Selbstverteidigung und Weigerung zwischen Angriff und Verteidigung zu differenzieren, zum Schluss führen müssen, dass sogar der Verteidigungskrieg der freien Welt gegen die Nazis von 1939 bis 1945 illegal war. Aber durchdenken liegt nicht drin, zu viele westliche Köpfe sind von Jihadistenfreunden, jüdischen und anderen, zu sehr verwirrt worden.

Wir leben in einer Welt, in der Werte auf dem Kopf gestellt werden. Jene Staaten, in denen Menschrechte ein Fremdwort ist und die Kriegsverbrechen zum Alltag gehören, sitzen zu Gericht über einen Staat, der sich (leider nur) militärisch erfolgreich verteidigt. Aus diesem Grunde möchte ich hier einige sehr unschöne Bilder zeigen, die, völlig ohne Bezug zu Israel, den kulturellen Betrieb in den in der UNO und vor allem in dessen Menschenrechtsrat tonangebenden islamistischer Staaten präsentiert und ihre Berechtigung, sich als Paragone der Menschrechte zu präsentieren unterstreicht.

Viele meiner Freunde und Bekannten im In- und Ausland können nicht akzeptieren, dass Staaten der westlichen Welt (das ist nicht geographisch gemeint, wie es mitunter von einfacheren Gemütern verstanden wird), die sich als vernunftbetont, aufgeklärt, echt-demokratisch, humanistisch sehen, dass Teile der heutigen Welt es vorziehen politischen und religiös reaktionäre Staaten, die zum Teil eine entsetzlich faschistische Innenpolitik tödlicher Repressionen ausüben und aussenpolitisch den jihadistischen Terror fördern, zu tolerieren. Bundesrätin Calmy-Rey geht da mit bestem Beispiel voran und prostituierte sich gegenüber Islamisten, wie dem schlauen Clown Ghaddafi und dem selbsternannten Erben nazistischer Ideologie Ahmedinejad. In arabischen islamistischen Staaten, aber auch in anderen Diktaturen werden Dissidenten gnadenlos verfolgt, fürchterlichste Strafen gemäss falsch, dafür politisch ausgelegter Schariahgesetze ausgeführt. Im Iran wurden und werden Kinder exekutiert, Menschen gesteinigt, gehängt, verprügelt und verunstaltet, in Saudiarabien werden für Nichtigkeiten Hände, Füsse und Köpfe entfernt und der Scharfrichter von westlichen Medien interviewt. Im Sudan wurden und werden hunderttausende im Namen Allahs verfolgt und getötet, weil sie schwarz oder einfach keine Muslime sind. Frauen werden in diesen Ländern – das beinhaltet leider auch die arabische Gesellschaft Israels sowie Palästinas - unterdrückt und im Namen der Familienehre und anderen Ausreden ermordet. Das sind keinesfalls Einzelfälle, sondern alltägliche Vorkommnisse. Aber kein westlicher Hahn kräht danach, der UNO-Menschenrechtsrat beschäftigt sich fast ausschliesslich mit Israel, das mit seinem westlichen Lebensstil und seiner freien Gesellschaft der Juden, Araber und anderer Minderheiten im Vergleich zu seinen Nachbarn ein Paradies ist. Dann wundern sich viele, warum Israel sich zur Verteidigung auf terroristische Angriffe – ob der Angreifer seinen Staat vertritt oder ein selbstständig agierender, vom Iran protegierter Terrorverein ist, ist dabei nicht von Interesse, denn tödlich sind sie beide.

UNO-Gremien ignorieren den herrschenden Islamofaschismus, haben „Verständnis“ für islamistischen und palästinensischen Terror und machen – wie im UNO-Menschenrechtsrat – Böcke zu Gärtnern. Der Westen versucht sich hilflos vor Terror zu schützen und sucht den Dialog. Ein Hund, der Menschen angreift und zerfleischt, wird von Staates wegen getötet. Terroristen, die dasselbe tun, versucht man zu beschwichtigen oder ignoriert ihre Verbrechen und sucht einen Sündenbock.

