Montag, 18. Februar 2013

Drusen in Israel

Die Lage der Drusen auf der Golanhöhe ist durch die Vorgänge in Syrien in die Schlagzeilen gerückt. Etwas Information zu diesem Thema tut not.  

Israels traditionelle drusische Minderheit

Folgende Geschichte erzählte mir mein drusischer Freund Hani aus Daliat al-Carmel: „Als Israel 1948 von arabischen Armeen und palästinensischen Freischärlern angegriffen wurde, rief der damalige Gewerkschaftsfunktionär Abba Hushi die Führer der drusischen Dörfer auf dem Carmel an sein Krankenbett in einem Spital in Haifa. Er war damals schon ein einflussreicher Politiker im Land und wurde kurz später Bürgermeister der Stadt. Er wisse, sagte er den drusischen Scheichs, dass die Araber sie mit Waffen versorgt hätten, damit sie an den arabischen Angriffen teilnehmen und Juden töten könnten. Doch, so sagte er, wir sind doch traditionell Freunde. Er verspreche ihnen, dass sie, wenn sie sich still verhalten würden, er dafür sorgen würde, dass sie den Krieg unbeschädigt überstehen und im neuen Staat Israel als freie Bürger leben würden. Nicht nur die Drusen auf dem Carmel, sondern die meisten Drusen Palästinas gingen auf Abba Hushis Vorschlag ein. Sie vertrauten ihm. Abba Hushi hielt sein Wort“.

Im Übrigen ist hinzuzufügen, dass Abba Hushi einer der grossen unter den sozialistischen Staatsgründern war, dessen Einfluss unter anderem die Hafenstadt Haifa zum „Roten Haifa“ machte, einer Bezeichnung die bis heute gültig ist.

Drusen sind überall im nördlichen Israel zu finden. Rund 110‘000 leben auf dem Carmel und in Galiläa, zerstreut in zahlreichen Dörfern, in rein drusischen wie Daliat al-Carmel und gemischten Orten wie Usifiya und Shfar‘am, wo sie zusammen mit muslimischen und christlichen Arabern und auch Juden gut leben. Man nennt Israels Drusen die besten Zionisten und die grössten Patrioten des Landes. Sie sind vertreten in zionistischen Organisation, halten an Zionistenkongressen begeisternde Reden, die ich schon selbst miterlebt habe. Der drusische Delegierte schimpfte mit ausländischen und israelischen jüdischen Teilnehmern, sie würden Hebräisch weder lernen oder gar sprechen. Und, adressiert an die amerikanischen und europäischen Juden, klagte er diese an, nicht genügend unter ihnen würden Alia machen (nach Israel emigrieren). Israels Drusen haben sich bewusst und freiwillig der allgemeinen Wehrpflicht unterworfen und drusische Soldaten sind in Generalsrängen zu finden. Es gibt eine Drusen-Bataillon, doch die meisten ziehen es vor in Eliteeinheiten zusammen mit jüdischen Wehrmännern zu dienen.   

Was Frauenrechte betrifft hinkt die drusische Gesellschaft weit hinter der jüdischen und christlichen hinterher. Sie ist nicht weniger patriarchalisch wie die traditionelle muslimisch-arabische; der Mann herrscht und die Frau ist ihm unterworfen – es sei denn, die Familie hat sich dem modernen israelischen Lebensstil soweit angepasst, dass sie ihre Töchter an jüdische Mittelschulen schickt, in denen sie den jüdisch-israelischen Lebensstil zu einem grossen Teil erlernen und übernehmen. Ihr hebräischer Akzent ist dann nicht arabisch, sondern sie sprechen mit dem Akzent eines Sabres, einem in Israel geborenen Juden. Entgegen dem Willen der drusischen Scheichs, aber von ihren Eltern bewusst unterstützt, absolvieren junge Drusinnen in wachsender Zahl den zweijährigen israelischen Zivildienst – so weit wie christliche Araberinnen in Elite-Kampfeinheiten, sind sie noch nicht. Ein anderes Beispiel drusischer Frauenrechte: da Drusen keine Muslime sind, dürfen sie Alkohol trinken – aber nur die Männer. Frauen nicht, wie ich aus Erfahrung gelernt habe.

