Dienstag, 29. März 2011

Zweifel und Hoffnungen


Dieser Wochen und Monate wird jeder der sich als Jude politisch aufgeschlossen und liberal einstuft (im Volksmund also „Links“ bezeichnet) und den israelischen Extremismus der Siedler und der Ultraorthodoxie als weit gefährlicher für die Zukunft Israels sieht, als die Gefahren von arabischer und islamischer Seite, vor schwere Proben gestellt. In diesen Monaten beschliesst (oder möchte beschliessen) die Knesset vier rassistische Gesetze, die implizit gegen unsere arabischen und liberalen, eine demokratische Politkultur vertretende Bürger vorgesehen sind. Zwei dieser Gesetzesvorlagen sind schon angenommen worden, die beiden anderen werden, wie es aussieht, auch durchkommen. Es sind folgende Vorlagen, allesamt eine faschistoide Weltsicht vertretend, die auf extremistischem Nationalismus und damit verbundener pervertierter Religion fussen:


1. Die „Nakba“ Vorlage, soeben angenommen, verbietet das öffentliche Gedenken an die von den palästinensischen Arabern erlittene Katastrophe in 1948. Ob die Flucht als Panik oder aus Ermunterung dazu aus arabischen Kreisen jener Zeit oder eben als Vertreibung bezeichnet wird ist nicht eigentlich relevant. Ebenso wenig wie die Schuldfrage – obwohl ich denke, dass die Nakba das eindeutig hausgemachte Resultat falscher arabischer Politik und Volksverhetzung ist, die damit das palästinensische „Flüchtlingsproblem“ begründete. Hie und da hat die israelische Armee sicher ein wenig nachgeholfen, wie Benny Morris in seinem Buch „1948“ bestätigt, doch grundsätzlich war es der arabische Angriff auf das eben gegründete Israel, der diese Flucht auslöste. Aber jeder Mensch und jede Gemeinschaft muss das Recht besitzen, ihre eigene Geschichte so zu interpretieren, wie sie sie erlebt hat. Ich sehe dieses absolut antidemokratische Gesetz als Spiegelbild der Holocaustleugnung, die uns Juden verleumdet und beleidigt - eine moderne Variante des Judenhasses.

2. Ein weiteres Gesetz dieser Art – inzwischen aber nur vorläufig in einer Schublade in Wartestellung ist das Gesetz, das die freie Niederlassung, Eckpfeiler einer Demokratie, einschränken soll. Kleine Ortschaften im Norden und im Süden des Landes, mit weniger als 400 Einwohnern, sollen bestimmen dürfen, ob Personen dort wohnen dürfen – es gibt dafür eine Personenprüfkomitee. Man stelle sich vor, Schweizer Juden müssten Anträge stellen, ob sie vielleicht in einem kleinen Schweizer Dorf wohnen dürften, in Kauf nehmend als gesellschaftlich ungeeignet abgelehnt zu werden. Dieses Gesetz zielt, wie könnte es anders sein – auf Israels Araber. Auf Grund der Kritik gegen diesen Gesetzesentwurf, wurde die Anwendung auf Nord- und Südisrael beschränkt. Zwar soll dieses Gesetz Schutz vor rassistischem und religiösem beinhalten – doch wie immer: man schlägt den Sack und meint die Katze.

3. Ein Gesetzesentwurf, der jedem israelischen Bürger vorschreibt, den Staat Israel als jüdischen demokratischen Staat per Treueid zu unterstützen. Dieser Gesetzesvorschlag taucht wiederholt aus der Versenkung auf und falls die wachsende Entdemokratisierung des Landes durch politisch Rechtsextreme anhält, wird sie bestimmt wieder aufs Tapet gebracht.

4. Ein Gesetz, das israelischen Bürgern, die als Terroristen verurteilt worden sind – die Staatsbürgerschaft entzieht. Damit ist natürlich nicht Yigal Amir, der Mörder Rabins gemeint oder der Siedler, der seine arabischen Arbeiter umgebracht hatte – es ist ausschliesslich gegen arabische Bürger gedacht, aber allgemein gehalten, um den versteckten Rassismus dahinter, nicht allzu offensichtlich werden zu lassen. Gruss an die SVP.