Das, liebe Freunde, macht uns zu schaffen. Wir wissen, dass „sogar“ Israel, seine Armee und seine Gesellschaft nicht perfekt sind und nicht wenige Fehlleistungen erbringen – wie jeder andere Staat auch. Nur sind diese Fehlleistungen, der geographischen Lage Israels wegen, gelegentlich aber nicht immer, blutiger als in westlichen Ländern. Umsomehr verstehen wir nicht, warum in der UNO die fürchterlichsten und wirklichen Verbrechen aus jihadistischen Staaten und davon unabhängigen Kreisen vom Mittelmeer bis zum Hindukusch und deren Fans und Freunde unter den Teppich gekehrt werden, während der Israel-Palästina Konflikt zu einem grotesken Stellenwert empor stilisiert wird. Auch wir linken Vertreter des vernünftigen israelischen Friedenslagers grübeln darüber nach, wie dieser Zustand entstehen konnte und was dagegen getan werden kann.

Mittwoch, 21. Oktober 2009

Zum Menschenrechtsgeschäft

In der New York Times von gestern äusserte sich der Gründer und, von 1978 bis 1998, Leiter der Human Rights Watch (HRW), Robert L. Bernstein, ein humanistischer amerikanischer Jude und Verleger (Random House) der alten jüdischen Schule. Es schreibt eine umfassende Kritik zu den Aktivitäten und Prioritäten dieser Organisation, die sich zu etwas entwickelt hat, das ganz und gar nicht in seiner Absicht lag. Die HRW habe ihre moralische Kraft völlig verloren. Sie sehe nur „wie“ Kriege geführt werden und interessiere sich nicht über Motivationen, die zu Kriegen führe. Eine Differenzierung zwischen Unrecht verübt aus Selbstverteidigung und Unrecht verübt mit Vorbedacht werde völlig ausgeblendet. Die wichtige Unterscheidung zwischen einer offenen und einer geschlossenen Gesellschaft (closed society) wird auf die Seite geschoben, ebenso der Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur. Nirgends ist dieser Unterschied so krass wie im Mittleren Osten, bevölkert von autoritären Regimen, jedes mit einer fortwährenden und schockierenden Geschichte von Menschenrechtsverbrechen. Aber, in den vergangenen Jahren hat HRW mehr Verurteilungen über israelische Menschenrechtsvergehen rapportiert, als über irgend ein anderes Land dieser Region.

Bernstein schreibt, ich übersetze: „Aber wie kann Human Rights Watch wissen, dass diese Gesetze gebrochen worden sind? In Gaza und anderswo, wo es keinen Zugang zum Schlachtfeld [!] oder zu militärischen und politischen Führern gibt, die strategische Entscheide fällen, ist es extrem schwierig ein eindeutiges Urteil über Kriegsverbrechen zu erlangen. Dieses hängen oft von Zeugen ab, deren Berichte nicht zu überprüfen sind und deren Aussage aus dem Drang einen politischen Vorteil zu erreichen oder aus Angst vor Rache von ihren eigenen Machthabern stammt.“ Bernstein zitiert auch Oberst Kemp (Uris Tagebuch 19.10.2009) über den Schutz von Zivilisten im Gazakrieg.

HRW habe seine kritische Sicht in einem Konflikt verloren, in einem Konflikt in dem Israel wiederholt von Hamas und Hisbollah attackiert worden ist, Organisationen, die sich zur Aufgabe gemacht haben Israelis zu töten und sich dazu hinter ihren eigenen Zivilisten verstecken. Sie werden offen von der iranischen Regierung unterstützt. HRW weiss das alles, sie weiss auch dass Hamas und Hisbollah sich weiter aufrüsten und sich auf neue Angriffe auf Israel vorbereiten.

Robert L. Bernstein muss entsetzlich darüber enttäuscht sein, wie seine idealistische Schöpfung zu einem Instrument der weltweiten „Israelkritik“ verkommen ist, im Dienste dunkler jihadistischer Kräfte und deren Sympathisanten in der westlichen Welt, die nicht nur Israel und Juden hassen, sondern die Welt zurück ins dunkelste Mittelalter führen wollen. Leider ist HRW heute nicht die einzige Organisation dieser Art, die sich blind dazu hergibt.

