Sonntag, 5. Februar 2012

Unterschiede



Mein Tagebuchbucheintrag vom 26.12.2011 war einige Tage später im Journal21 in redigierter Form und mit anderem Titel erschienen. Heute erst fiel mir ein nachzusehen, ob es Kommentare gibt. Ich fand einen Brief von Arnold Hottinger:

01. January 2012, 16:20, Arnold Johann Kaspar Hottinger
Lieber Herr Russak, wenn sie David Pryce Jones zitieren, um uns über die Natur "der Araber" aufzuklären, ist das nicht anders als wenn jemand einen notorischen Antisemiten zitieren wollte, um uns über die Natur "der Juden" zu informieren.
Der Herr ist ein notorischer Anti-Araber nicht weniger präjudiziert, als es von einem notorischen Antisemiten gegenüber den Juden zu gewärtigen ist. Die Geschichte von Ehre und Schande ist sehr beliebt in Israel, wenn es darum geht "die Araber" zu erklären. Das heisst aber nicht, dass sie als alleiniges Erklärungsmuster brauchbar wäre. Genau so wie man "die Juden" nicht durch ihre behauptete Geldgierigkeit oder andere oder andere ihnen zugeschriebene Eigenschaften erklären kann.

Judenhass

Arnold Honegger vergleicht feststehende Tatsachen mit Vorurteilen. Nehmen wir die Vorurteile zuerst. Die  den Juden zugeordneten  antisemitisch Vorurteile, wie eben ihre Geldgierigkeit, die Protokolle  der Weisen von Zion, die im Stürmer verbreiteten Vorwürfe entbehren jeder wahren Grundlage, sind erfunden und erlogen, und werden trotzdem von vielen gerne „geglaubt“. Die Tradition des Judenhasses wurde ursprünglich  von der christlichen Kirche verbreitet und später von der „Religion des Rassismus“ (Nationalsozialismus) aufgenommen und perfektioniert. Der moderne Judenhass wird perfide als  Israelkritik deklariert und gaukelt damit vor einen rationalen Hintergrund zu haben. Stets war Judenhass ein Mittel der Machterhaltung und  Mittel der Politik. Ein berühmtes Beispiel des Letzteren ist noch immer die Dreyfus Affäre, der Auslöser des heutigen politischen Zionismus. Die kürzeste Erklärung ist wohl die von August Bebel: „Der Antisemitismus ist der Sozialismus der dummen Kerle“. Ich will hier nicht weiter darauf eintreten.

Araberkritik oder Islamophobie

Durch meinen Umgang mit arabischen Freunden und der Teilnahme an arabischen Anlässen habe ich direkten Anschauungsunterricht zu vielen Aspekten arabischer und muslimischer Traditionen erhalten. Über den Begriff „Ehre und Schande“ diskutierte ich mit ihnen, bevor ich darüber bei David Pryce-Jones las. Familiäre Ehrenmorde, die mittlerweile auch in Europa vorkommen, sind nicht nur in Israel, der Westbank und anderen muslimischen Ländern ein fast tägliches Vorkommnis. Genau so wie Frauenbeschneidungen. Das sind zwei der Traditionen, die die Ehre arabischer Männer erhalten. Anthropologisch mögen sie vielleicht interessant sein, doch den Ansprüchen an eine demokratische und freie Gesellschaft entsprechen sie nicht – auch wenn die arabische Welt genau dies für sich beansprucht.
Familiäre Gewalt im Überfluss, Unterdrückung der Frau, Gewalt und Terror gegen andere, politische Tyrannei und religiöser Fanatismus der schlimmsten Art sind alles Tatsachen die das tägliche Brot der Berichterstattung über den Mittleren Osten und die Mehrzahl islamischer Staaten sind. Bestimmt sind sie, im Gegensatz zu Behauptungen Juden hassender Kreise, keine Früchte von Vorurteilen und Lügen. Sie sind Tatsachen, die in der heutigen westlichen Kultur nicht goutiert werden. Ich gebe gerne zu, dass es viele arabische und muslimische Menschen gibt, die unmenschliche Traditionen zutiefst ablehnen und grundsätzlich verurteilen, soweit dies in der arabisch-muslimischen Gesellschaft möglich ist. Und es  ist keine verschwindende Minderheit, die diese Traditionen ausübt, sei es im Familien- und Clanleben oder in der Politik. Wie in anderen Religionen auch, das gilt fürs Juden- und Christentum, handelt es sich überwiegend um keine religiösen Vorschriften, sondern um liebgewonnene Überbleibsel aus heidnischen Zeiten. 

Arabismus, Kritik und die heutige Lage

Ich schätze Arnold Hottinger, er ist ein grossartiger Journalist und  vielen ein Vorbild. Er scheint auch Arabist der alten Schule zu sein, ein wenig versponnen vielleicht in der Welt Karl Mays, des Hadschi Alef Omars, Kara Ben Nemsis und der Welt des alten Arabiens zur Zeit des osmanischen Reiches vor hundertfünfzig Jahren. Auch ich war als Junge ein solcher Romantiker, las, eben, Karl May und T.E. Lawrences „Die sieben Säulen der Weisheit“ mehr als nur einmal. Manche entwachsen dieser Romantik, ganz besonders wenn sie mit der heutigen Realität konfrontiert sind.

Zusammenfassend stelle ich fest, dass Arnold Hottingers Vergleich zwischen Antisemitismus und Araber- und Islamkritik völlig deplatziert ist. Antisemitismus ist die Summe aller Vorurteile, Böswilligkeiten und Dummheiten in der Betrachtung des jüdischen Volkes. Dem steht entgegen, dass die heutigen Vorkommnisse in der arabisch-muslimischen Welt dem Betrachter der Geschehnisse in diesen Staaten tagtäglich soviel Negatives vor geführt wird, dass dieser sich fast mit Gewalt auf etwas Positives besinnen muss. Obenstehende arabische Eigenheiten stellen bestimmt nicht die Summe des arabischen Lebens und seiner Werte dar. Doch sie bestimmen heute die Sicht der Mehrheit in der westlichen Welt.  Die momentanen Geschehnisse im Zusammenhang mit dem „arabischen Frühling“, die unzähligen Opfer, die durch Aufstände in verschiedenen muslimischen Ländern verursacht werden, die Menschenrechtsverstösse gigantischen Ausmasses in Syrien, Ägypten, Libyen, Sudan, Nigeria, Afghanistan, Iran, Irak etc., Terroranschläge der Schiiten gegen Sunniten und umgekehrt, die Christenmorde in Ägypten, Irak und Nigeria und noch einiges Andere sind für jeden sichtbare und dokumentierte Fakten, die mit Vorurteilen wenig zu tun haben.

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