Das ist nur eine kleine Auswahl rassistischer Gesetzesvorlagen, die von rechtsextremistischer Seite auf unser Parlament zurollen. Alles kann diskutiert werden und soll es auch. Doch diese Welle hat eigentlich nur einen einzigen Zweck – unsere arabischen Bürger zu delegitimieren. Die israelische Linke in der Knesset – die Vertreter der Arbeitspartei, Meretz, viele Mitglieder von Kadima und sogar einige wenige Veteranen des Likuds – sind heute schwach und trauen sich nicht wirklich Stellung zu beziehen. Sie nahmen nicht einmal in genügender Zahl an der Parlamentabstimmung über das Nakba-Gesetz teil. So stimmten bloss 25 Abgeordnete dagegen, mehr waren nicht anwesend. Solange der Einfluss der Siedlerideologen und der sie unterstützenden religiösextremistischen Rabbiner und nationalistischen Politiker die Politik der Regierung bestimmen, wird sich nichts ändern und Israel wird sich in wenigen Jahrzehnten aus der Reihe wirklicher demokratischer Staaten verabschieden müssen. Ich bin der Meinung Bassam Tibis, der in einem Radio-Interview meinte, die erfolgreichen Unruhen arabischer Demokratiebewegungen beruhen fast ausschliesslich auf dem Drang auf ein besseres materielles Leben und nicht, wie von uns westlichen Idealisten falsch wunschgedacht, auf dem Wunsch nach moderner Demokratie, politischen Freiheiten und Meinungsvielfalt. Der herrschende islamistische Würgegriff in diesen Ländern, lässt das nicht zu. Ich denke, dass gerade diese nie öffentlich ausgesprochene westliche Falscheinschätzung die Gefahr einer islamistischen Machtübernahme zu einer realistischen Möglichkeit verschweigt oder verniedlicht. So nach dem geflügelten Wort: „Eine Stimme, eine Wahl, einmal“ – dann zurück zur Tyrannei unter anderem Personal. Die heutige Blüte politischer Macht der religiös und politisch Rechten in Israel macht diese nicht zu den alleinigen Gegnern von Frieden und Verständigung. Sie sind nicht allein in ihrer Abneigung auf Frieden zwischen dem Staat der Juden und den Palästinensern. Wenn man die Masse der antisemitischen Ausbrüche aus der arabischen Welt – hier ein Müsterchen: http://vimeo.com/16779150 - kommt man an Zweifeln an der Möglichkeit diesen Judenhass auch nur im mindestens zu überkommen, nicht herum. Es handelt sich nicht um einige wenige Spinner, sondern um die bestimmende Strömung innerhalb der arabischen Welt und sie wird von den Machthabern dieser Länder nicht bekämpft, ist sie doch bis anhin das Ventil zum Schutz eben dieser Machthaber gewesen. Als zweites Ventil gibt es heute den Wunsch arabischer Massen nach Freiheit, was immer diese darunter verstehen wollen. Die Maslowsche Pyramide (siehe Grafik) könnte uns einen Hinweis auf die wirklichen Aspiration der arabischen Revoluzzer verschaffen. Zur Zeit geht es ihnen, so scheint es mir, vor allem oder gar ausschliesslich um die untersten zwei Ebenen: physiologische Grundbedürfnisse sowie Schutz und Sicherheit.

Auch wenn heute in der arabischen Welt Demokratie verlangt wird, gibt es bisher keinen Hinweis darauf, dass sich der Hass der arabischen Strasse gegen Juden und Israel, und wenn wir schon dabei sind, auch gegen Christen und andere Nichtmuslime, verändert hat. In keinem der Länder, in denen gerade Revolutionen stattfinden, sind die Ziele bisher klar definiert worden. Vielleicht weil in keinem dieser Länder ein klares politisches Programm zu erkennen ist, aus dem nicht nur hervorgeht welche Ziele die Revoluzzer eigentlich verfolgen und vor allem, wer in diese Staaten als neue aber wirklich demokratisch gewählte Führungsriege überhaupt in Frage kommt. Die Sorge Israels und anderer demokratischer Staaten, dass die Macht der bisherigen in jeder Beziehung korrupten Diktatoren durch frömmelnde „Demokratien“ im Stil Irans abgelöst werden könnten, ist noch nicht entkräftet.