Dienstag, 20. Oktober 2009

Ein jüdischer Staat um jeden Preis?

Vor wenigen Tagen führte ich bei unserer wöchentlichen Kaffeestunde im Café Mocha eine lebhafte Diskussion mit einem Freund, der aus Los Angeles stammt jedoch schon vor zehn Jahren in Israel lebt. Er ist einer jener Israelis, die sich weigern mit mir nach Umm El-Fahm zu kommen – ich fühle aber, dass er von mir schon recht weichgeklopft ist und bald kommt. Er fragte mich: „Willst du wirklich einen jüdischen Staat?“. Diese Frage stellte er, nachdem ich über die vorgesehene skandalöse Ausweisung von etwa 1200 in Israel geborener Kinder ausländischer Arbeitskräfte geschimpft hatte. Sogar wenn es 12000 solche Fälle gäbe, wäre meine Antwort dieselbe. Diese Kinder sind in Israel geboren, gehen hier in die öffentlichen Schulen, sprechen Ivrith wie Sabras (die sie ja sind) und gehen auch ins israelische Militär, das sie gerne aufnimmt. Sie sind eine Bereicherung für unseren Staat. Das ganze erinnert an die Schweiz, die sich seit Jahrzehnten mit dieser Situation herumschlägt. In Israel handelt es sich um Kinder, deren Eltern aus den Philippinen und anderen fernöstlichen Ländern kommen, um in Israel zu arbeiten und denen heute der Hinauswurf aus dem Heiligen Land droht, in ein Drittweltland, die sie nicht kennen, deren Sprache sie kaum sprechen und wo es meist keine Schulpflicht gibt. Politiker, die Presse, Schulen und Lehrkräfte und viele jüdische Eltern agieren gegen die drohende Ausweisung, die wegen diesem Druck schon mehrere Male verschoben worden ist – immerhin ein Zeichen, dass die Volksmeinung gehört wird. Nicht anders als vor Jahren in der Schweiz, empören Lea und ich uns über den Zynismus des Innenministers der charedischen Schasspartei, der sich für die Verjagung dieser Kinder aus Schule und Land stark macht. Sehr viele israelische Bürger verstehen das nicht und fühlen, dass ein solch unmenschliches Verhalten sich nicht mit den Lehren aus der Geschichte des jüdischen Volkes vereinbaren lässt. Nachdem ich mir darüber Luft verschafft hatte, fragte mein Freund, ob ich denn überhaupt einen jüdischen Staat wolle. „Ja, aber nicht um jeden Preis“, war meine Antwort.

Es geht nicht darum, dass solche Kinder den Staat bedrohen, ja überschwemmen würden, denn zahlreich sind sie nicht. Es geht den Verantwortlichen des Innenministeriums, so scheint mir, darum, „gottlose Mischehen“ und damit verwandtes zu vermeiden. Besonders in den letzten paar Jahren ist mir aufgefallen, dass viele der Neueinwanderer in Israel, besonders jene aus Amerika und aus Russland, sich auf einmal in einem Land sehen, in dem sie, die Juden, die Mehrheit bilden – das genaue Gegenteil ihrer früheren Situation in der Diaspora. Nicht immer, aber immer wieder wurden Juden gemieden, gehasst, verjagt und ermordet – obwohl gerade sie, die Juden, enormes für ihr jeweiliges Heimatland leisteten und sich mit ihm identifizierten. Es scheint, dass viele dieser Olim (Neueinwanderer) mit dieser neuen Situation nicht umgehen können, mit dem ungewohnten „Vorteil“ der Mehrheit anzugehören und ihrerseits beginnen auf andere herabzusehen. Ich gebe gerne zu, dass unsere arabischen Nachbarn und ihre Sympathisanten in Israel dies mit ihren antisemitischen und antiisraelischen Lügenkampagnen und Gewalt gegen uns und sich selbst, dies jedem Möchtegernhasser leicht machen. Das ist aber nicht der Punkt. Ist die Tatsache zu akzeptieren, dass Juden in Israel die Mehrheit der Bevölkerung stellen und sich selbst regieren – was ja das zentrale Prinzip der zionistischen Idee ist – diese nach zweitausend Jahren Unterbruch heute neuartige Situation dazu zu benutzen, einen jüdischen Rassismus gegen andere auszuüben? Sicherlich nicht! Immerhin können wir in Israel stolz darauf sein, viele Bürger zu haben, die anders denken, für Frieden und Menschlichkeit arbeiten und sich dafür aufopfern – auch wenn ihnen aus extremistischen jüdischen Kreisen von Links und Rechts Hohn entgegen schallt und sie aus der arabischen Ecke für deren eigene Propaganda missbraucht werden. Ich meine damit absolut nicht die Gutmenschen der extremen jüdischen Linken, sondern jene Juden und Israelis, die ihre Bürgerpflichten erfüllen, sich gegen palästinensische Gewalt wehren und Israel nicht als Watschenmann der UNO sehen wollen – und trotzdem aktiv die Hand der Versöhnung unseren Feinden entgegenstrecken, auch wenn diese Versöhnungsversuche wieder und wieder ausgeschlagen werden. Damit behalten sie ihre Humanität, die beispielsweise in extremen Siedlerkreisen verloren gegangen ist.