Drusen der Golan

Israel eroberte die Golanhöhe im Sechstagekrieg 1967, nachdem es jahrelang von syrischer Artillerie beschossen worden war und unzählige Opfer erlitten hatte. 1981 wurde die Golan annektiert und es herrscht dort israelisches Gesetz. Heute leben auf dort gegen 20‘000 Drusen und etwa gleich viele Juden, die unter anderem auch in Kibbuzim wohnen. Im Gegensatz zur Westbank herrscht Frieden zwischen den zwei Bevölkerungsgruppen, fanatisches Siedlertum und Grossisraelphantasien gibt es nicht. Die Golanhöhe ist heute eine der wichtigsten Produzenten israelischer Landwirtschaftsprodukte, vor allem Obst und Wein hoher Qualität. Daran sind Drusen und Juden beide beteiligt. Drusen aus der Golan sind oft auf israelischen Jahrmärkten zu finden, wo sie vor allem Lebensmittel anbieten, wie Olivenöl, drusische Pitot (Brot), oft enormer Grösse. Ihre selbstgemachte Konfitüre ist sehr lecker. 

Ein oberster Grundsatz des drusischen Volkes ist, volle Loyalität dem Land gegenüber zu beweisen, in dem sie leben. Doch viele Golan Drusen haben damit ein Problem. Durch die Annektierung der Golanhöhe durch Israel, erhielten sie Gelegenheit israelische Bürger zu werden. Bisher haben die meisten das abgelehnt, vor allem aus zwei Gründen. Bis anhin lebten syrische Drusen mit besonderer Verbundenheit und Treue für die regierende Assad Familie. Diese gehört einer anderen syrischen Minderheit an, den Alawiten. Beide Assads, Vater und Sohn, förderten und schützten die drusische Gemeinschaft Syriens. Das ist der eine Grund. Der zweite ist, dass bis zum heutigen blutigen Bürgerkrieg in Syrien, Israel erfolglos versuchte mit Syrien Friedensverhandlungen aufzunehmen, die natürlich die Rückgabe der Golan an Syrien beinhalten würde. Das hätte zur Folge, dass Drusen israelischer Nationalität, wenn nicht sogar alle, um ihr Leben fürchten müssten. Warum das so ist, muss, so hoffe ich, nicht erklärt werden. Jetzt, mit der wankenden Herrschaft Bashar Assads und seinem voraussehbaren Ende, dem aller Voraussicht nach eine noch brutalere islamistische Herrschaft folgen wird, ist dieses Thema fast völlig vom Tisch. Früher verbrannten Drusen der Golan demonstrativ ihre blauen israelischen Identitätskarten, Solidarität mit der arabischen Welt zu demonstrieren. Heute, nachdem sie offenbar erkannt haben, dass nach dem baldigen Ende der ihnen wohlgesonnenen Assad-Diktatur, ihnen und ihrer Religion feindlich gesinnte Islamisten an der Macht sein werden, haben sie ihre Einstellung gegenüber Israel geändert. Vor allem junge Golan-Drusen wollen nun israelische Bürger werden. Täglich stehen Dutzende vor den Schaltern des israelischen Innenministeriums, um israelische Staatsbürgerschaft zu beantragen. Sie sind zum Schluss gekommen, dass diese der syrischen Staatbürgerschaft vorzuziehen sei, dessen Regierung seine Bürger zu zehntausenden umbringt. Bis anhin waren Drusen in Syrien eine bevorzugte Minderheit, so wie die Alawiten Assads. Nach dessen Fall wird sich ihre Lage mit ziemlicher Sicherheit ins Gegenteil umkehren. Drusen der Golan, ob israelische Bürger oder nicht, wären dann zweifacher Verfolgung durch Islamisten ausgesetzt: als Drusen mit ihrer nichtislamischen Religion und als „Israelis“, als Verräter, die gemeinsame Sache mit dem jüdischen Erzfeind gemacht hätten.  