Mittwoch, 23. März 2011

Wenn Religion and Rassismus sich vereinigen

Folgenden Tagebucheintrag schrieb ich Mitte Februar. Irgendwie wurde er vergessen und nicht in den Blog eingefügt. Das hole ich hier nach:

Uri Themals Klarstellung in unserem gemeinsamen Interview vom 7.2.2011, dass Religion – er spricht von den drei monotheistischen Religion Judentum, Christentum und Islam – mit Demokratie nicht zu vereinbaren ist, wird in Israel wie kaum je bevor, fast täglich bewiesen. Die dieser Tage modischen faschistoiden Gesetzesvorlagen, die von den herrschenden Rebben, vor allem der aschkenasischen Konfession, und auch säkularen Rechtsextremisten, ausgedacht und vorgelegt werden, belegen diese These. Nicht alle diese Versuche beruhen auf religiösem Hintergrund.
Hier ein populäres Beispiel: Extremisten des Likuds and rechts davon wollten eine Gesetz durchbringen, mit dem sogenannt linke NGOs untersucht werden können um herauszufinden, wer sie finanziert. Eine Idee, die völlig dem Gedankengut eines US-Senator McCarty entsprungen sein könnte. Auch Lieberman und Nethanyahu sprachen sich erst dafür aus. Doch die Diskussion und Empörung über diese Gesetzesvorlage, die allen demokratischen Grundlagen widerspricht, führte dazu, dass Nethanyahu kalte Füsse bekam. Erst hob er die Abstimmungsdisziplin für seine Partei auf. Als er feststellte, dass die Vorlage auf einmal vom Parlament keine Mehrheit erhalten könnte, versenkte er diese in eine tiefe Schublade und die Angelegenheit war vom Tisch. Mit anderen Worten: eine zutiefst undemokratische Gesetzesvorlage wurde auf zutiefst demokratische Art abgeschossen, noch bevor sie sogar zu einer Diskussion im Parlament kam. Wieder einmal zeigte sich Israel als demokratischer Staat - auch Faschistoides wird diskutiert und entsprechend seinem Wert in den Mistkübel der israelischen Geschichte geworfen. Hoffentlich gibt es da in der Zukunft keine Ausnahmen.
Widmen wir uns lieber unseren revolutionierenden Nachbarn. Wie die sich momentan noch zurückhaltenden Muslimbrüder in Aegypten, die ihrer islamo-faschistischen Ideologie in Gaza einen politischen Probelauf gestatten. Dort werden deren Gräuel live angewandt und die Welt könnte, wenn sie wollte, von Armstuhl aus zusehen, wie Islamisten Nichtislamisten, aber auch normale sunnitische Muslime und Christen verfolgt, einen Anschauungsunterricht bietend, wie ein Aegypten oder auch ein Palästina der Muslimbrüder à la Al Banna, Sayed Qutb und deren palästinensischen Partner, dem Jerusalemer Grossmufti ihrer Zeit, Mohammed Amin Al-Husseini, auszusehen hat. Al Banna und Qutb wurden exekutiert, der Grossmufti floh zu den Nazis und verbrachte den Zweiten Weltkrieg in Berlin. Vielleicht ist es interessant zu vermerken, dass der in Genf lebende Tarik Ramadan, Enkel des Muftis, heute seinen Opa reinzuwaschen und dessen Judenhass, Holocaustbegeisterung und Vorliebe für nazistischen Rassismus zu relativieren sucht.
Unter dem Titel „Hitler Put Them in Their Place“ publizierte dieser Tage Dr. Harold Brackman eine Studie über Aegyptens Muslimbrüder und ihrem Jihad gegen Juden, Judentum und Israel.(http://www.wiesenthal.com/atf/cf/%7B54d385e6-f1b9-4e9f-8e94-890c3e6dd277%7D/HITLER-PUT-THEM-IN-THEIR-PLACE_BRACKMAN_FINAL.PDF) Aus dem einführenden Kapitel „Was die Brüderschaft glaubt“ einige Zitate, von mir aus dem Englischen übersetzt:
Nüchterne Warnungen
  • Eine Globale Bedrohung: „Ein radikalisiertes Verständnis des Islam hat die Welt ergriffen, möglicherweise weitergreifend als alle anderen in der vierzehn Jahrhunderte dauernde Geschichte des Islams und es hat jeden ernsthaften Rivalen verjagt oder zum Schweigen gebracht (Daniel Pipes (2002)
  • Eine muslimische Einschätzung: „Das Problem der Muslimischen Brüderschaft ist die, dass sie keinerlei Scham besitzt. Der Anfang all dieses religiösen Terrorismus, dem wir Zeuge sind, beruht auf ihrer Ideologie des Takfir (dem verleumden anderer Muslime)….. Die Gründer dieser gewalttätigen Gruppen wuchsen in der muslimischen Brüderschaft auf und jene die mit Bin Landen und al-Qaeda sind taten dies unter dem Mantel der Brüderschaft“. (Dr. Ahmad al-Rab, ehemaliger Erziehungsminister von Kuweit, 2005)
In eigenen Worten