Die Regierung von Bibi Nethanyahu, heute in Israel am Ruder, will von den Palästinensern, den Arabern und dem Rest der Welt, dass Israel als jüdischen Staat anerkannt wird. Die Mehrheit unserer jüdischen und zahlreiche Bürger unserer Minderheiten wollen das auch. Schon Theodor Herzl wollte das, allerdings haben seine Vorstellungen mit der Realität des realen jüdischen Staates von dessen Gründung an, kaum Ähnlichkeit. Bis heute ist aber eine wirkliche Definition des „jüdischen Staates“ ausstehend. Denn das Judentum und Israel lassen sich nicht auf blosse Religion reduzieren. Deshalb frage ich: welchen jüdischen Staat wollen wir?

1. Der jüdische Gottesstaat?

Was soll es sein: ein Staat, in dem die Halacha herrscht, ähnlich wie die Schariah der Islamisten, mit barbarischen Sitten und Gesetzen, die wenigstens in der westlichen Welt heute nicht mehr existieren (Ausnahme: die Todesstrafe in Teilen der USA). Wie etwa die Stellung der Frau als Eigentum des Mannes und ähnlichem, in dem die Ausübung einer anderen Religion unter Strafe gestellt wird wie in Saudiarabien und in dem religiöse Paranoia das gegenseitig respektvolles Zusammenleben (wie wir Juden es uns in der Galut wünschten, aber nicht immer erfuhren) mit nichtjüdischen Menschen verunmöglicht? In dem die „Goyim“ als zweitklassige Menschen gesehen und behandelt werden, wie die Dhimmis der muslimischen Welt. Vielleicht würde die schweigende Mehrheit der einer Konsumkultur frönenden Bürger aus ihrer politischen Trägheit erwachen und dagegen kämpfen, dass auf der einen Seite eine parasitäre Minderheit machthungriger Rabbis und ihre mehrheitlich arbeitsscheuen ultraorthodoxen Jünger zusammen mit fanatischen rechtsextremen Gruppierungen einen auf antiken Prinzipien und Gesetzen ruhenden Staat der Juden beherrscht. Dieses Nachäffen islamistischer Theokratien à la Iran, Gaza und Saudiarabien (von Afghanistan ganz zu schweigen) auf jüdische Art, wäre das Ende des modernen und nur deshalb lebensfähigen und erfolgreichen Staates Israel. Denn diese Gesellschaft bringt unserem Staat und seinen Bürgern kaum irgendeine wirkliche Wertschöpfung. Die ultraorthodoxe Gesellschaft produziert mehrheitlich ausser riesigen Kindermengen nichts, lebt auf Kosten der Steuerzahler, denn sie lehnen es mehrheitlich ab, sich und ihre Familien durch Arbeit zu ernähren – auch wenn inzwischen einige von ihnen an "koscheren Hochschulen" studieren und gar „koscheren“ Militärdienst in frauenfreien Einheiten leisten. Ultranationalisten, observante Juden und Sekuläre, verwenden ihren modernen aber wenig aufgeklärten Lebensstil vor allem dazu, sich als „Übermenschen“ konfrontativ der grossisraelischen Idee zu widmen und demonstrativ mit einer Pistole am Bauch herumzulaufen. Ein Albtraum.