In einem Artikel der Internetzeitung „Times of Israel“ wird ein Druse (mit israelischem Pass) aus dem Dorf Massade auf der Golanhöhe zitiert: „Dieser Trend wird sich verstärken. Mehr und mehr Leute verstehen, dass Israel ein gut regiertes Land ist, in dem man leben und seine Kinder aufziehen kann. Das ist einem Flüchtlingsleben in einem anderen Land vorzuziehen. In Syrien gibt es Massenmord und sollten [die Drusen] unter syrische Kontrolle geraten, würden sie voraussichtlich zu Opfern dieser Greueltaten. Wir sehen ermordete Kinder und Flüchtlinge auf dem Weg nach Jordanien und die Türkei ohne Hab und Gut, und fragen uns: „Wo will ich meine Kinder grossziehen. Die Antwort ist klar – in Israel und nicht in Syrien“.“

Montag, 11. Februar 2013

Zwei Themen


 
 
Assad und seine Nachfolger

Dr. Assad, Präsident von Syrien und seine Aufständischen schlagen sich gegenseitig und mit ehrgeiziger Brutalität tot. Bis heute sind zwischen 60‘000 und 100‘000 Tote zu zählen, so genau nimmt oder weiss es keiner. Syriens arabischer Winter wurde, wie alle anderen auch, von Islamisten gehijackt. Genau so, wie in Ägypten, in Libyen, in Tunesien usw. Religion springt auf den fahrenden Zug, der durch das Volk der Verdrossenen und Frustrierten in Fahrt gesetzt worden ist und stülpt ihm Allah, oder was sie dafür halten, über. 

Viele Israelis, die sich nie für den Assad Clan und seine Diktatur befreunden konnten, können sich mit einem allfälligen Regierungswechsel nur zögernd, wenn überhaupt erwärmen. Der junge Assad hielt wenigstens seine eigenen Grenzen zu Israel ruhig und zettelte bloss, mit iranischer Unterstützung, die schiitische Hisbollah an, Israel zu gelegentlich zu bedrohen und Raketen dorthin zu feuern. Sollten nun Islamisten, wenn auch sunnitische al-Kaida Verbrecher, an die Macht kommen, könnte sich das ändern. Statt dem Iran wären dann al-Kaida und ähnliche Urheber und Motivatoren zur Zerstörung Israels. Regierungskreise geben heute schon bekannt, dass der nächste Krieg Israels voraussichtlich im Norden, mit den Nachbaren Syrien und Libanon stattfinden werde. Mit finanzieller Unterstützung aus Saudiarabien und den Emiraten am Golf.

Es sind gemischte Gefühle, die zurzeit in Israel herrschen. Ähnlich tönt es im Zusammenhang mit einer Konfrontation mit dem heute islamistisch regierten Ägypten. Ich habe keine Bedenken, Israel könnte sich mit diesen Herausforderungen nicht messen. Nur ist es schade um Menschenleben und finanzielle Mittel, die dadurch verloren gehen würden. Das gilt für beide Seiten. In der arabischen Welt, ganz besonders in der islamistischen (das sind fast alle), sollten Mittel zu Verbesserungen ihrer eigenen wirtschaftlichen und sozialen Rückständigkeit verwendet werden, statt Kriege anzuzetteln und damit mit Waffenkäufen eben diese Mittel zu „verbrennen“. Doch ist das Wort Selbstverantwortung in ihrer Welt mehrheitlich noch immer ein Fremdwort. Israel, mit seinen sozialen Problemen, für die, zu einem kleinen Teil auch der Zustand mangelnden Friedens verantwortlich ist, hat einen enormen Nachholbedarf seine eigene soziale Misswirtschaft zu kurieren. Unter Nethanyahu, der völlige andere Prioritäten besitzt, ist das kaum zu erwarten, auch unter friedlicheren Umständen. Denn dann müssten Siedlungstätigkeiten eingestellt und ein palästinensischer Friedenpartner gesucht werden. Heute hat unser Land durch die Resultate der kürzlich stattgefundenen Wahlen eine Chance erhalten, dies zu ändern.

Das Mami des Dzhabrial Kadayev

Der Fussballklub Beitar Jerusalem hat ein jahrelanges Problem vielleicht gelöst. Der Rassismus seiner Fans wurde zu einer enormen Hypothek für den Klub, es hagelte Strafen und die Finanzierung litt. Der Klub schämte sich über seine Fans. Die Fans bedrohten Spieler und Klubleitung, die sich fürchtete arabische oder muslimische Spieler anzuheuern, etwas das im israelischen Fussball gang und gäbe ist.  Der Klubinhaber, der jüdisch-russische Milliardär Gaydamak, fand den Mut zwei muslimische Spieler aus Tschetschenien zu kaufen. Dzhabrial Kadayev und Zaur Sadayev von tschetschenischen Klub Terek Grosny der russischen Nationalliga. Die erste Reaktion der Rassisten unter den Fans war Schock und Wut. Sie reagierten entsprechend. Das Klublokal von Beitar Jerusalem wurde angezündet und es entstanden grosse Schäden. Der Klub und viele Fans im Lande, wussten nicht wie das enden würden.