  • · Todeskult: „Schande und Ehrlosigkeit sind das Resultat der Liebe zu dieser Welt. Deshalb bereitet euch für den Jihad vor liebt den Tod. … Der Tod ist eine Kunst und die hervorragendste aller Künste, wenn sie von einem geschickten Künstler praktiziert wird.“ (Hassan al-Banna, ca. 1940)
  • · Gewalt: „Geschichte wird nicht ohne Gewalt geschrieben. Ruhm baut keine Denkmale ohne Totenschädel. Ehre und Respekt kann nicht gesichert werden, wenn es dafür keine Grundlage mit Krüppeln und Leichen gibt“. (Abdullah Azzam, Lehrer der Brüderschaft und von Osama bin Laden, 2003)
  • · Demokratie: „Demokratie widerspricht und bekämpft den Islam. Wer immer zur Demokratie aufruft, bekämpft Gottes Plan und den Islam“. (Mustapha Masour, Oberster Geistiger Führer der Brüderschaft, 1981)
  • · Tötet die Juden: „Das Versailles Abkommen war für die Deutschen wie auch für die Araber eine Katastrophe. Aber die Deutschen wissen wie man Juden los wird … Die Deutschen schadeten noch nie einem Muslim und sie bekämpfen unseren gemeinsamen Feind, der Araber und Muslime verfolgte. Aber mehr als alles andere, sie haben das jüdische Problem gelöst. Araber! Erhebt euch und verteidigt eure heiligen Rechte. Tötet die Juden wo immer ihr sie findet … Gott ist mit euch.“ (Mohammad Amin al-Husseini, Grossmufti von Jerusalem, 1943)

Freitag, 18. März 2011

Iran v. Japan

Hier bitte ein Bömbchen von Hendryk Broder, auf das er von einem anderen denkenden Menschen gebracht worden ist. Wie recht er hat - aber wer dachte denn schon daran.

Donnerstag, 17. März 2011

Artikel im Journal21


Im Journal21 wurde mir nun schon zum dritten Mal Gelegenheit gegeben einen Artikel zu veröffentlichen.


Samstag, 12. März 2011

Eine Empfehlung

Im vergangenen Dezember und Januar veröffentlichte die für mich beste politische Monatzeitschrift „Cicero“ einen Blog aus Israel aus der Feder von Ingo Way. Hier als Beispiel seine Beschreibung des Gideon Levy, dem Haaretz-Journalisten, der sich eine Marktnische in Sachen antiisraelischer Verleumdungen und Übertreibungen erbaut hat und darin sehr gut lebt und noch besser verdient. Ausserhalb Israels wird er von der Israelkritik frönenden Fangemeinde als Halbgott verehrt und tatsächlich ernst genommen. Gideon Levy ist einer der humorlosesten Menschen, die ich je kennen gelernt habe (ich treffe ihn gelegentlich und stets zufällig in der Galerie oder an kulturellen Anlässen) – aber jedem das Seine, auch seine einmalige Humorlosigkeit sei ihm unbenommen. Hier was Ingo Way über ihn schreibt, als extremes Beispiel der arabischer Entmündigung durch israelische Gutmenschen aus Medien und Kunst:

Auf die Spitze getrieben wird diese Haltung von Gideon Levy. Der Starkolumnist der Tageszeitung Haaretz gefällt sich seit Jahren in der Pose des einsamen Propheten, der im eigenen Land nichts gilt – und das, obwohl er zu den bestbezahlten Journalisten des Landes zählt. Levy geht im persönlichen Gespräch sogar so weit, zu behaupten, die Palästinenser würden in Konzentrationslagern leben. Als ihm dann Unmut entgegenschlägt, mit dem er anscheinend nicht gerechnet hat, rudert er zurück: Er wolle Israel keineswegs mit Nazideutschland vergleichen. Als sich die Atmosphäre ein wenig beruhigt, rudert er wieder vor: „Allenfalls mit dem Deutschland des Jahres 1933, als die Entrechtung und Ausgrenzung der Juden langsam losging.“ Eben dies hat Levy schon vor acht Jahren in der Haaretz geschrieben. Und wenn 2003 für Israel 1933 war, dann müsste, wenn Levys Analogie taugt, heute 1941 sein. Und noch immer gibt es in Israel keinen Nationalsozialismus und keine Konzentrationslager, und er, Levy, kann munter seine Artikel veröffentlichen.