2. Der sekuläre liberal-kapitalistische jüdische Staat?

Die zweite Möglichkeit wäre ein sekulärer moderner Staat, wie er heute besteht, auch wenn die soziale Komponente aus dem Ruder gelaufen ist. Die israelische Wirtschaft blüht, die Wachstumsraten sind erfreulich, der durchschnittliche Lebensstandard ist jedoch am sinken und die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter, wie in vielen westlichen Ländern auch. Aktives Interesse des israelischen Durchschnittsbürgers an israelischer Politik und Sicherheit erwacht nur in Krisenzeiten. Sobald eine solche vorbei ist, schläft dieses Interesse wieder ein, etwas, das leider an Wahlen, die ja bei uns viel zu häufig stattfinden, zu beobachten ist. Diese Wahlfaulheit ist auch das Grundübel der innenpolitischen Malaise – würden mehr aufgeklärte Bürger, die es sehr wohl gibt, an Wahlen teilnehmen und an der Urne für vernunftgesteuerte Parteien und Politiker stimmen, die eine Regierung eben der Vernunft und des Ausgleichs ermöglichen würde, könnte der Einfluss ideologischen und religiösen Extremismus eingedämmt werden. Eine solche Regierung könnte dafür sorgen, dass (unter anderem) Religion Privatsache wird. Guter Jude und aufgeklärter Zionist kann man auch ohne Gott und Religion sein, eine Tatsache, die von vielen noch nicht erkannt worden ist, auch wenn die Gründung Israels in 1947 und sein dem vorhergehenden Aufbau der staatlichen Infrastruktur durch die Jewish Agency, im Wesentlichen genau durch Leute dieses modernen politischen und nicht des religiösen Zionismus vorangetrieben worden ist. Diese Regierungen, die auch Fehler machten (welche Regierung tut das nicht), man denke an die Militärregierung (Military Government) für unsere arabische Minderheit bis 1966, als die Regierung Israels endlich einsah, dass man sich damit nur in den eigenen Fuss schoss, da nur der arabische Widerwillen gegen den jüdischen Staat gefördert wurde, vom rechtlichen Aspekt ganz zu schweigen. Nachwirkungen davon sind bis heute zu spüren.

3. Der jüdisch-light Staat sekulärer Judentum-Nostalgiker?

Oh, da gibt es noch eine dritte Variante, den religiös neutralen statt orthodoxen jüdischen Staat, der das Verhalten seiner Bürger beim Essen, Reisen, am Schabbat, beim Heiraten, bei Geburten, beim Sterben, bei Scheidungen und anderen zivilen Ereignissen, sich nicht vom Staat das letzte Detail vorschreiben lassen will. Ein jüdischer Staat, der sich nicht ausschliesslich durch Kaschrut definiert, sondern anders denkende und sekuläre Juden anerkennt und sie nicht religiösem Diktat unterwirft. Jüdische Feste sind wunderschön, besitzen viel Gehalt und Tiefe und auch wenig oder gar nicht religiös observante Juden feiern sie gerne. Sie gehören dem gesamten jüdischen Volk Doch an Jom Kippur, dem unfreiwilligen aber begrüssenswerten autofreien Tag Israels, werden auf Ambulanzen Steine geworfen, obwohl eigentlich jeder weiss, dass diese nicht zum Vergnügen Kranke oder gar Sterbende ins Spital fahren. Dasselbe gilt auf die von den Haredim ausgeübte Opfer fordernde Gewalt gegen Zivilisten und Polizei, vor allem in Jerusalem. Da mehrheitlich aschkenasische Haredim den Staat Israel nicht anerkennen, ihn hassen, aber dennoch schamlos auf dessen Kosten leben, züchtet dieser Staat, in dem er diese Leute nicht genügend in die Schranken weist, eine schnell wachsende, dem demokratischen Leben gefährliche, Kolonne jüdischer „Jihadisten“.