Heute Abend spielte Beitar Jerusalem gegen Bnei Sachnin, einem arabischen Nationalligaklub aus dem Galil. Ich musste mir das ansehen.

Kadayevs Mutter wurde aus Grosny eingeflogen. Sie durfte im VIP-Raum zusammen mit dem Jerusalemer Bürgermeister, der Sportministerin Limor Livnat (der Hauptverantwortlichen für den Niedergang des israelischen Schulsystems) und anderen sich wichtig vorkommenden Leuten sitzen. Ihr neunzehn Jahre alter Sohn sass auf der Ersatzbank.

Beim FC Bnei Sachnin spielen nicht nur arabische, sondern auch jüdische Spieler und afrikanische Söldner. Einer von diesen jüdischen Spielern heisst Weizmann, ein hochzionistischer Name. Er spielte gut und bekam eine gelbe Karte. Es ist eine Tatsache, dass arabische Integration im israelischen Fussball sehr fortgeschritten ist, weit über den Rahmen des arabischen Bevölkerungsanteils hinaus. Arabische Israelis spielen in fast allen Klubs und in der israelischen Nationalmannschaft. Dort wurden sie in der Vergangenheit mit Transparenten jüdischer Rassisten konfrontiert, im Sinne „arabische Spieler repräsentieren uns [den Staat Israel] nicht!“. Vielleicht führt der Mut Gaydamaks und der Klubleitung dazu, dass sich Fussballklubs in Israel nicht mehr von „ihren“ Fans terrorisieren lassen. Allerdings will betont sein, dass Rassismus im Fussball nicht weniger unter Fans im europäischen Fussball zu finden ist. Das macht den israelischen Fussball-Rassismus nicht appetitlicher. Zwar haben wir ägyptische Zustände nicht erreicht, wie beispielsweise das blutige Gefecht vom 1. Februar 2012 nach dem Spiel zwischen den Fans vom „FC al-Mazri“ (Port Said) und dem Kairoer Klub „al-Ahly“, das mindesten 74 Tote produzierte.  Ich erinnere mich auch, dass der Zürcher Grasshoppers Club früher einen antisemitischen Ruf besass und Juden weder als Mitglieder noch als Spieler aufgenommen habe.

Wie verhielten sich die im Teddy-Stadion (genannt nach dem berühmten Bürgermeister Jerusalems Teddy Kollek) anwesenden Zuschauer. Es gab eine Überraschung: die Beitar Jerusalem Fans verhielten sich vorbildlich. Es waren Transparente zu sehen mit den Worten: „Wir lieben euch alle, wir sind keine Rassisten“. Von den gegen neuntausend Zuschauern seien nur 35 rabiate Beitar-Fans aus dem Stadion geführt worden, wie auch 35 Fans von Sachnin, die die Sicherheit gefährdet hätten. Der Reporter erzählte, es habe einige rassistische Demonstrationen gegeben, die von der Fernsehkamera nicht aufgenommen worden seien. Diese Ausbrüche seien nur von einer winzigen Gruppe verursacht worden. Von all dem war nur eine Szene zu sehen: als vor Spielbeginn einige Sachnin-Fans von Wächtern der Ordnung aus dem Stadion geführt wurden.
 
Zum Spiel selbst: in der ersten Halbzeit wurde Beitar Jerusalem von Bnei Sachnin förmlich überrollt. Beitar lag bei der Pause 0:2 im Rückstand. Die Ehrengäste im verglasten VIP-Raum schauten entsetzt durch die Scheiben. Gaydamak raufte sich sichtbar die Haare. In der zweiten Halbzeit holte Beitar auf und der Match endete 2:2. Zur lauten Freude aller durfte der junge Grosnyer Dzhabrial Kadayev die letzten fünfzehn Minuten mitspielen – wohl um seiner Mutter eine Freude zu bereiten. Ein Goal schoss er nicht. Der Trainer von Beitar Jerusalem sei zufrieden mit ihm, doch habe er noch sehr viel zu lernen.