Hier bitte
der Link zu Ingo Ways Blog – es macht Freude israelische Realität zu entdecken.

Sonntag, 6. März 2011

Spitaltage 2

Heute früh rief mich Ahmad, mein erster Zimmergenosse an und wollte wissen, wie es mir gehe. Zudem richtete er Grüsse aus von Said Abu-Shakra und von seinem Chef Sami. Arbeiten darf er noch längere Zeit nicht, seine Nieren lassen das nicht zu.

Mohammad, mein neuester Zimmergenosse meint, dass die Amerikaner in Irak schon eine Million Araber umgebracht hätten, der Saddam Hussein scheint in seinen Augen ein Lieber gewesen zu sein. Die fast zehntausend Kurden von Halabja seien nicht von ihm vergast worden, sonders es seien die Iraner gewesen. Also ging ich ins Internet um mich schlau zu machen. Es scheint darüber tatsächlich eine Diskussion gegeben zu haben, doch am Ende war es halt doch der Saddam Hussein, das war jedenfalls der Schluss der sich damit befassenden Gremien. Beiden, den Iranern und den Irakern (und auch den Türken) ist gemeinsam, dass sie Kurden nicht mögen und diese traditionell verfolgen und unterdrücken. Weit wichtiger als diese Aussage meines Zimmergenossen Mohammed war seine Absage an den heutigen Islam, der mit dem wahren Islam nichts zu tun habe. Der wahre Islam sei zwar nicht demokratisch aber gerecht und behandle Juden als Gleichberechtigte. Nur scheint mir, dass diese schöne Zeit schon seit Jahrhunderten vorbei ist und die heutigen Probleme auf dem faschistoiden Islamismus von heute beruhen. Schön, immerhin steht Mohammed jeden Tag um fünf Uhr früh zum Gebet auf und klettert dann wieder ins Bett zurück um weiter zu schlafen. Das ist gut so und tut niemandem weh. Doch brachte ich es nicht fertig bei ihm Grundlagen demokratischen Denkens zu entdecken. Religion und Demokratie sind einfach nicht unter einen Hut zu bringen, sei es bei uns Juden, dem Islam und dem Christentum. Beim Abschied schenkte er mir seinen wunderschönen grünen Gebetsteppich und ich muss mir überlegen, was ich mit diesem Schmucksstück tun soll. Einen Ehrenplatz in unserer Wohnung ist er sicherlich wert.

Wenn wir schon bei arabischer Demokratie sind: genau so wenig wie Juden, die von einem jüdischen und demokratischen Staat schwafeln – einem Oxymoron per se – scheint ein grosser Teil der westlichen Welt wenigstens öffentlich überzeugt, die arabische Welt habe Demokratie entdeckt. Bisher in Tunesien, Ägypten, Bahrain, Libyen, Jemen und wo ich es vielleicht schon vergessen habe, sind Millionen Menschen auf die Strasse gegangen und haben gegen ihre nationalen Tyrannen gemeutert. Sie haben politische Meinungsfreiheit ausgeübt, zum Teil mit enormem Erfolg. Aber wie geht es weiter? Von der Gleichberechtigung der Frau und Minderheiten, von rechtsstaatlichen Grundsätzen, von Freiheit für alle und von allen Religionen und all den anderen Grundsätzen demokratischen Verhaltens, von Gewaltentrennung usw. hört man nichts. Wenn es bei der Ausübung des demokratischen Demonstrationsrechts bleibt, hat vielleicht vor allem der Pöbel gewonnen. Irgendeine Diktaturform, sei es Armee oder Islamisten, könnte zurückkehren und so weitermachen, wie ihre gestürzten Vorgänger. Es bleibt zu, hoffen, dass sich in diesen Ländern möglichst schnell eine demokratische nicht korrupte Führerschaft entwickelt, die diese arabischen Menschen in die Praktiken und Grundsätze demokratischen Lebens einführen können. Denn kaum ein Volk ist so traditionslos mit freiheitlichen Lebensformen, wie das arabische. Ich denke da besonders freudig an den unter heftigem Beschuss stehenden Jean Ziegler, dessen Talent für alles Ausreden zu finden und die Schweiz für alles Böse unter der Sonne verantwortlich zu machen. Man wirft ihm heute seine Freundschaft zu Ghadaffi vor, doch hört Mal Freunde: habt ihr seine nicht weniger grosse Freundschaft zu Saddam Hussein vergessen, zu dessen Apologeten er sich hochstilisiert hatte?

