Mittwoch, 27. Mai 2009

Grundsätzliches im Sinne von Christian Morgenstern

27.5.2009

Mein Freund Roger Guth hat sich seit langer Zeit eine Sisyphusarbeit aufgelastet, indem er Redaktoren der Schweizer Presse E-Mails schickt und sich über die fragwürdigen Berichte und Kommentare gewisser Schweizer Journalisten in Israel beklagt. Er ist mit Recht erbost über deren Jihadisten- und Hamashörigkeit, die zu erklären für uns „Kenner“ relativ leicht ist. Das allein schafft das Problem aber nicht aus der Welt.

Beim Lesen von Zeitungsberichten und Kommentaren über die Ereignisse im Nahen Osten bin ich immer wieder erstaunt, wie wenig viele der Berichterstatter, sogar jene vor Ort, über die Geschichte und Hintergründe des jüdisch-arabischen Konflikts unserer Zeit zu wissen scheinen. Einige scheinen nur an einzelnen Sensationen interessiert, hinterfragen wäre zusätzliche Arbeit, Hintergründe und Kontext sehen sie als politisch unkorrekte Störfaktoren. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass sie Informationen über etwas, das Israel in einem positiven Licht darstellen könnte, absolut nicht interessiert, ganz nach Christian Morgenstern:
Und er kommt zu dem Ergebnis:
"Nur ein Traum war das Erlebnis.
Weil", so schließt er messerscharf,
"nicht sein kann, was nicht sein darf."
Andere wiederum haben ihre Seele einseitig der palästinensischen Sache verkauft, lehnen israelische Darstellungen prinzipiell ab, denn der „Schwächere“ hat doch immer recht. Aber es gibt Journalisten, die einen wirklichen Durchblick wollen, kritisch, sogar selbstkritisch sind und keine Angst davor haben, einen „Liebesverlust“ der palästinensischen Pressebehörde und derer Inszenierungskünstler (auch "Fixer" genannt) zu riskieren. Ich bin stolz eine kleine Anzahl solcher Presseleute zu kennen, bei denen ich weiss, dass, wenn sie Negatives (davon gibt es mehr als genug) über Israelisches schreiben, dieses der Wirklichkeit entspricht. Noch mehr gilt das für Leserbriefschreiber, auch wenn es bei diesen mehrheitlich um seelenhygienische Vorgänge handelt, mit denen Dreck verspritzt und damit Druck abgelassen wird. Doch auch diese Leserbriefschreiber beziehen ihr „Wissen“ aus den Medien, die damit eine grosse Verantwortung übernommen haben, derer sie sich nicht immer bewusst sind.

Inzwischen bin ich erneut auf die Welt gekommen und habe begriffen, dass lange Briefe, besonders an Redaktoren, eine Zeitverschwendung sind. Ich habe eine fünfseitige Abhandlung mit dem Titel „Was jeder, der Israel kritisiert (oder Juden hasst) wissen sollte, aber nicht wissen will“ zum Thema geschrieben, die ich mir aber verkneife, wegzusenden. Stattdessen werde ich in kommenden Tagebucheinträgen als Anhang ein wenig Grundwissen geschichtlicher und politischer Fakten einfügen, die leicht zu verifizieren sind. Zudem gibt es in meinem Blog eine Liste interessanter Literatur zu den Themen (siehe Kolonne rechts).

Hier Grundwissen Nummer 1 und 2:

1. Zionismus und Judenhass

Politischer Zionismus ist das Produkt religiöser und geschichtlicher Sehnsüchte des jüdischen Volkes, die durch Theodor Herzl in einen politischen Rahmen verpackt und durch gesellschaftliche und politische Arbeit von seinen Nachfolgern realisiert wurden. Auslöser war für Herzl die antisemitische Dreyfus Affäre in Frankreich, der Hintergrund die zweitausend Jahre alte Geschichte der Juden im Exil, ihrer Verfolgung vor allem durch das Christentum, den Islam und die Mächtigen, die Judenhass dazu benutzten, ihre Völker zu manipulieren. Der Zionismus ist in meinen Augen die politisch erfolgreichste Bewegung des vergangenen Jahrhunderts und Israel eine Erfolgsstory, nicht nur im Vergleich mit seinen Nachbarländern, die fast alle ungefähr gleich lang als politisch unabhängige Staate existieren und es, sind wir ehrlich, zu nichts Vergleichbarem gebracht haben.

2. Palästina/Israel

Juden lebten auch in der Zeit des Exils in Palästina. In Jerusalem bilden sie seit über 150 Jahren die Mehrheit.

Bevölkerung in Jerusalem*
1870: Total 22' 000 - 11' 000 Juden + 6' 500 Moslems + 4' 500 Christen
1946: Total 165' 000 - 99' 500 Juden + 33' 500 Moslems + 32' 000 Christen
1994: Total 567' 200 - 406' 400 Juden + 145' 800 Moslems + 15' 000 Christen

Noch vor Herzls politischem Zionismus besiedelten osteuropäische Juden, meist aus religiöser Motivation, das Land. Es war dünn besiedelt, arm, grossenteils Wüste oder Malaria verseuchte Sümpfe. Araber bildeten die Mehrheit der Bevölkerung.

Bevölkerung bis 1947 in Palästina*
1922: 752' 048 davon - 83' 790 Juden+ 589' 177 Moslems+ 71' 464 Christen+ 7' 617 Drusen
1947:1' 933' 673 davon 614' 239 Juden+1'157' 423 Moslems+146' 162 Christen+15' 849 Drusen

Bevölkerung in Israel 1995*
Total 5' 548' 495 - 4' 494' 280 Juden + 798' 984 Moslems + 160' 906 Christen + 94' 325 Drusen
*Quellen:
  • Fischer Weltalmanach 2004,
  • Minderheiten in Israel/Oesterreichisch-Israelische Gesellschaft,
  • Israel heute/Israelisches Informationszentrum

    Vor allem während der britischen Mandatszeit, als sich das Land durch die wachsende jüdische Einwanderung, deren Aktivitäten und jüdischen Investitionen aus dem Ausland (Rothschild, Hirsch etc) wirtschaftlich zu entwickeln begann, liessen sich Arbeit suchende Araber aus anderen arabischen Ländern und Regionen in Palästina nieder. Palästinas arabische Bevölkerung wuchs weiter an, europäische Juden flohen vor den Nazis nach Palästina, arabische Juden folgten in den vierziger Jahren – aus ähnlichen Gründen. Nach der Staatsgründung wurden innert Jahrzehnten hunderttausende jüdischer Flüchtlinge in neuen Staat integriert – das genaue Gegenteil des Schicksals palästinensischer Araber in ihren Gastländern.

    Fortsetzung folgt.

Keine Kommentare: