Mittwoch, 7. November 2012

Youssef M. Ibrahim

 

 
Oft habe ich in meinen Tagebuchzeilen das Thema arabischer Realisten, in anderen Worten arabischer Friedensvertreter gegenüber Israel und den freien Gesellschaften der Welt ganz allgemein, angesprochen. Immer wieder hatte ich betont, dass es zwar wenige Dutzend solcher gibt, sie jedoch kaum in der arabischen Welt selbst, sondern im der freien Gesellschaft des Westens leben. Einige von ihnen wie Fuad Ajami der Princeton Universität und Bassam Tibi aus Göttingen habe ich schon erwähnt. Neuerdings ist mir Youssef M. Ibrahim unter die Augen gekommen. Youssef M. Ibrahim ist Journalist und, schreibt seit Jahrzehnten für grosse Zeitungen der USA und steht heute einem sich mit Energiefragen beschäftigendem Thinktank vor. Er lebt wechselweise in den USA und Dubai. In einem TV-Interview in 2009 beschreibt er wunderschön, fast rührend, seine Kindheit und Jugend in Ägypten und erklärt die heutigen Vorgänge in der arabischen Welt. Er meint im Gespräch überzeugend „dass die arabische Sicht, das keine arabischen Probleme gelöst werden können, bevor nicht der Israel-Palästina Konflikt gelöst ist, sei vollkommener Unsinn“. Der kompulsive arabisch-islamische Judenhass ist ein anderes Thema, das er bespricht. Eine Akzeptanz Israels in der arabischen Welt hält er auf absehbare Zeit unmöglich. Es lohnt sich die 70 Minuten Zeit in dieses Interview zu investieren – auch wenn es in englischer Sprache stattfindet. Auch wenn es nicht heute, in der Zeit des arabischen Winters stattfand, ist es genau so aktuell wie vor drei Jahren. 

Im Juli 2006, also drei Jahre früher als obiges Interview, schrieb Youssef M. Ibrahim einen offenen Brief an die Palästinenser, den ich hier selbst ins Deutsche übersetzt habe. Fast alle seiner Aussagen sind heute so aktuell, wie in 2006. 

„Jewish World Review“, „Jewish World Review“, 12. Juli 2006

"Liebe palästinensisch-arabische Brüder.

Der Krieg mit Israel ist vorbei. 

Ihr habt verloren. Gebt auf und verhandelt über die Sicherung der Zukunft eurer Kinder. Wir, eure arabischen Brüder, mögen euch versichern bis wir blau im Gesicht sind, dass wir euch unterstützen, doch die Weisen unter euch und die meisten unter uns wissen: wir Nichtpalästinenser führen unser Leben fort, weg von der müden alten Ideen euch bei die palästinensische-arabische Sache und dem „ewigen Kampf“ gegen Israel wirklich zur Seite zu stehen. 

Liebe Freunde, ihr und eure Führer verschwendeten drei Generationen mit dem Versuch für Palästina zu kämpfen, aber die Wahrheit ist, das Palästina, das ihr 1948 hättet haben können, viel grösser war, als das Palästina, das ihr hättet in 1967 haben können, das wiederum grösser war als das Palästina, für das ihr euch heute oder in zehn Jahren bescheiden werden müsst. Kampf [er meint wohl eher „strampeln“] heisst weniger Land, mehr Leiden und Not und komplette Einsamkeit. 

Brüder, ihr werdet glücklich sein müssen, eingepfercht in einem staatsähnlichen Gebilde im Gazastreifen zu wohnen, sowie in einem kleinen Teil der jordanischen [?] Westbank. Besser wird es nicht werden. Die Zeit läuft aus, sogar für dieses kleine Stück Land. Dazu, meine Freunde, möchte ich euch  Fakten, Zahlen und vernünftige Ratschläge geben. 

Ihr habt noch immer Schlüssel, die ihr bei Fernsehinterviews vorzeigt, Schlüssel für Häuser, die heute nicht mehr existieren oder von Israelis, die keinerlei Absicht haben Jaffa, Haifa, Tela Aviv oder West-Jerusalem zu verlassen, bewohnt werden. 

Ihr schiesst mit veralteten Waffen auf moderne israelische Panzer und in Amerika produzierte Kampfflugzeuge, ohne in Israel grossen Schaden anzurichten und bringt dabei den Zorn der mächtigen israelischen Armee auf euch selbst. Ihr schiesst lächerliche Kassamraketen [das hat sich seither geändert], die wenig Wirkung haben auf Israel und bildet euch ein einen Befreiungskrieg zu führen. Eure Regierung, eure gesellschaftlichen Institutionen, eure Schulen und eure Wirtschaft sind ruiniert.

Eure Jugend wächst auf als Analphabeten, krank und Todesriten verfallen, während ihr, genau genommen durch die Grosszügigkeit Fremder, vor allem Amerikaner und der UNO, überlebt. [Da bin ich etwas anderer Meinung, er vergisst die massive Unterstützung der EU, er vergisst den Geiz der arabischen Welt und übersieht, dass täglich hunderte israelische Lastwagen Waren nach Gaza bringen, wie auch, dass Israel Energie und Wasser nach Gaza und in die Westbank liefert und mit Raketen bezahlt wird]. 

Täglich müssen eure Offiziellen um das tägliche Brot betteln, sind abhängig von Lastwagenladungen anderer, die Lebensmittel und anderes liefern, während eure kriminelle muslimisch- fundamentalistische Hamas Regierung weiterhin die Flammen des Krieges schürt, eines Krieges, den sie nie gewinnen kann. 

In anderen Worten, Brüder: ihr seid am Arsch (down and out), allein in einer völlig verbrannten Landschaft, die täglich kleiner wird.  

Was für ein Kampf soll das sein? Ist dieser Kampf es tatsächlich wert geführt zu werden? Wichtiger noch, welche miserable Zukunft versprecht ihr damit euren Kindern, der vierten- und fünften Generation nichtshabender verelendeter Araber? 

Wir, ihr arabischen Brüder, schreiten weiter. [unklar was er meint, materiell kann es kaum gemeint sein, der Rest der arabischen Welt (Ölstaaten ausgenommen), geht es weit schlimmer als den Palästinensern]. Jene von uns, die Öl besitzen, sind damit beschäftigt Reichtum zu scheffeln, Häuser zu bauen, Luxusüberbauungen, moderne Universitäten und Schulen, Autobahnen and Landstrassen zu errichten. 

Jene unter uns, die gemeinsame Grenzen mit Israel haben, wie Ägypten und Jordanien, unterschrieben mit ihm Friedensverträge und werden für euch in absehbarer Zukunft keinen Krieg entfachen.  

Jenen unter uns weit entfernt lebenden Arabern, wie Nordafrika und Irak, ist es völlig egal was mit euch passiert. 

Nur Syrien scheint eure Fantasie zu entfachen, dass es eines Tages zusammen mit euch Palästina befreien wird, obwohl ein riesiges Stück syrisches Territorium, die gesamte Golanhöhe, von Israel 1967 erobert und annektiert worden ist. Die Syrer, meine Freunde, werden gerne bis zum letzten Palästinenser für euch kämpfen. [Dieser Satz ist für die gesamte arabische Welt anwendbar. Von der heutigen Lage Syriens und seinem tragischen Bürgerkrieg konnte der Autor 2006 noch nichts wissen]. 

Bevor ihr mit der Hamas Bande stecken bleibt, ein anderer eurer betrügerischen, verschwörerischen Anführer, Yassir Arafat [inzwischen tot, wahrscheinlich an AIDS gestorben], verkaufte euch ein anderes faules Angebot – mehr Schmerz, mehr und grössere Korruption und von seinen Verwandten gestohlene Millionen – während eure Kinder in den Abwassern Gazas spielten.  

Der Krieg ist vorbei. Warum nicht mit dem Aufbau einer neuen Zukunft beginnen?“

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