Vor zwei Stunden wurde mir Zimmerpartner Nummer 4 vorgestellt. Heissen tut er Simando und ist jüdischer Tscherkesse (warum soll es das nicht geben, gibt es doch auch jüdische Schweizer). Ein lustiger kleiner Mann mit Dächlikappe, der sich umsonst freute mit mir Russisch sprechen zu können. Als Tscherkesse spricht er kein Jiddisch, mit dem wir uns hätten behelfen können, denn die Juden von dort sprechen Farsi, die Sprache der Perser, was ihn zu einem orientalischen Juden macht. Soeben hat ihn die Schwester wieder verlegt, er brauche ein Zimmer mit Monitor. Schade, ich hätte gerne Tscherkessisch gelernt. Sein Nachfolger ist schon da, er heisst Chesi.

Freitag, 4. März 2011

Spitaltage


Um multikulturellen Erfolg in Israel zu sichten, genügen wenige Tage Spitalaufenthalt. So wie ich gerade in diesen sonnigen Tagen, an denen ich gerne etwas anderes täte.

Seit Montag befinde ich mich im Hillel Jaffe Spital in Hadera in einem Zweierzimmer im Neubau des Spitals. Mein erster Zimmergenosse hiess Achmad und wurde gestern entlassen. Ahmad ist Student und arbeitet in Umm El-Fahm im neuen und wirklich feinen Restaurant Kanari. Dieses Lokal gibt es seit drei Monaten und Sami, der Besitzer, ist für den frommen und konservativen Ort eine Ausnahmeerscheinung. Allerdings wohnt er im benachbarten Ara, wo
weniger konservative Sitten herrschen. Sami scheint etwa 40 Jahre alt zu sein, spricht tadelloses englisches Englisch, denn er hatte lange Jahre in England studiert und gearbeitet und ist ein moderner Mensch zu sein, wie Du und ich. Er lernte in England ein spanisches Mädchen aus Teneriffa auf den kanarischen Inseln kennen. Sie heirateten und er liess sich auf ihrer heimatlichen Insel nieder, eröffnete eine Süssigkeitenfabrik und ein Restaurant. Sie haben drei Kinder, seine christliche Frau trat zum Islam über. Da Sami seine Kinder in der arabischen Kultur, die in Israel etwas weniger oppressiv ist als in den umliegenden Ländern, aufwachsen lassen will, kehrten sie nach Israel zurück. Ausnahmen, wenn ich schon von oppressiver arabischer Kultur schreibe, wie der gerade wieder mal in einem Gefängnis einsitzende Scheich Ra'ed Salah, bestätigen die Regel, auch wenn sich der Scheich alle paar Monate kurz aufbläst, zu hasserfüllten Krawallen aufruft, die ihn meist ins erholsame Zuchthaus bringen, wo er gerade jetzt wieder residiert, wie mir Ahmad lachend erzählte. Warum unsere jüdischen Faschisten wie Baruch Marzel und Ben Arie dem Scheich nicht die Ehrenmitgliedschaft in ihrem Extremistenverein angeboten haben, ist mir noch immer unverständlich, verfolgt er doch dieselben Ziele, spiegelbildlich gesehen. Er ist deren Geistesbruder in Rassenhass und überdrehtem Nationalismus. Vielleicht weil Sami bei seinen Aufenthalten in England und Spanien als Geschäftsmann lebte und weder Zeit noch Neigung für palästinensischen Patriotismus besitzt, scheut er sich nicht in Umm El-Fahm auch Juden gegenüber zu sagen, was er wirklich denkt. Doch dazu in einem anderen Tagebucheintrag.