4. Der jüdische Staat all seiner Bürger?

Da gibt es noch die vierte Variante, die des Staates aller seiner Bürger. Ein solcher Staat kann unmöglich verwirklicht werden, solange Israel keine Verfassung besitzt. Charakter des Staates, Grundrechte und Pflichten von Bürgern und Regierung müssen klar und unumstösslich festgelegt sein, auf einer, einem modernen aufgeklärten Staat entsprechenden Grundlage. Diese Verfassung müsste für die gesamte Bevölkerung Israels, Juden, Araber und alle anderen Minderheiten verpflichtend sein. Religion wäre Privatsache. Ausnahmen wären auch für die Frömmsten der Frommen nicht vorgesehen, vielleicht sogar verboten. Auch ein solcher Staat kann und soll ohne weiteres ein jüdischer Staat sein. Seine Verfassung und die darauf fussende Gesetzgebung wird von der Mehrheit der Bürger bestimmt, die nun mal jüdisch ist. Sie können, d.h. die Volksvertreter in der Knesset, unter voller Beachtung demokratischer Grundsätze für Minderheiten, Einwanderungsbestimmung erlassen, welche diese jüdische Mehrheit sichert. Da die Geburtsrate der Ultraorthodoxen doppelt so hoch ist, wie die der arabischen Bevölkerung, sollte das zu bewerkstelligen sein. Allerdings liegen auch hier Probleme vor, die in einer Verfassung verhindert werden müssten, wie eben der Einfluss der Religion auf die Demokratie. Andere demokratische Länder haben solche Gesetze, die allerdings für jüdische Flüchtlinge während des Zweiten Weltkrieges oft zu deren tödlichen Nachteil ausgelegt worden sind. Aber jeder moderne Staat – und das wollen wir sein – braucht integrierte Minderheiten, die ihn zwingen seine Humanität zu bewahren, um nicht nur neben ihnen, sondern mit ihnen als gleichberechtigte, dem Staatswesen beitragende Mitbürger zu leben.

Zusammenfassend denke ich, dass es einen jüdischer Staat, der nicht demokratisch ist, der autistisch nur sich selbst sieht und den Rest der Welt und deren Existenz und Nöte aus seinem Bewusstsein ausklammert, nicht geben darf. In der Variante des halachischen Gottesstaates (1) würde die Westbank annektiert, die dort lebenden Palästinenser und letztendlich auch die arabischen Bürger Israels wären tatsächlich zu einem Leben unter einem Apartheidregime verurteilt. Eine solche „jüdische“ Gesellschaft ist für die allermeisten Israelis ungeniessbar, ein Verrat an der humanistisch-demokratischen zionistischen Idee. Gerade die Besten der heutigen Gesellschaft könnten das nicht ertragen und würden auswandern, denn eine Gesellschaft, in der primitiver religiöser Fanatismus und Rassismus herrscht, wäre eine Gesellschaft des ewigen Krieges, der Gewalt und in absolutem Widerspruch zu allem, für das wir bisher eingestanden sind und das Israel zu einem der grossen Erfolge der vergangenen hundert Jahre gemacht hat. Das unabhängig von der ständigen existenziellen Gefahr durch die arabisch-islamische Welt, in der Israel seit seinem Entstehen existiert. Meine alte These, dass wir nicht eines Tages aufwachen wollen und einen „jüdischen Staat“ vor finden, den zu unterstützen es sich nicht mehr lohnt, darf sich nicht verwirklichen. Davon sind wir heute weniger weit entfernt, als wir gerne denken, die Gefahr einer versuchten Machtübernahme durch rechtsextremistische Kreise besteht. Rabins Ermordung hat uns das demonstriert. Das Benehmen extremistischer Siedler und der Hügeljugend, ihr Hass auf israelische Soldaten und Polizisten, ihre gewalttätigen Angriffen auf Oliven erntende Palästinenser, die Erziehung zum Araberhass jüdischer Kinder in Hebron, dass alles müsste in israelischen Köpfen eigentlich Sturm läuten. Wir müssen uns dem bewusst sein und uns davor schützen. Darum ist dem Preis eines jüdischen Staates eine Grenze zu setzen. Ein jüdischer Staat um jeden Preis? Nein!