Hier im Hillel Jaffe Spital läuft nichts ohne arabische Mitarbeiter. Fast alle Ärzte in unserer Abteilung sind Araber, der Chefarzt Dr. Jarkovsky ist keiner, sein Stellvertreter, Dr. Abu Much ist einer und beide gleichen sich im Äusseren und auch in ihrer Art uns Patienten gegenüber, wie ein Ei dem Anderen. Ich habe hier noch keinen nichtarabischen Assistenzarzt getroffen, jedoch einige Stageure, die in Deutschland studieren. Das Pflegepersonal ist gemischt: Schwestern und Pfleger arabischer Herkunft, einige russische Juden beigemischt, Sabres habe ich noch keine gesichtet. Die Putzfrauen sprechen Russisch. Alles funktioniert tadellos, d.h. alles, was menschliche Betreuung und Interaktion betrifft. Das Haus 2 des Hillel Jaffe Spitals ist neu, doch irgendwie scheint die Planung nicht ganz der Wirklichkeit zu entsprechen. Unser Zweierzimmer – in Israel eigentlich ein Luxus - ist als Einzelzimmer konzipiert, die Dreierzimmer als Zweierzimmer, das luxuriöse Badezimmer (für zwei) lässt aus den Hähnen das Wasser nur gerade tröpfeln. Wirklich wichtig ist jedoch die Tatsache, dass wir Patienten ernst genommen werden, auch wenn der materielle Luxus ein wenig zu wünschen übrig lässt. Bisher hat sich noch niemand darüber aufgeregt.

Soeben habe ich den Zimmerpartner Nummer Drei bekommen, Muhammad, ein netter Mann mittleren Alters. Sein Vorgänger, Moshe, blieb nur gerade eine Nacht, denn er hatte „bloss“ eine Lungenentzündung. Er hinterliess mir, ich war gerade nicht im Zimmer als er sich verabschiedete, Getränke und Gebäck. Der Neue, Mohammad, packte als Erstes einen wunderschönen grünen Gebetsteppich aus, legte ihn vor der Türe ans Fenster und betete. Wie ist er zu beneiden, denn obwohl es in der Abteilung genügend Muslime gibt, hatte er nicht den Drang einen Minjan der Muslime (wenn es so etwas überhaupt gibt) zusammensuchen zu müssen. Offen gebe ich zu, darüber wenig Ahnung zu haben, doch ist mir verschiedentlich schon aufgefallen, wie frei Muslime dem Gebot fünfmal täglich zu beten, nachkommen. Im Olivenölladen von Umm El-Fahm bat mich der Inhaber um einige Minuten Zeit, um dieser Pflicht nachzukommen, im Frucht- und Gemüsestand an der Landstrasse Nummer 4 in benachbarten Faradis geschah mir dasselbe – beide benutzten jedoch statt einem schönen Teppich plattgedrückte Kartone. Muhammad war schon sechsmal auf den Hadsch nach Mekka und ist inzwischen Reiseleiter für diesen Pilgertrip geworden. Muhammad ist, wie ich, zur Beobachtung hier, allerdings hat er seine Angiographie schon hinter sich. Er schnarche nicht und scheint, im Gegensatz zu Ahmad, ein guter Schläfer zu sein, sodass ihn mein Schlafgetöse nicht stören sollte.

Soeben ruft eine Hilfsschwester: „Chewre, bou le’echol!“ (Freunde, kommt essen!). Tatsächlich, es gibt warme Hühnerschenkel, sogar zwei, mit Hühnersuppe (ebenfalls warm) mit Fideli statt Matzeknödel, denn es ist Erew Schabbat. Ich setze mich an den runden Tisch. Eine Dame mittleren Alters (hoch in den Achtzigern) stellt mir ihre junge Tochter vor (hoch in Fünfzigern, aber blond und schön füllig). Ich verkneife mir zu sagen, ich sei schon vergeben, erhebe mich wie der Gentleman, der ich bin und höre mich sagen: „Na’im meod“ (sehr angenehm), schüttle zwei Hände, setze mich wieder hin, würge schnell meine zwei Pouletschenkel hinunter und flüchte zurück ins Zimmer, jedoch nicht vergessend, „Schabbat Schalom“ zu sagen. Hier geht es gesittet zu, in diesem Spital der Jeckes und der Araber.

Noch weiss ich nicht, wann ich hier herauskomme. Ferien stelle ich mir anders vor, etwa in Arosa im Tiefschnee oder auf der sommerlichen Alp. Vielleicht klappt das noch.